Antiobiotika-Pute zum Weihnachtsfest

In Nordrhein-Westfalen werden 92 Prozent der Puten mit Antibiotika behandelt. So wird das Weihnachtsessen zu einer unfreiwilligen Medikamenten-Therapie. Der BUND fordert die Bundesregierung etwas gegen diesen Antibiotika-Missbrauch in den Puten-Hochleistungszuchtbetrieben zu unternehmen. Es sind mehr Kontrollen und das Vermeiden von illegalen Antibiotikaverabreichungen nötig.

Gans, Pute oder Ente sind klassische Geflügel zu einem Weihnachtsessen. Die Verbraucher sollten jedoch bei Puten aus Nordrhein-Westfalen zweimal darüber nachdenken. Nach Untersuchungen des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz werden 92 Prozent der Puten mit Antibiotika behandelt. Über 20 Prozent der Medikamente waren aus der Gruppe der Reserveantibiotika. Selbst Antibiotika ohne Zulassung für Puten wurden den Tieren verabreicht. Nach Ansichten des BUND ist die Praxis in NRW kein Einzelfall, vielmehr ist davon auszugehen, dass dies bundesweit gängige Praxis ist. Bund und Länder müssten endlich einschreiten und strengere Vorgaben beim Tierschutz und beim Arzneimittelrecht für die Massentierhaltung durchsetzen.

Die zunehmenden Resistenzen gegen Antibiotika sind längst zu einem globalen Thema geworden (Worldtimes-Online berichtete). Im schlimmsten Fall führen die zunehmenden Resistenzen für den Menschen zu einer tödlichen Gefahr sagt BUND-Expertin Reinhild Benning, denn Reserveantibiotika sind oftmals das einzige Mittel bei lebensgefährlichen Erkrankungen. „Ein Schludern kann Menschenleben kosten. Wer jetzt noch mit verbindlichen Regeln für mehr Tierschutz und für weniger Medizin im Stall wartet, bis die Antibiotika-Datenbank mit all ihren Webfehlern irgendwann erste grobe Ergebnisse liefert, ist mitverantwortlich dafür, dass Antibiotika auch in der Humanmedizin an Wirkung verlieren“, warnte Benning und kritisiert den bisherigen Umgang mit dem Thema Antibiotika in der Massentierhaltung als „viel zu lasch“. Immerhin werden etwa zwei Drittel aller Antibiotika in der Massentierhaltung eingesetzt.

Mit den massiven Antibiotika Abgaben machen es sich die Zuchtbetriebe einfach. Die gestressten und anfälligen Tiere werden bis zum Schlachthof am Leben gehalten. Allerdings erhöht sich das Risiko das sich resistente Bakterien bilden. Durch das enge Zusammenstehen der Tiere in der Massentierhaltung übertragen sich zudem Keime extrem schnell. Die resistenten Bakterien MRSA und ESBL haben in den letzten Monaten und Jahre gezeigt worin das Gefahrenpotenzial liegt. Nach Untersuchungen des BUND an Hühnern im Jahre 2012 wurden in der Hälfte des Geflügels diese Bakterien nachgewiesen.

Die Gefahr für die Verbraucher ist groß. Bei unsauberer Verarbeitung in den Schlacht- und Zerlegebetrieben können die Bakterien bis zum Endprodukt überleben und erreichen so den Verbraucher. Selbst Vegetarier und Veganer sind betroffen, denn es wurden resistente Bakterien auf Gemüse gefunden, die von der Abluft der Ställe in die Umwelt getragen werden. Ein weiterer Weg ist die Gülle die auf die Felder ausgetragen wird. So können die Bakterien sogar in nahes Oberflächengewässer gelangen.

Die Puten in Nordrhein-Westfalen bekamen an bis zu 77 von 100 Masttagen sowie im Schnitt an 23 Tagen teils mehrere Antibiotikawirkstoffe gleichzeitig. Trotzdem starben etwa 10 Prozent der Tiere vorzeitig und nicht im Schlachthof. Die häufigen Krankheiten der Tiere sind auf die katastrophalen Zuchtbedingungen zurückzuführen. „Die Untersuchung offenbart die täglichen Katastrophen im krankmachenden System der Massentierhaltung. Wenn 70 Prozent der Tiere an Verdauungsstö­rungen leiden, ist das Futter ungesund. Wenn ein Fünftel der Tiere Atembeschwerden hat, ist die Luft in der deutschen Putenhaltung nicht artgerecht. Und wenn es insgesamt mehr als neun von zehn Puten so schlecht geht, dass sie Antibiotika benötigen, müssen Gesetze dafür sorgen, dass solche Tiere erst gar nicht gezüchtet werden", sagte Benning. Das Problem mit Antibiotika zu bekämpfen ist der denkbar schlechteste Weg.

Dass es so weit gekommen ist liegt am Gesetzgeber. Es gibt keine gesetzlichen Tierschutzregeln für die Putenhaltung, lediglich bundeseinheitliche Vereinbarungen der Putenfleischwirtschaft. Demnach dürfen sechs Puten auf einem Quadratmeter gehalten werden, was bei der Größe des Geflügels schon sehr wenig ist. „Selbst diese lasche Obergrenze wird, wie die NRW-Studie gezeigt hat, in einem Fünftel der Fälle noch überschritten. Das muss sofort geändert werden, um einen wirksamen Tierschutz zu etablieren“, so Benning. In Dänemark und den Niederlanden ist Reserveantibiotika in der Massentierhaltung verboten. Auch das sollte für die gesamte Massentierhaltung in der Bundesrepublik gelten. Die Politik ist gefordert.

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