Geldscheine-Wasseroberfläche-Wellen

Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer VDGN stellte Strafanzeige gegen die Berliner Wasserbetriebe und den Berliner Senat. Sie sollen die Bürger bei Trink- und Abwasser durch Kostenmanipulation betrügen und ungerechtfertigt hohe Gewinne erzielen. Senat und die Berliner Wasserbetriebe sehen der Strafanzeige gelassenen entgegen.

„Wir halten die Preise für Trink- und Abwasser für deutlich zu hoch“, sagt Peter Ohm (53), Verbandspräsident des VDGN. „Durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen hoffen wir, dass die Preisbildung transparenter wird. Unser Ziel ist es, dass die Wasserpreise sinken und zu viel gezahlte Beträge an die Berliner Kunden zurückgeführt werden.“ Nach Auffassung des Verbandes zahlen die Berliner Bürger seit Jahren zu viel für das Trinkwasser und noch viel mehr für das Abwasser. Die Berliner Preise sind nicht gerechtfertigt und rechtswidrig, da der Trinkwasser und Abwasserpreis nach Meinung des VDGN auf Grundlage einer offensichtlich überhöhten Kostenkalkulation beruht.

Daher stellte der Verband Deutscher Grundstücksnutzer im Januar Strafanzeige gegen den Finanzvorstand der Berliner Wasserbetriebe (BWB), Frank Bruckmann, sowie gegen verantwortliche Mitglieder des Senats von Berlin. „In unserer Klage geht es nicht darum, einzelnen Personen persönliche Bereicherung vorzuwerfen", erklärt Ohm. Allerding lässt der von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) vorgelegte Bericht zum Jahresabschluss der landeseigenen Wasserbetriebe für das Jahr 2014 darauf schließen, dass die Kosten manipuliert sein könnten, was zu höheren Entgelten für die Verbraucher für Trink- und Abwasser führt.

„Aktuell haben die landeseigenen Berliner Wasserbetriebe das Jahr 2014 laut Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen mit einem Jahresgewinn von 145,1 Millionen Euro abgeschlossen. Davon werden fast 100 Millionen Euro an den Finanzsenator überwiesen. Dem liegt laut BWB-Geschäftsbericht ähnlich wie in den vergangenen Jahren eine im Vergleich zu anderen Wirtschaftsunternehmen traumhafte operative Rendite von 28,1 Prozent zugrunde. (Zum Vergleich: 2016 will zum Beispiel der österreichische Baukonzern Strabag laut der Nachrichtenagentur Reuters eine operative Rendite (Ebit-Marge) von 3 Prozent erreichen.) Diese ungewöhnlich hohen Ergebnisse begründen den Verdacht, dass der Senat und die BWB die Kosten und damit den kalkulierten Wasser- und Abwasserpreis zu Lasten der Kunden manipulieren und wirtschaftlich nicht gerechtfertigt in die Höhe treiben. Ziel ist es, möglichst hohe Abführungen an den Berliner Haushalt zu ermöglichen. Wir nennen das öffentlich-rechtlichen Feudalismus, der es ermöglicht, willkürlich verdeckte Steuern einzutreiben“, so Peter Ohm.

Die Berliner Wasserbetriebe sind eine Einrichtung des öffentlichen Rechts und sie erfüllen eine wichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge. Dennoch dürfen die Berliner Wasserbetriebe ihre Kunden privatrechtlich behandeln, also genau wie jedes private Unternehmen auch. Die Kunden der BWB zahlen laut dem Berliner Betriebe-Gesetz (BerlBG) für ihr Trink- und Abwasser keine Gebühren, sondern privatrechtliche Entgelte. Dennoch können die BWB nicht die Preise frei gestalten. Sie unterliegen landesrechtlichen Vorgaben des Landes Berlin. Nach § 16 Abs. 1 BerlBG muss die Einhaltung der kommunalabgabenrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung gewährleistet werden.

Im Klartext bedeutet dies, dass die tatsächlich entstandenen Kosten einer Verpflichtung zur Nachkalkulation unterliegen. Zuviel eingenommene Entgelte müssen wieder verrechnet werden. Eine Ausnahme bilden die sogenannten kalkulatorisch ermittelten Kosten. Sie unterliegen keiner Nachkalkulation, weil sie fiktiv sind. Bei den BWB handelt es sich da insbesondere um die kalkulatorischen Zinsen und die kalkulatorischen Abschreibungen. Und genau hier manipulieren nach Auffassung des VDGN der Senat und die BWB die Preise. „Der Betrugsvorwurf ist grundlos. Wir halten unsere Preiskalkulation nach wie vor für korrekt“, sagt Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen.

Der kalkulative Zinssatz für 2014 und 2015 wurde vom Senat auf 6,1 Prozent festgesetzt. Dabei sind in den Jahren die durchschnittlichen Renditen langjähriger Vermögensanlagen kontinuierlich gesunken. Demnach besteht ein Verdacht, dass der Senat im Interesse eines möglichst hohen operativen Ergebnisses den sogenannten Verordnungszinssatz vorsätzlich zu hoch angesetzt hat. Bezahlen muss diesen Zinssatz am Ende der Verbraucher über sein Entgelt. Des Weiteren besteht der Verdacht, dass die BWB die kalkulatorischen Abschreibungen in ökonomisch nicht gerechtfertigter Weise zu hoch in die Entgeltkalkulation einpreist. Auch hier zum Zwecke des Profites. Durch Erhöhung der Kosten, dem höheren Entgelt steht ein höherer Gewinn zu Buche. Schon 2014 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf festgestellt, dass die BWB für das Leitungsnetz, immerhin ein erheblicher Teil des betrieblichen Vermögens, diese in der Hälfte der Zeit buchhalterisch abschreiben als Vergleichsunternehmen. So entstehen jährlich kalkulatorisch höhere Kosten pro Jahr.

„Sollten diese Verdachtsmomente durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bestätigt werden, wäre der Tatbestand des Betruges zu Lasten der Bürger erfüllt. Zwar sieht das Berliner Betriebe-Gesetz eine angemessene Gewinnerzielung und die Abführung des Bilanzgewinns an den Landeshaushalt vor, was ohnehin grundsätzlich in Frage zu stellen ist. Auf keinen Fall jedoch kann es das Ziel sein, überdurchschnittlich hohe Gewinne durch Manipulation der Kosten und damit der Wasser- und Abwasserpreise zu erzielen“, so Verbandspräsident Ohm. Für den Verbraucher geht es um rund 40 Euro pro Jahr, die laut VDGN zu viel bezahlt werden.

Der Senat und die Berliner Wasserbetriebe sehen der Strafanzeige und der Klage gelassen entgegen. Der VDGN hat uns in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Klagen überzogen", so BWB-Sprecher Stephan Natz. „Zum Kostendeckungsgebot gehört, einen angemessenen Gewinn zu erzielen. Die Praxis unserer Kostenberechnung erfolgt gesetzeskonform und dient der Finanzierung der Kommunen, das ist legitim“. Die Kalkulationen sind alle korrekt und von Dutzenden Gerichten in der Vergangenheit überprüft worden. „Gegen uns wurden nun schon rund 70 Verfahren geführt, jedes Mal wurde uns recht gegeben“.

Im September 2015 hat der Verband Deutscher Grundstücksnutzer zuletzt eine Klage gegen den BWB vor dem Landgericht Berlin eingereicht. In der Klage fordern der VDGN eine Rückzahlung von Entgelten für die Entsorgung des Abwassers aus den Jahren 2012, 2013 und 2014. Der Verband macht die Ansprüche von 79 Berlinerinnen und Berlinern geltend, die ihre Ansprüche an den VDGN abgetreten haben. Es handelt sich insgesamt um eine geforderte Rückzahlung von 11.247 Euro. Die Höhe der Summe ist entscheidend, denn im Falle einer Niederlage sind Berufungsverfahren bis zum Bundesgerichtshof möglich. Für den VDGN ist diese Klage eine erste Klärung der Preisbildung des Berliner Abwassers. Diese Klage ist ein Novum. Bisher wurde noch keine Rückzahlungsforderung im Namen der Berliner Verbraucher in organisierter Form beim Abwasser beklagt.

Die BWB musste 2012 bereits wegen einer Verfügung des Bundeskartellamts die Trinkwasserpreise senken. Die Berliner Wasserbetriebe haben für die Summe 2013 eine Gutschrift von 13,8 Prozent gegeben und den Trinkwasserpreis für 2014 um 14 Prozent gesenkt. Die Preise für das Abwasser sanken ab 2015 lediglich um 6,1 Prozent, was nach Auffassung des VDGN nicht ausreichend ist. „Beim Abwasser geht noch mehr“, betont Ohm. „Gerade beim Schmutzwasser werden die Berliner mit unnötig hohen Beträgen zur Kasse gebeten. Ein Vier-Personen-Haushalt zahlt in Berlin etwa 483 Euro im Jahr für Abwasser. In München sind es nach Angaben des VDGN lediglich 312 Euro. Der Berliner Mieterverein sieht das genauso. „Ergeben die Ermittlungen, dass tatsächlich zu hohe Preise verlangt werden, können Mieter mit weiteren Rückzahlungen rechnen“, sagt Geschäftsführer Reiner Wild (61).

In seiner Klage will der VDGN eine Rückzahlung von 20 Prozent für 2012 bis 2014. Für den VDGN verstößt Berlin gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1991. Demnach dürfen Kommunen öffentliche Daseinsvorsorge zwar privatrechtlich ausgestalten, doch es dürfen keine Entgelte erhoben werden, die bei einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung nicht erhoben werden. Es gilt das Kostendeckungsprinzip. Auch für einen privatrechtlich ausgestalteten Betrieb der Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge erfüllt. Das Land Berlin halte aber die BWB und andere Landesbetriebe dazu an, ihre Preisgestaltung so anzusetzen, dass für das Land ein hoher Gewinn abfällt, heißt es in der Klageschrift.

„Das gilt nicht nur für das Abwasser. So ist es vollkommen unverständlich, dass auch die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) 2014 einen Gewinn von 12,7 Millionen Euro erzielt haben und auf der Grundlage eines neuen Unternehmensvertrages mit dem Senat trotzdem jetzt die Möglichkeit erhalten sollen, künftig die Abfallgebühren für die Hausbesitzer und Mieter jährlich um bis zu 1,9 Prozent zu erhöhen. Es muss endlich Schluss sein damit, dass hohe Gewinne zu Lasten der Kunden erzielt werden und damit faktisch eine verdeckte Steuer erhoben wird, die dem Landeshaushalt zufließt“, sagt Ohm.

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