Politik muss dem Wasser mehr Beachtung schenken



Im März 2012 veröffentlichte die UNESCO ihren vierten Weltwasserbericht. Der alle vier Jahre erscheinende Bericht des World Water Assessment Program (WWAP), für das die UNESCO federführend ist, trägt 2012 den Titel: „Wasserbewirtschaftung – Unsicherheiten und Risiken“. Für den 700-seitigen Bericht zur weltweiten Wassersituation arbeiten 19 UN-Organisationen mit der UNESCO zusammen. Insgesamt zeigt der Bericht positive Tendenzen bei der Bewältigung der Probleme bezüglich der globalen Wassersituation.

Aber es sind noch viele und schwierige Aufgaben, auch von den kommenden Generationen, zu bewältigen, bevor von einer entspannten Situation und einer Lösung der weltweiten Wasserproblematik gesprochen werden kann. Im Kern fordert die UNESCO mehr Initiative von Seiten der Politik. Die Regierungen sind gefragt, sich intensiver mit dem globalen Wassermanagement zu befassen, sowohl national als auch verstärkt international. Nur mit gemeinschaftlichen internationalen Vorgehensweisen der Regierungen können nachhaltige Lösungen (Sustainable Solutions) erarbeitet und der globale Umweltwandel (Global Environmental Change) besser gesteuert werden.


SUSTAINABLE SOLUTIONS


Als nicht neu produzierbares Produkt bleibt beim Wasser eine nachhaltige Nutzung unabdingbar. Wasser ist ein wesentlicher, wenn nicht gar der wichtigste Faktor für eine tragfähige wirtschaftliche und gesellschaftliche globale Entwicklung. In jedem Sektor, ob Ernährung, Umwelt, Wirtschaft oder Energiegewinnung, spielt Wasser eine zentrale Rolle. Daher müssen sektorübergreifende Lösungen für die jeweilige Wassernutzung gefunden werden. Der Klimawandel, die Energiekrise und die Nahrungskrise sind globale, miteinander zusammenhängende Probleme, die nur in Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft bewältigt werden können. Abgestimmte Herangehensweisen in einer sektorübergreifenden Wasserbewirtschaftung würden sicherstellen, dass Fortschritte in einem Sektor nicht durch Rückschritte in einem anderen Sektor in der Gesamtproblematik sinnlos gemacht würden. Nach Ansicht der UNESCO sind rein sektorbezogene Ansätze weder nachhaltig, noch fördern sie den Wohlstand.


GLOBAL ENVIRONMENTAL CHANGE


Zu den Prozessen des globalen Umweltwandels gehören die Süsswasserverknappung, der Verlust der biologischen Vielfalt und der Klimawandel. Um den globalen Umweltwandel zu steuern, ist es notwendig, die Komplexität, die Vernetzung und die Sensitivität der sozialen Systeme zu erkennen und in die richtige Richtung zu lenken. Die Herausforderungen sind nicht „außerhalb“ der menschlichen Gesellschaft zu finden, sondern vielmehr ein innerer Bestandteil des gesellschaftlichen Systems. Bereits 1992 bei der Rio-Konferenz (United Nations Conference on Environment and Development) wurde erkannt, dass eine nachhaltige Entwicklung untrennbar mit sozialen und ökologischen Dimensionen verbunden ist. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass jede soziale Herausforderung teilweise auch ökologisch und jede ökologische Herausforderung in mancher Hinsicht sozial ist. Der rasante globale wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und demografische Wandel hat der zentralen Bedeutung, die Wasser darin hat, bisher zu wenig Beachtung geschenkt bzw. es wurden vorrangig die eigenen Interessen vertreten. Aber gerade in dieser sich schnell verändernden Welt und dem globalen Umweltwandel muss die Ressource Wasser durch starke internationale Institutionen und klare gesetzliche Regelungen für die kommenden Generationen geschützt werden. Die Politik ist gefragt, um in einem nachhaltigen sektorübergreifenden Wassermanagement schnell und angemessen auf die sich ständig verändernden globalen Rahmenbedingungen zu reagieren. Die Regierungen müssen endlich dem Thema Wasser Priorität in der nationalen und internationalen Politik geben. In der globalisierten Welt haben sich bereits viele internationale Abhängigkeiten entwickelt. Das ist beim Wasser nicht anders. Bereits heute haben viele Länder mit Wasserknappheit und durch Wasser bedingter Armut zu kämpfen. Vielen Regionen wird nichts anderes übrig bleiben, als Wasser zu importieren. Die internationale Politik wird nicht daran vorbeikommen, stärkeren Einfluss auf die Wassernutzung zu nehmen und für alle annehmbare Kompromisse und Lösungen zu erarbeiten.


WASSERBEDARF IN DER LANDWIRTSCHAFT


Die Landwirtschaft ist mit 70 Prozent des weltweiten Wasserbedarfs der wasserintensivste Sektor, bietet gleichzeitig damit aber auch die größten Möglichkeiten, nachhaltiger mit Wasser umzugehen. Zentrale Ansatzpunkte sind die Verringerung der Wasserverluste bei der Nahrungsmittelproduktion und dem Handel sowie eine geringere Verschwendung von Lebensmitteln bei den Verbrauchern. Im internationalen Vergleich gibt es in der Landwirtschaft bezüglich des Wasserbedarfs erhebliche Unterschiede. In Industriestaaten, wie beispielsweise Deutschland, ist der Anteil des Wasserbedarfs eher gering, während in schnell wachsenden Schwellenländern wie Indien der Anteil beinahe 90 Prozent ausmacht. In den am wenigsten entwickelten Ländern liegt der Wert sogar darüber. Mit einer stetig wachsenden Weltbevölkerung wird der Bedarf an Nahrungsmitteln weiter steigen, und gleichzeitig muss auch die Nahrungsmittelproduktion gesteigert werden. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung laut Hochrechnungen um zwei bis drei Milliarden Menschen anwachsen. Um die Weltbevölkerung zu ernähren, muss die Nahrungsmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden. Weniger als 20 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Flächen werden künstlich bewässert. Dennoch tragen diese Flächen zu 40 Prozent der gesamten globalen Nahrungsmittelproduktion bei. Die künstlich bewässerten Anbauflächen bringen einen 2,7-fach höheren Ertrag als die allein durch Regen bewässerten landwirtschaftlichen Flächen. Wegen des um 170 Prozent höheren Ertrags der genutzten landwirtschaftlichen Anbaufläche hat sich die Fläche der künstlich bewässerten Landwirtschaft seit 1970 weltweit auf über 300 Millionen Hektar beinahe verdoppelt. Potenzial für eine Ausweitung künstlich bewässerter Flächen bietet sich in Südamerika und in Afrika südlich der Sahara. Dort hapert es aber nicht daran, dass es einen Wassermangel gäbe – das ist ausreichend vorhanden –, sondern an Defiziten im Wassersektor. Es gibt keine bzw. kaum ausgearbeitete Projekte, und die erforderliche Infrastruktur ist nicht vorhanden. Die Landwirtschaftsorganisation der UN rechnet trotz des um 70 Prozent höheren Nahrungsmittelbedarfs bis 2050 nur mit einer elfprozentigen Steigerung des Wasserbedarfs in der Landwirtschaft. Auch der Gesamtbedarf an Wasser hält sich mit geschätzten 20 Prozent im Rahmen. Der größte Teil des Zuwachses fällt auf Regionen, die bereits heute von Wassermangel betroffen sind. Auch die Kosten für notwendige Investitionen in effiziente Bewässerungssysteme sind als gering einzustufen. So entsprechen die geschätzten zehn Milliarden Dollar gerade mal rund 17 Prozent des globalen Mineralwassermarktes. Global gesehen sind schon Ansätze und Lösungen vorhanden. Es mangelt meist nur an gemeinschaftlichen internationalen Bemühungen, den nötigen Investitionen und/oder politischer Entscheidungskraft.


GRUNDWASSERBELASTUNG


Neben der intensiven Nutzung des Wassers ist die Landwirtschaft auch maßgeblich für die ständig zunehmende Verschlechterung der Wasserqualität verantwortlich. Global sind Nitrate die am meisten verbreiteten chemischen Schadstoffe im Grundwasser. Hier sind die westlichen Nationen zum Handeln aufgefordert, denn Westeuropa und die Vereinigten Staaten von Amerika setzen im internationalen Vergleich die größten Mengen an Pestiziden ein. Japan setzt umgerechnet auf die Fläche am meisten Pestizide ein. In den Industriestaaten ist die Nutztierhaltung der wesentliche Faktor für die Umwelt- und Wasserverschmutzung. Aber auch in Schwellenländern wie Brasilien bereitet die Nutztierhaltung zunehmend Umweltprobleme, da riesige Waldflächen dafür abgeholzt werden. Beinahe ein Fünftel der Treibhausgase gehen auf die Nutztierhaltung zurück.


DEGRADIERTE BÖDEN


Ein weiteres globales Problem stellt der Verlust von fruchtbarem Boden dar. Jährlich gehen rund sechs Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche verloren, was etwa 24 Milliarden Tonnen fruchtbarer Erde entspricht. Die verlorene Anbaufläche beträgt heute die doppelte Fläche von China. Ein Teil der Fläche ist so geschädigt, dass sie für die Landwirtschaft unrettbar verloren ist. Die Degradierung der Böden ist keinesfalls nur ein Problem von trockenen Regionen, sondern kommt vermehrt auch in feuchten Gebieten vor. Eine Ursache ist sicherlich die intensive Landwirtschaft, die den Böden keine Zeit mehr zur Regeneration lässt. Betroffen sind davon 1,5 Milliarden Menschen, von denen jeweils ein Viertel in Indien und in Afrika südlich der Sahara lebt.


GESTEIGERTES KONSUMVERHALTEN


Einen größeren Anteil am zunehmenden Wasserbedarf als die wachsende Weltbevölkerung hat das Konsumverhalten der Verbraucher in den letzten Jahrzehnten gehabt. Nach Einbeziehung des virtuellen Wassers auf den Gesamtverbrauch einer Nation hat sich gezeigt, dass die westlichen Länder einen sehr hohen Wasserbedarf pro Kopf haben. Für die Produktion von Kaffee, Fleisch- und Milchprodukten ist sehr viel Wasser nötig. So ist es kaum verwunderlich, dass westliche Menschen sehr viel mehr Wasser „konsumieren“ als Menschen, die sich überwiegend von Getreide und Gemüse ernähren. Für ein Kilogramm Reis werden etwa 2.500 Liter Wasser benötigt und für ein Kilogramm Rindfleisch rund 15.000 Liter. Diesen negativen Aspekt der Globalisierung verdeutlicht das virtuelle Wasser. Industriestaaten „importieren“ Wasser aus den ärmeren Regionen der Welt in Form von Nahrungsmitteln und Produkten. Während die Industrienationen damit ihren Wasserbedarf decken, verlieren die exportierenden Länder das wenige Wasser, das sie haben. So stammen nur 38 Prozent des konsumierten Wassers in Großbritannien aus dem Land selbst, und 62 Prozent des Wassers kommt als virtuelles Wasser in Form von Produkten und Nahrungsmitteln aus dem Ausland.


DIE ROLLE DES WASSERS BEI DER ENERGIEGEWINNUNG


Der Trend geht eindeutig zu erneuerbaren Energien, doch wird es noch Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauern, um sich von der Abhängigkeit von Öl, Kohle und Atomkraftwerken zu lösen. In den nächsten Jahren wird der Gesamtbedarf an Energie um 60 Prozent steigen. Immerhin trägt heute schon Wasserkraft als bedeutendste Form erneuerbarer Energie mit 15 Prozent zum Gesamtenergiebedarf bei. Nach Schätzungen kann die Strommenge aus Wasserkraft verdreifacht werden. Großes Potenzial bietet der schwarze Kontinent Afrika, wo die Stromerzeugung aus Wasserkraft um das 20-Fache gesteigert werden könnte. Obwohl so viel Potenzial in der Wasserkraft liegt, werden die erneuerbaren Energien durch Photovoltaik, Wind- und Solarenergie schneller wachsen, was dem Wasser dennoch zugute kommt. Diese Technologien benötigen kaum Wasser, während übliche Stromkraftwerke ohne Wasserkühlung nicht auskommen. Einen paradoxen Effekt haben die Biotreibstoffe. Was eigentlich als „grüne“ Energie vermittelt wird, erfordert Unmengen an Wasserressourcen. Würden in 20 Jahren nur fünf Prozent der PKW mit Biokraftstoff fahren, müssten dafür 20 Prozent des in der Landwirtschaft eingesetzten Wassers verwendet werden. Ganz davon abgesehen, dass riesige landwirtschaftliche Flächen für die Energiegewinnung und nicht für die Nahrungsmittelproduktion verwendet würden. Die USA, Brasilien und mit deutlichem Abstand die EU sind die größten Erzeuger dieses umstrittenen Energieträgers. Bis 2050 würden für die Energiegewinnung laut dem Weltwasserbericht nur elf Prozent mehr Wasser benötigt. Könnte die Energieeffizienz gesteigert werden, ließe sich der Wasserbedarf sogar senken. Allerdings werden auch für die Trinkwassergewinnung insgesamt sieben bis acht Prozent des gesamten Energiebedarfs benötigt. So verbrauchen die in wasserarmen Gebieten häufig eingesetzten Meerwasserentsalzungsanlagen mehr Energie, als wenn das Wasser importiert würde, und sogar sechsmal mehr Energie als die herkömmliche Abwasserbehandlung.


MENSCHENRECHT AUF WASSER


Eines der Millenniums-Ziele der Vereinten Nationen, die Anzahl der Menschen zu halbieren, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, ist vor 2015 erreicht worden. 89 Prozent der Menschen haben heute zumindest Zugang zu sauberem Trinkwasser. Trotzdem liegt noch viel Arbeit an, denn rund 884 Millionen Menschen haben nach wie vor kein sauberes Wasser. Der Weltwasserbericht stützt sich bei den Angaben auf Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF aus dem Jahre 2010. Nach wie vor ist verunreinigtes Trinkwasser der Hauptgrund für Cholera und Durchfall erkrankungen. Im letzten Jahrzehnt sind die Cholerafälle wieder angestiegen und haben über 100.000 Todesopfer gefordert, was allein auf eine unzureichende Wasserversorgung zurückzuführen ist. Jährlich sterben 3,5 Millionen Menschen aufgrund mangelnder Wasserversorgung. Das Millenniums-Ziel bis 2015, die Anzahl der Menschen, die keinen Zugang zu sanitären Anlagen haben, zu halbieren, wird nicht erreicht. Mehr als 2,6 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu einfachen sanitären Anlagen. Bei der städtischen Bevölkerung in Entwicklungsländern verfügen 20 Prozent über keine sanitären Anlagen. Hätten alle Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und einfachen sanitären Anlagen, würden 90 Prozent der Durchfallerkrankungen nicht entstehen und somit zehn Prozent aller Erkrankungen weltweit. Bei der Abwasserbehandlung sind die Zahlen noch erschreckender. Global fließen 80 Prozent der städtischen Abwässer ungeklärt in Flüsse, Seen und Meer, in Entwicklungsländern sogar mehr als 90 Prozent. Dadurch werden wichtige Ökosysteme beeinträchtigt und zerstört. Dabei spielen diese Ökosysteme auch für die Wasserreinigung, Verhinderung von Erosion und Wasserzurückhaltung eine bedeutende Rolle. Obwohl die Ökosysteme eine kostenlose Dienstleistung bereitstellen, lässt sich ihr Wert beziffern: Die tropischen Wälder leisten allein für die Wasserversorgung pro Hektar einen Beitrag, der über 7.000 Dollar entspricht. Das sind 50 Prozent ihres gesamtwirtschaftlichen Wertes. Die Grundwasservorkommen müssen zukünftig ebenfalls mehr geschont werden. Jährlich werden rund 1.000 Kubikkilometer Grundwasser für die Wasserversorgung genutzt, das entspricht einem Viertel des weltweit entnommenen Wassers. Der Rest ist Oberflächenwasser aus Seen und Flüssen. Das verwendete Grundwasser kommt zu zwei Dritteln der Landwirtschaft zugute. Elf Prozent entfallen auf die Industrie, und 22 Prozent verbrauchen die Haushalte. In der Regel regeneriert sich das Grundwasservorkommen schnell und füllt sich wieder auf. Problematisch wird es meist in trockenen Gebieten oder bei der Ausbeutung von Grundwasser. Wird mehr Grundwasser entnommen, als sich regenerieren kann, kommt es zudem zur Versalzung. In einigen Regionen sind die Ausmaße der Absenkung des Grundwasserspiegels und der Versalzung schon heute bedenklich.


GLOBALE KOOPERATION


Ein zentrales Thema des Weltwasserberichtes ist die Notwendigkeit eines internationalen Wassermanagements. 148 Staaten sind an 276 grenzüberschreitenden Flusseinzugsgebieten beteiligt. Weniger als die Hälfte haben Vereinbarungen zur Wasserbewirtschaftung geschlossen. Ebenso ist für die 273 grenzüberschreitenden Grundwasserleiter eine verstärkte internationale Kooperation für das Wassermanagement notwendig. Seit 1820 kamen immerhin 450 internationale Abkommen zur gemeinschaftlichen Flussbewirtschaftung zustande, wodurch zudem viele Konflikte gelöst werden konnten. Inwieweit die Kosten des Klimawandels international getragen werden sollen, ist noch offen. Die Weltbank geht bei einem Temperaturanstieg des Weltklimas um 2 Grad zwischen 2020 und 2050 von jährlichen Kosten bis zu 100 Milliarden Dollar aus. 20 Prozent fallen auf den Hochwasserschutz und die Trinkwasserversorgung. Die Bewältigung von Naturkatastrophen ist schon heute ohne eine internationale Zusammenarbeit nicht möglich. An 90 Prozent der Naturkatastrophen ist Wasser beteiligt. 2010 waren durch 373 Naturkatastrophen 300.000 Todesopfer zu beklagen, und es wurden mehr als 200 Millionen Menschen in Mitleidenschaft gezogen. Katastrophen durch Hochwasser betrafen 70 Millionen Menschen. Bis 2050 werden es nach Schätzungen 2 Milliarden Menschen sein. 

DIE POLITIK IST GEFORDERT 

Die Millenniums-Ziele, die als Millenniums-Erklärung 2000 als gemeinsames, verbindliches Projekt gestaltet wurden, werden nicht erreicht. Die UNESCO mahnt die Internationale Gemeinschaft, das Thema Wasser viel stärker in die Politik zu integrieren. Zwar haben nach einer UN-Analyse von 2011 rund zwei Drittel der 125 untersuchten Staaten Strategien für ein „integriertes Wassermanagement“ (IWRM) entwickelt, doch nur ein Drittel setzt die Ansätze um. Dies liegt daran, dass in vielen Entwicklungsländern wegen anderer, massiver Probleme das Thema Wasser gar nicht bzw. sehr weit unten auf der Agenda steht. Hinzu kommen die Kürzungen der Entwicklungshilfe für den Wassersektor von acht auf fünf Prozent – sicherlich ein Schritt in die falsche Richtung.


WASSERSITUATION IN EUROPA


Als infrastrukturell gut ausgebauter Kontinent ist in Europa auch das Wassermanagement größtenteils geregelt. Mit Staudämmen, Wehren und Kanälen für Bewässerung, Schifffahrt und Wasserkraft ist die urbane Umgebung in der Vergangenheit massiv verändert worden. Heute sind in Europa Flüsse und Ökosysteme selten frei fließend und von Auen und Feuchtgebieten abgeschirmt. Das hat ökologische Veränderungen zur Folge, wie beim Sedimenttransport oder der Erosion. Die Wasserverschmutzung ist in den Siedlungen und seitens der Industrie in den hoch entwickelten Ländern wie Deutschland weitestgehend unter Kontrolle. In Ost- und Südeuropa, Zentralasien und dem Kaukasus, die von der UN zu Region Europa gezählt werden, besteht allerdings noch Handlungsbedarf. Vorbildlich sieht es aus bei der Umsetzung der seit 2000 eingeführten EU-Wasserrichtlinie. Es sind merkliche Fortschritte beim Schutz erreicht worden. Das Ziel, alle Gewässer bis 2015 wieder in einen ökologisch guten Zustand zu bekommen, ist realisierbar. Besonders in Osteuropa haben die EU-Wasserrahmenrichtlinien viel verändert, und es wurden große Fortschritte gemacht, doch vor allem entlang der Donau bleibt noch einiges zu verändern. Auch die Mittelmeer-Anrainerstaaten hinken bei der Umsetzung hinterher. Die europäische Landwirtschaft sorgt für ein zunehmendes Umweltproblem. Die Phosphor-, Pestizid- und Stickstoffbelastung ist weiterhin hoch. Düngemittel sind für 80 Prozent der Stickstoffe im Grundwasser verantwortlich. Die restlichen 20 Prozent kommen durch das Abwasser in das Grundwasser. Die Landwirte konnten zwar den Stickstoffeinsatz reduzieren, doch die Auswirkungen auf das Grundwasser sind kaum zu spüren. Bei der Bewässerung für die Landwirtschaft gibt es innerhalb Europas auch große Unterschiede. In Ländern wie Portugal, Spanien, Italien und Griechenland, wo das Wasser bereits knapp ist, werden 50 bis 60 Prozent für die Landwirtschaft und Nutztierhaltung verwendet. Es wird zudem immer mehr entnommen. In Zentraleuropa hingegen liegt der Anteil für die Landwirtschaft und Nutztierhaltung bei etwa 20 Prozent. Kaum ein Land in Europa verfügt über alleinige Wasserressourcen, sondern die Staaten teilen sich diese mit ihren Nachbarländern. Rund 100 grenzüberschreitende Flüsse und mehr als 100 grenzüberschreitende Grundwasserleiter gibt es in Europa. Dieses „Wasser-Netzwerk“ im dicht besiedelten Europa hat zu einer guten europäischen Kooperation im Wassersektor geführt, und viele Gesetze, Verordnungen, Empfehlungen und Richtlinien haben sich bewährt. Einen wesentlichen Beitrag zur Rechtsangleichung beim EU-Gewässerschutz leisten Flussgebietskommissionen für Rhein, Donau, Maas und Schelde. So baut auch die aktuelle EU-Wasserrahmenrichtlinie auf dem von der Wirtschaftskommission 1992 beschlossenen Wasserabkommen auf. Positiv zeigt sich der Weltwasserbericht bezüglich des Wasserverbrauchs in Europa. In 24 europäischen Ländern ist seit 1995 der Verbrauch durchschnittlich um 12 Prozent gefallen. Zurückzuführen ist das auf gesetzliche Vorgaben und effizientere Bewässerung in der Landwirtschaft. Wird allerdings das virtuelle Wasser zum Wasserverbrauch hinzugerechnet, sieht die Bilanz weniger positiv aus. Nach einer Modellrechnung liegt der Konsum von importiertem virtuellem Wasser pro Europäer bei 3.000 Litern pro Tag, das 30-Fache des täglichen Verbrauchs an Leitungswasser. Durch den Wegfall von verarbeitendem Gewerbe kam es zur erheblichen Verbesserung der Wasserverschmutzung, was zurzeit auf einige Länder Osteuropas noch nicht zutrifft. Dass in Europa für rund 120 Millionen Menschen ein Mangel an sauberem Trinkwasser besteht, ist kaum vorstellbar, doch jeder fünfte Europäer lebt tatsächlich in einem Einzugsgebiet, das „Wasser-Stress“ aufweist. Zwar sind sich die Experten immer noch nicht einig, ob und in welchem Maße der Klimawandel von der Menschheit mitzuverantworten ist oder ob es sich um einen normalen Prozess der Erdgeschichte handelt. Sollte aber die Menschheit mitverantwortlich sein, dann hat Europa viel dazu beigetragen. Für Europa sind die weitreichendsten Auswirkungen des Klimawandels in Südeuropa, am Polarkreis, im Kaukasus und in Zentralasien zu befürchten. Schätzungen zufolge könnten die Flüsse dann nur noch 20 Prozent der heutigen Wassermenge führen. Für Ostund Mitteleuropa sind vor allem geografische und zeitliche Veränderungen der Niederschläge hinzunehmen.


WASSERSITUATION IN AFRIKA


In jüngster Vergangenheit haben einige afrikanische Länder ein enormes Wirtschaftswachstum erzielt. Zwischen 2000 und 2010 fanden sich in den Top Ten der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften sechs südlich der Sahara. Trotzdem hat die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung weniger als einen Dollar pro Tag zur Verfügung. Auch das durchschnittliche Wachstum des Bruttosozialprodukts ist das niedrigste aller Kontinente. Der große Wachstumstreiber ist die Subsistenzlandwirtschaft, die auf 97 Prozent der Fläche betrieben wird und 60 Prozent der Bevölkerung beschäftigt. Der wirtschaftliche Trend wird nur anhalten können, wenn sich die gesamte Wasserversorgung ebenfalls mitentwickelt. Auch die gesellschaftlichen Herausforderungen, wie die weit verbreitete Armut und instabile Nahrungsversorgung, hängen wesentlich mit Wasser zusammen. Der Ausbau von Bewässerungssystemen gilt als vielversprechendste Maßnahme, um die Einkommen zu steigern. Dabei ist größtenteils nicht der Mangel an Wasser das Problem, sondern der Zugang zu Wasser dort, wo es benötigt wird. Afrika verfügt über ausreichend Wasser in seinen ausgedehnten Feuchtgebieten und großen Grundwasserspeichern. Es werden aber nur 5 Prozent der Ressourcen verwendet. Die Produktion in der Landwirtschaft muss jährlich um 3,3 Prozent wachsen, um 2025 alle Menschen in Afrika ernähren zu können. Die landwirtschaftliche Produktion wächst jedoch langsamer als die afrikanische Bevölkerung. Mit durchschnittlich weniger als zwei Prozent jährlichem Wachstum der Nahrungsmittelproduktion gegenüber 2,6 Prozent jährlichem Bevölkerungswachstum geht die Schere weiter auseinander. Heute leben rund 840 Millionen Menschen in Afrika, und nach Schätzungen werden es 2050 zwei Milliarden sein. Der demografische Wandel spitzt sich auch zu. Derzeit leben 60 Prozent der Afrikaner auf dem Land, doch der Trend geht in Richtung Städte, und der Zuwachs dort ist überproportional. Prognosen zufolge wird sich ohne radikale Maßnahmen die Slumbevölkerung auf 400 Millionen verdoppeln. Alle Probleme auf dem schwarzen Kontinent können nur mit einem nachhaltigen Wassermanagement und ausreichender Versorgung mit Trinkwasser sowie sanitären Anlagen bewältigt werden. Es mangelt an Infrastruktur und wirtschaftlichregulativen Rahmenbedingungen, um die Menschen mit ausreichend Trinkwasser zu versorgen. Die politische und ökonomische Situation in Afrika ist derart komplex, dass ein nachhaltiges Wassermanagement in absehbarer Zeit nicht zu erreichen ist. In Afrika wird über Wasserressourcen unter dem Eindruck drängender Probleme wie Armut und Bevölkerungswachstum entschieden, um schnelle Ergebnisse zu erwirken, anstatt langfristige und damit nachhaltige Strategien zu forcieren. Fehlende langfristige Konzepte, unzureichende Infrastruktur, politische Zwänge, finanzielle Gegebenheiten und mangelnde Kooperationen sind die Hürden, die bei einer Verbesserung der Wassersituation in Afrika überwunden werden müssen. Dabei liegt genau darin die Lösung des Problems. Nur wenn die afrikanischen Länder stärker in den Aufbau, die Wartung und den Betrieb von Wasserinfrastrukturen investieren, kann es eine Verbesserung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Probleme geben. Trotz Erreichen des Millenniums-Ziels, die Anzahl der Menschen zu halbieren, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, sind die Zahlen für Afrika weiterhin katastrophal. Südlich der Sahara haben immer noch 60 Prozent der Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Frauen und Kinder müssen nach wie vor mehrere Stunden laufen, um Trinkwasser zu besorgen, oder einen Großteil ihres Verdienstes opfern, um überteuertes Wasser bei Händlern zu kaufen. Auch haben 69 Prozent der afrikanischen Bevölkerung keinen Zugang zu sanitären Anlagen. Diese prekäre Lage ist dafür verantwortlich, dass sowohl die Gesundheit und das Wohlbefinden als auch wirtschaftliches Wachstum und Sicherheit gefährdet sind. Da an sich ausreichend Wasser auf dem schwarzen Kontinent zur Verfügung steht, liegt neben effizienterer Landwirtschaft großes Potenzial in der Erzeugung erneuerbarer Energie aus Wasserkraft. Derzeit liefert Wasserkraft rund ein Drittel der afrikanischen Gesamtenergieversorgung, wobei nur drei Prozent der Wasserressourcen dafür eingesetzt werden. Obwohl nur jeder vierte Afrikaner über Strom verfügt und zudem die Stromversorgung unzuverlässig ist, besteht erhebliches Steigerungspotenzial. Das könnte die Wirtschaft ankurbeln, und sogar der Export von Energie wäre möglich. Einen umweltfreundlichen Aspekt bringt die Wasserkraft zusätzlich: Der Einsatz traditioneller Biomasse wie Feuerholz würde damit zurückgehen. Die klimatischen Bedingungen in Afrika sind regional sehr unterschiedlich. Am Äquator regnet es viel, während die Niederschläge in der Sahara extrem gering sind. In Westafrika hingegen wechseln sich Dürren und Niederschläge unregelmäßig ab. Da drei von vier Afrikanern von Grundwasser abhängig sind, ist die Speicherung von Niederschlagswasser dringend notwendig. Bedingt durch den Klimawandel sind längere Dürreperioden oder vermehrte Hochwasserkatastrophen zu erwarten. Laut einer Studie aus dem Jahre 2010 sind jährliche Investitionen von 22 Milliarden Dollar notwendig, um die Millenniumsziele und nationalen Ziele hinsichtlich Trinkwasser und sanitärer Anlagen zu verwirklichen. Für bessere Bewässerungssysteme würden zusätzlich 20 Milliarden Dollar benötigt. Des Weiteren muss die Zusammenarbeit bei der Bewirtschaftung von Flussgebieten verbessert werden. Fast alle Staaten teilen sich Flüsse und Seen. Zwar existieren mehr als 90 internationale Abkommen, doch von einer fairen Aufteilung zwischen den Oberanrainerstaaten und Unteranrainerstaaten kann noch keine Rede sein. Auch wenn sich die Dinge nur langsam verändern, gibt es wenigstens in den institutionellen Rahmenbedingungen wie durch den Afrikanischen Wasser-Ministerrat oder durch den Kooperationsrahmen zur Wasserkraft im südlichen und westlichen Afrika Fortschritte zu verzeichnen. Die ersten politischen und wirtschaftlichen Schritte für eine internationale Kooperation zeigen sich mit der „Africa Water Vision 2025“, die von der Wirtschaftsorganisation der afrikanischen Staaten, NEPAD, formuliert und in der die Zielsetzung einer Schaffung starker Institutionen für ein integriertes Management der Wasserressourcen (IWRM) beschlossen wurde. Der schwarze Kontinent hat noch viele Probleme zu bewältigen, und es bleibt zu hoffen, dass die internationale Gemeinschaft Afrika bei der Lösung noch mehr unterstützt. Der vierte Weltwasserbericht der UNESCO gibt Hoffnung, denn er zeigt, dass die Thematik Wasser langsam, aber sicher mehr Gewicht in den wirtschaftlichen und politischen Bereichen bekommt. Leider noch zu wenig und zu langsam, um die großen globalen Probleme der Gegenwart hinreichend anzupacken. Doch zumindest geht es tendenziell nach vorne. Hoffentlich wird der fünfte UNESCO-Weltwasserbericht 2016 von geschichtlichen Meilensteinen für die Zukunft des Wassers und der globalen Trinkwasserversorgung sprechen können. Es wäre uns allen zu wünschen.

 

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