Ein Hauch von Kapitalismus in Nordkorea

Es klingt beinahe wie ein Märchen. In Nordkorea gibt es Flaschenwasser zu kaufen. Der despotische Diktator und selbsternannte Gott Kim Jong-un verteufelt jede Art von Kapitalismus und alles wofür die USA steht. Die Leidtragenden sind das Volk, die hungern müssen und von dem Regime unterdrückt werden. Doch mit dem Verkauf von Flaschenwasser entzündet sich ein kleiner Funke der Hoffnung vom Kapitalismus.

Das Leben der meisten Bürger im kommunistischen Nordkorea ist ein unvorstellbares Leid. Es gab immer wieder Berichte über das Elend der Menschen, die Menschrechtsverletzungen und die weit verbreitete Armut. Letztes Jahr veröffentlichte die Uno-Menschenrechtskommission einen Bericht über die Zustände in Nordkorea. Auf dem mehreren hundert Seiten langen Bericht wurden die Gräueltaten des Regimes so detailliert wie nie zuvor beschrieben. Die Menschenrechtler konnten sich natürlich nicht selbst ein Bild vor Ort machen. Sie befragten über ein Jahr lang mehr als 80 Flüchtlinge und Exilanten über ihre Erlebnisse in Seoul, Tokio, London und Washington.

Das Terror-Regime in Pjöngjang lässt sein Volk lieber hungern, bevor es auf Rüstungsgelder verzichtet. So droht Nordkorea damit ihre „nuklearen Abschreckungskräfte“ weiter zu erhöhen, sollte die USA ihr Raketenabwehrsystem THAAD aufstellen. Das Terror- Regime in Pjöngjang hat für die Marine zuletzt zwei neue Fregatten in Dienst gestellt, neue Kriegsschiffe zur U-Boot-Bekämpfung. Die Tests von Trägerraketen für Atomwaffen werden ebenfalls weiter forciert und es wird noch weiter aufgerüstet werden. „Wir werden keine passiven Beobachter der Umsetzung der genannten Szenarien (Aufstellung des Raketenabwehr-Systems) der USA und ihrer Verbündeten bleiben. Wir werden mit einer Aufstockung der nuklearen Abschreckung eine entschiedene Antwort geben“, lässt das National Peace Committee of Korea verlauten.

Das Regime kümmert das Leid des eigenen Volkes wenig, geht es darum Stärke nach außen zu demonstrieren. „Die Bewohner Nordkoreas haben gänzlich andere Sorgen: genug zu essen zu bekommen, ist das größte Problem. Sie kämpfen täglich um Nahrungsmittel und auch darum, ihr Zuhause für Frostperioden sicher zu machen“, erklärt Gerhard Uhrmacher, zuständiger Manager für Nordkorea von der Welthungerhilfe. „Die Menschen essen Gras und kleine Nagetiere, während das Regime die viertgrößte Armee der Welt unterhält und moderne MiG-Jagdflugzeuge kauft. 80.000 bis 120.000 Menschen sitzen in Lagern für politische Häftlinge, Millionen Menschen leiden. Der Hunger ist unvorstellbar“, sagt auch Donald Kirby, UN-Mitarbeiter für den Bereich Nordkorea. Nur China zeigt Fotos von einem „anderen Korea“. Sie zeigen Nordkoreaner beim Grillen im Park, beim Bogenschießen und gar in einem Biergarten, der allerdings in einem Innenraum ist.

In wieweit dies Propaganda vom großen kommunistischen Bruder ist, sei mal dahingestellt. Doch scheinbar kommt der Kapitalismus dennoch in kleinen Schritten nach Nordkorea. Außerhalb von Pjöngjang gibt es ein Pizzarestaurant, genau wie in Suncheon und der Süd-Pyongan Provinz. Seit neuestem gibt es Taxi-Dienste und Nachhilfestunden für die Kinder werden populärer. Eine Bürgerin der Süd-Pyongan Provinz erklärte gegenüber der Daily NK: „Noch vor ein paar Jahren hätten die Leute hier [in Nordkorea] gesagt, dass man in einem kapitalistischen Staat sein eigenes Wasser kaufen muss. Aber das ist jetzt selbst in Nordkorea Realität geworden und wenn es eine Nachfrage gibt, dann folgt selbstverständlich auch ein größeres Angebot.“

„Es gibt auch einen neuen Markt für Quellwasser. Männer die nicht genug Geld haben um ein Geschäft zu öffnen, verkaufen Quellwasser um für ein Anfangskapital für die Zukunft zu sparen“, sagt die Nordkoreanerin. Das Trinkwasser aus dem Hahn kann als solches wegen der mangelhaften Infrastruktur und Filterung gar nicht als solches bezeichnet werden. Die Parteimitglieder und die Donju (neureiche Mittelklasse) kaufen ihr Trinkwasser in Flaschen, während das gemeine Volk aus Flüssen und Brunnen trinken muss.

Der Norden produziert sein eigenes Trinkwasser. Das Wasser namens „Sindeok Saemmul“ wurde jedoch von der Chosun Neungando Trade Company monopolisiert. Die produzierten Flaschen werden in andere südostasiatische Länder exportiert und sind nicht im Binnenhandel erhältlich. Die Mitarbeiter des Unternehmens und die Donju trinken Flaschenwasser aus China, welches von wesentlich schlechterer Qualität ist. Die Nachfrage nach heimischem Flaschenwasser steigt.

„Die Schlauen haben schon längst herausgefunden, dass man mit Trinkwasser Geld machen kann und verkaufen es jetzt. Die Kaufleute werben damit, dass ihr Wasser tief aus den Bergen kommt, unvergleichbar mit dem aus China sei und medizinische Eigenschaften haben soll“, so die Nordkoreanerin. Seit der Herrschaft von Japan wurde dem Wasser in Chonsongri, Eunsa und Süd-Pyongan eine medizinische Wirkung nachgesagt. Es ist als „kaiserliches Mineralwasser“ bekannt, da es damals ausschließlich der Japanische Kaiser trinken durfte. Gerade wegen dieser Legende geht die Nachfrage nach Flaschenwasser aus China zurück und die Nachfrage nach Chonsong-Trinkwasser steigt.

Es werden dafür sogar Wartezeiten von zehn Stunden in Kauf genommen, um an das Wasser ranzukommen. „Es sind knapp 40 Km von Chonsong bis zum Markt in Pyongsong und 20 Km bis zum Markt in Sunchoen. Die Kaufleute für Wasser sind üblicherweise Männer, die bis zu 40 Km am Tag reisen und 100 bis 150 kg Wasser transportieren. Es wird vermutet, dass der Markt dafür noch wachsen wird, weil die Leute, die das Wasser aus Chonsong getrunken haben, aufhören das Wasser aus China zu trinken“, so die Nordkoreanerin. Der Preis spielt neben der besseren Qualität auch eine Rolle. Eine 0,5 Liter Flasche China-Wasser kostet etwa 1.000 KPW. Ein Liter einheimisches Wasser kostet gerade mal 600 KPW.

Die Befürchtung ist groß, dass mit dem wachsenden Markt und der sich entwickelnden Industrie wieder der Staat und die einflussreichen Firmen die Kontrolle übernehmen. Dann wäre dieses zarte Pflänzchen des Kapitalismus wieder niedergemäht worden. Es bleibt nur zu hoffen, dass die von der Außenwelt isolierten Nordkoreaner ein wenig Luft von Selbstbestimmtheit gerochen haben und aufhören den Despoten Kim Jong-un als einen Gott zu verehren. Erst wenn das Volk Druck auf die Regierung macht und nicht alles was die Regierung befiehlt demütig hingenommen wird, wird sich was verändern. Die Angst des Volkes ist zu verstehen, da Kim Jong-un und sein Regime mit Brutalität und Terror herrschen.

Dennoch zeigt sich, dass die Bürger Nordkoreas anfangen selbst nach Lösungen aus dem Elend zu suchen, die Kräfte der Märkte von Angebot und Nachfrage zu verstehen und sich ein selbstständiges Einkommen zu sichern. Nur so könnte es zu einem Umbruch kommen, der Hunger besiegt werden und der Wohlstand einziehen. Die Bürger der ehemaligen DDR haben aufbegehrt und sich ihre Freiheit friedlich erkämpft. In Nordkorea scheint dies unmöglich, doch die Geschichte ist voller Überraschungen. Es wäre Symbolkräftig wenn Wasser, der Stoff des Lebens schlechthin, auch in Nordkorea der Beginn nach mehr Freiheit des Volkes werden würde. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.