Frankreich verbietet BPA, Plastiktüten und Einweggeschirr

Als erstes Europäisches Land verbietet Frankreich ab 2015 Weichmacher in Lebensmittelverpackungen. Besonders Bisphenol A steht in der Kritik hormonverändernd und krebserregend zu sein. Dennoch wird BPA tonnenweise eingesetzt und ist so gut wie in jedem Plastik zu finden. Mit dem Verbot will Frankreich einem traurigen Rekord entgegenwirken. 

Endokrine Disruptoren sind Weichmacher wie Phthalate oder Bisphenol A und kommen so ziemlich in jedem Plastik zum Einsatz, um es geschmeidiger und weicher zu machen. Besonders Bisphenol A ist in Lebensmittelverpackungen und Folien, die in Kontakt mit den Lebensmitteln kommen, zu finden. Sie sind in Plastikflaschen, Kunststoffverpackungen für Fleisch, Käse, Wurstwaren, Salate, Gemüse oder in Konservendosen. Über die gesundheitlichen Gefahren von Bisphenol A gibt es keine Zweifel. Es wirkt hormonverändernd, reduziert die Beweglichkeit der Spermien, vermindert die Lernfähigkeit, verursacht Fettleibigkeit und steht stark im Verdacht krebserregend zu sein.

Bisher wurde immer behauptet die tägliche Dosis von Endokrine Disruptoren die wir einnehmen sei zu vernachlässigen. Auch die Industrie ist nicht müde zu betonen, dass die Massenchemikalie Bisphenol A ungefährlich sei. „Die Verwendung von Kunststoffen in den zahlreichen Anwendungen ist geprüft und sicher“, sagt Rüdiger Baunemann, Hauptgeschäftsführer bei PlasticsEurope Deutschland. Schließlich werden die gesetzlichen Vorgaben des europäischen Stoffrechts (REACH) überwacht und die Grenzwerte von 0,05 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit angeblich eingehalten. Allerdings hat erst kürzlich eine Studie ergeben, dass Bisphenol A bereits in großen Mengen über die Mundschleimhaut aufgenommen wird und die bisherigen Annahmen falsch sind, es würde nur zu geringen Teilen über die Verdauung aufgenommen, schnell abgebaut und ausgeschieden.

Fakt ist, dass jeder Mensch ständig Bisphenol A im Blut hat wie zahlreiche Untersuchungen zeigten. Wir nehmen folglich durch die weite Verbreitung viel mehr auf als der Körper abbauen kann. Zudem wird Bisphenol A auch eine Niedrigdosiswirkung zugeschrieben. „Hormonell wirksame Stoffe können bereits in extrem niedrigen Konzentrationen wirken, die aktuelle Gesetzgebung schützt die Menschen nicht. Der Großteil der Studien unabhängiger Wissenschaftler zeigt schädigende Effekte“, sagt Sahra Häuser, Expertin für Chemikalienpolitik und Nanotechnologie beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Neben Bisphenol A „kommt der Einfluss von Phthalaten – Weichmacher, die in PVC-Böden enthalten sind und ebenfalls hormonell wirken“ dazu und „am Ende des Tages nehmen wir einen Cocktail an Stoffen auf, deren Grenzwert geschweige denn deren Wechselwirkungen wir gar nicht mehr einschätzen können“. Institutsdirektor Prof. Dr. med. Dieter Swandulla vom Universitätsklinikum Bonn sieht noch eine weitere Gefahr. „Es besteht aufgrund seiner Fettlöslichkeit die Gefahr, dass BPA sich in unterschiedlichen Körpergeweben einlagern kann und dort hohe Konzentrationen erreicht“, so der Professor. Diese Auswirkungen sind noch gar nicht richtig erforscht, genauso wenig wie viele andere Stoffe die im Plastik enthalten sind. „Im Plastik einer Wasserflasche sind über 2000 Inhaltsstoffe enthalten. Jeder Hersteller hat Geheimrezepturen, die er nicht offenlegen muss. Bewertungen als Gefahrenstoff gibt es vielleicht nur für zirka 20 Prozent dieser Substanzen“, erklärt Swandulla.

Auch wenn sich eine „starke Industrielobby“ gegen ein Verbot der Massenchemikalie Bisphenol A ausspricht, gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer. Aktuell arbeitet die EFSA an einer neuen Risikobewertung von Bisphenol A. Es wird über neue Regelungen über den Umgang und sogar über ein Verbot nachgedacht. Ein Verbot wäre für die Plastik-Industrie ein Fiasko, weshalb sich 18 Wissenschaftler in einem Editorial in einer Fachzeitschrift kritisch zu den Plänen der EU geäußert haben. Das angebliche Gefahrenpotenzial sei „wissenschaftlich nicht zu begründen“. Einen faden Beigeschmack haben die Aussagen, da 17 der 18 Wissenschaftler mit der Pharma- und Chemieindustrie, mit Biotechnologiefirmen oder Herstellern von Tabak, Pestiziden und Kosmetika zusammengearbeitet haben.

Während Europa noch nachdenkt, hat Frankreich gehandelt und verbietet ab 2015 Weichmacher für Lebensmittelverpackungen. Damit will das Land unter anderem einem traurigen Weltrekord entgegenwirken. Sie sind weltweiter Spitzenreiter bei den hormonabhängigen Krebsarten wie Brust- oder Prostatakrebs, wie die Erhebung des renommierten Internationalen Forschungszentrum gegen Krebs darlegt. Mit hormonverändernden Chemikalien befasst sich auch die Nichtregierungsorganisation HEAL, ein Zusammenschluss von 65 Vereinen und Organisationen. Nach einer Schätzung von HEAL belasten Chemikalien wie Bisphenol A das Gesundheitssystem in Frankreich mit bis zu vier Milliarden Euro und auf europäischer Ebene mit etwa 31 Milliarden Euro. Der Spitzenreiter laut HEAL bei den Kosten für das Gesundheitssystem ist diesmal Deutschland mit rund fünf Milliarden Euro.

Das die Krebserkrankungen auch mit Bisphenol A zusammenhängen, wie zahlreiche Studien hinwiesen, glaubt auch Frankreichs Gesundheitsministerin Marisol Touraine, weshalb das Vorsorgeprinzip gelte und das Verbot ab 2015 die einzig logische Konsequenz ist. Toxikologe und Präsident der Nichtregierungsorganisation Netzwerk Umwelt und Gesundheit, André Cicolella, schließt sich der Meinung an. „Im nationalen Krebsbekämpfungsplan dreht sich alles um die Behandlung der Patienten. Als Risikofaktoren werden nur Tabak und Alkohol in Betracht gezogen. Die Frage, welchen Einfluss Endokrine Disruptoren bei der Entstehung von Krebserkrankungen haben, wird links liegengelassen“, so der Toxikologe. Während im nationalen Krebsbekämpfungsplan 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, kann der vierjährige nationale Forschungsplan zu Endokrinen Disruptoren gerade mal über fünf Millionen Euro verfügen.

Es wird auch von Seiten der Lebensmittelsicherheit mehr Forschung gefordert. „Das Thema ist bei uns sehr angesagt. Seit mehreren Jahren erstellen wir Expertisen und unterstützen Forschungsarbeiten im Bereich Umwelt und Arbeitsplatz. Wir wollen die Zusammenhänge besser verstehen, die es zwischen hormonähnlich wirkenden chemischen Substanzen und der Krebsentstehung geben kann“, so Jean-Nicolas Ormsby, stellvertretender Direktor der Abteilung Risikoforschung bei der ANSES, Frankreichs Behörde für Lebensmittelsicherheit. Umweltministerin Ségolène Royal will den französischen Vorstoß auch auf EU Ebene forcieren, genau wie der Abgeordnete Jean-Louis Roumegas von der Gruppe Gesundheit und Umwelt in der Nationalversammlung. „Die Europäische Kommission hatte schon Ende 2013 eine Strategie zum Umgang mit Endokrinen Disruptoren vorlegen wollen, aber sie wurde von Lobbygruppen ausgebremst. Derzeit läuft eine öffentliche Konsultation, bis Ende 2015 haben wir dann hoffentlich eine europäische Strategie. Uns geht es darum, dass sie auch so anspruchsvoll ist wie die unsere“, sagt Roumegas.

Frankreich hat mit dem Verbot von Bisphenol A bei Lebensmittelpackungen ein erstes Zeichen gegen den Plastikwahn der heutigen Zeit eingeläutet. Ab 2016 verbietet Frankreich zudem Einwegplastiktüten in Supermärkten und Einzelhandelsgeschäften. In Frankreich sind das nach Auffassung der Regierung fünf Milliarden Tüten an der Kasse und 12 Milliarden Tüten für Obst und Gemüse die weniger die Umwelt belasten. Die EU will bis 2019 gerade mal eine Reduzierung von Plastiktüten durchsetzen. In einem letzten Schritt wird es in Frankreich ab 2020 kein Einweg Plastikgeschirr mehr geben. Dies wurde im Rahmen des Gesetzesentwurfs zur Energiewende beschlossen. Es gilt die Abfälle zu verringern, die „aus der verbrauchten Energie für die Produktion der Gegenstände und aus der dadurch verursachten Umweltverschmutzung, bei ihren Absonderungen in der Natur“ anfallen. Wir gratulieren Frankreich zu diesen Entscheidungen und fordern die EU auf, sich Frankreich als Vorbild zu nehmen. Macht es wie die Franzosen – ein kompromissloses Verbot für gesundheitsschädliche Endokrinen Disruptoren wie Bisphenol A. Die einzig logische Konsequenz.

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