Europäische Bürgerinitiative verklagt die EU

290 Bürgerorganisationen reichten Klage gegen die Ablehnung der Europäischen Bürgerinitiative „Stop TTIP“ vor dem europäischen Gerichtshof ein. Die EU versuche die Bürger unmündig im Fall TTIP zu machen und mit rechtlichen Spitzfindigkeiten die demokratische Freiheit zu beschneiden. Das Urteil könnte zukunftsweisend für das Mitspracherecht der Bürger in der EU sein.

Am 10. November reichten mehr als 290 Bürgerorganisationen aus ganz Europa Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ein. Klagegrund ist die Ablehnung des Antrages für die Europäische Bürgerinitiative „Stop TTIP“, womit die EU aufgefordert wird, das Verhandlungsmandat für umstrittene Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) aufzugeben. In dem überwiegend im geheimen ausgehandelten Handelsabkommen, welches mit dem Chlorhühnchen für mediales Aufsehen sorgte, sehen viele Bürger unter anderem die Gefahr, dass der Verbraucherschutz sowie der Kündigungsschutz aufgeweicht werden und Unternehmen die Nationen mit Millionenklagen vor privaten Schiedsgerichten überhäufen können, wenn Gesetze ihre wirtschaftlichen Interessen beschneiden.

Der Antrag vom 15. Juli zur Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative wurde von der EU-Kommission am 11. September abgelehnt. Die Begründung stützt sich auf zwei Argumente. Zum einen sei das Verhandlungsmandat zu TTIP ein interner Vorbereitungsakt und kein Rechtsakt, der Wirkung auf die Bürger hat. Zudem könne eine Europäische Bürgerinitiative nur fordern einen Rechtsakt zu erlassen und nicht einen zu verhindern. Die EU-Kommission beruft sich auf Artikel 11 des EU-Vertrages, der lautet: „Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten handeln muss, können die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen.“

Für die Initiatoren sind das keine stichhaltigen Begründungen für die Ablehnung und reichten gegen die Ablehnung Klage ein, denn eine Europäische Bürgerinitiative könne sich durchaus auf das Verhandlungsmandat der Handelsabkommen beziehen. „Wir werden unseren Protest nicht einstellen, nur weil die EU-Kommission durch eine unbegründete und eindeutig politisch motivierte Ablehnung Zeit gewinnen möchte“, erklärt Karl Bär, Mitglied im Steuerungskreis der Europäischen Bürgerinitiative. Michael Efler, Vertreter des siebenköpfigen Bürgerausschusses der Initiative sagt, „die juristischen Argumente, mit denen die Kommission die Ablehnung unserer Bürgerinitiative begründet, sind unserer Auffassung nach falsch. Das werden wir vor dem Europäischen Gerichtshof vertreten. Wir werden dafür streiten, dass internationale Handelsabkommen in Zukunft nicht mehr im Geheimen und ohne jede Interventionsmöglichkeit verhandelt werden.“

Der Sinn und Zweck einer Europäischen Bürgerinitiative für die Bürger ist bei Entscheidungen der EU direkt mitreden zu können. Im ersten Schritt muss die Bürgerinitiative bei der EU registriert werden, was im Fall „Stop TTIP“ am 15. Juli beantragt wurde. Nach der Registrierung kann die EU dann gezwungen werden sich mit dem Anliegen zu befassen, wenn mindestens eine Millionen Unterschriften aus sieben Ländern gesammelt wurden. Da allerdings die rechtliche Zulassung abgelehnt wurde, kann die Bürgerinitiative nicht mal anfangen Unterschriften zu sammeln. Dennoch wollen die Organisatoren die Bürgerinitiative wie geplant durchführen, auch ohne Zustimmung der EU oder wenn die Klage abgewiesen wird.

Die Klage kann Richtungsweisend für zukünftige Europäische Bürgerinitiativen werden. „Wir klagen nicht nur für die Europäische Bürgerinitiative 'Stop TTIP', sondern auch für weitere Europäische Bürgerinitiativen. Wenn es um die Verhandlung internationaler Verträge geht, will die EU-Kommission die Bürgerinnen und Bürger komplett aussperren. Solange noch verhandelt wird, darf sich die Bevölkerung nicht einmischen und wenn die Verträge erst auf dem Tisch liegen, ist es zu spät. Diese Rechtsauffassung würde auch viele künftige Europäische Bürgerinitiativen zu zahnlosen Papiertigern machen“, erklärt Michael Efler. Um nochmal „die fragwürdig begründete und offenbar politisch motivierte" Entscheidung der Kommission zu verdeutlichen, wurde die Klageeinreichung mit einer Demonstration von rund 50 Bürgern vor dem Europäischen Gerichtshof unterstrichen.

„Der Graben zwischen Europapolitik und Bevölkerung soll überwunden werden, so das übereinstimmende Credo der Politik. Doch die Diskrepanz zwischen verbalen Luftblasen und tatsächlicher Politik ist eine Zumutung. Die Brüsseler Arroganz gegenüber Europas Bürgerinnen und Bürgern ist nicht hinnehmbar. Wir werden dies, auch im Interesse der europäischen Idee, nicht akzeptieren und uns weiterhin gegen die Freihandelsabkommen CETA und TTIP zu wehren wissen", so Blanche Weber, Mitglied im Bürgerausschuss der Europäischen Bürgerinitiative.

Vollständige Klageschrift

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