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Unkontrollierter Gülle-Tourismus gefährdet Trinkwasser

NewsUnkontrollierter Gülle-Tourismus gefährdet Trinkwasser

Wohin mit dem Mist? Das Gülleproblem in Deutschland wird zunehmend problematischer. Die Nitratbelastung deutscher Böden und des Wassers steigt weiter an. Mitverantwortlich ist auch der Gülletourismus bei dem Gülle durch Europa transportiert wird und Gülle aus dem Ausland in Deutschland auf den Äckern landet.

Gülle ist ein natürlicher und damit perfekter Dünger für Landwirte. Aber wie so oft, macht die Menge das Gift. Auf deutschen Äckern wird einfach zu viel Gülle ausgebracht. Dadurch steigen die Nitratwerte in Böden, Grundwasser und auch im Trinkwasser zunehmend. In einigen Regionen Deutschlands wachsen die Tiermastbetriebe. In der Folge fallen mehr Ausscheidungen von Huhn, Schwein und Rind an und werden zu einem Umweltproblem. Der Tierbestand wächst doch die Ackerflächen können nicht in diesem Ausmaß mitwachsen. Also wo hin mit dem ganzen Mist? Die Landwirte wollen ihre überflüssige Gülle loswerden und werden Lastwagen mit tonnenweise Gülle durch Europa gekarrt.

Die Folgen von überschüssiger Gülle sind vielfältig und wirken sich auf Umwelt und Gesundheit aus. Trinkwasser muss wegen des hohen Nitratgehaltes des Grundwassers entweder aufbereitet oder mit Wasser aus anderen Quellen verdünnt werden. Das schraubt die Kosten für Trinkwasser nach oben. Davon abgesehen, dass sich an vielen Orten die Nitratwerte nicht weit von den Grenzwerten befinden. Für die Wasserbetriebe wird das Nitrat-Problem immer drängender.

Nicht nur das Land, auch die Meere spüren die Folgen der großen Güllemengen die anfallen. In Nord- und Ostsee wachsen immer mehr Algen, die sich von Nitrat ernähren und höheren Wasserpflanzen das Licht wegnehmen. Es entstehen sauerstoffarme Zonen und machen das Überleben für maritime Lebewesen schwer.

Die EU-Kommission fordert seit Jahren Maßnahmen gegen die hohe Nitratbelastung einzuleiten. Doch die geplante Düngerechtsnovelle ist eine „never ending story“. Seit zwei Jahren arbeitet die Bundesregierung daran und noch immer ist unklar wann die Reform kommen wird. Das Landwirtschaftsministerium erklärt, dass es sich hier um einen Spagat zwischen zwei Interessengruppen handelt und mit der Novelle gilt es „einen angemessenen Ausgleich zwischen Umweltinteressen einerseits und praktikablen Lösungen für die Landwirtschaft andererseits zu schaffen“.

Ende 2015 wurde der EU-Kommission vom Ministerium ein Gesetzesentwurf vorgelegt. Im August antwortete die EU-Kommission mit einigen Anmerkungen zu einzelnen Punkten des Entwurfes. Diese werden aktuell geprüft. Wie nah eine mögliche Endfassung der Novelle ist und wie wirksam sie gegen das Nitratproblem sein könnte steht noch in den Sternen.

Umweltverbände kritisieren die zähe Umsetzung der Novelle. Es wird nicht der Brisanz entsprechend gehandelt. „Nitrat im Grundwasser ist eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit“, sagt Katrin Wenz, Agrarpolitik-Expertin vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz). Der BUND fordert auch klare Maßnahmen wie eine Absenkung der Obergrenze (aktuell 170 Kilogramm) für Stickstoff aus Düngemitteln von jährlich 130 Kilogramm pro Hektar. Insbesondere für Regionen mit bereits erhöhten Nitratwerten im Grundwasser.

Landwirte die mehr Dünger ausbringen sollen mit Bußgeldern geahndet werden. Weitere Forderungen sind einen Mindestabstand beim Ausbringen von Gülle von fünf Metern zu Gewässern. Der wichtigste Punkt ist aber eine zentrale Transportdatenbank, die genau erfasst wer, wieviel Gülle wohin transportiert. Bisher weiß niemand genau wie viel Gülle aus dem Ausland nach Deutschland transportiert wird. „Das ist Ländersache, es gibt keine bundesweite Statistik“, erklärt eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums.

In Nordrhein-Westfalen ist für die Einfuhr von unbehandelten Ausscheidungen von Geflügel eine Genehmigung einzuholen. Diese ist aber für „verarbeitete Gülle von Klauen- und Pelztieren“ nicht nötig. In Niedersachsen hat Landwirtschaftsminister Christian Meyer die Gülle-Importe durch einen Erlass im März etwas erschwert. Dennoch bleibt es dabei: Jedes Bundesland regelt das für sich und entsprechend zwingend oder eben nicht ist die Erfassung der Gülleimporte.

Der BUND schätzt. Dass etwa 60.000 LKW-Ladungen Gülle aus den Niederlanden nach Deutschland importiert wurden. In den Niederlanden sind die Düngerhöchstgrenzen wesentlich strenger als in Deutschland, weswegen die Holländer ihre Gülle gerne in Deutschland loswerden. Wo die Gülle am Ende verbleibt weiß keiner genau zu sagen, da es keine bundesweite Aufzeichnungspflicht gibt. Das Statistische Bundesamt sammelt nur Daten über Dünger im Allgemeinen. Weder Gülle noch andere Düngemittel werden da separat aufgelistet. Vielmehr ist es die Zusammenfassung aller Düngemittel die importiert werden, seien sie tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, untereinander gemischt oder chemisch behandelt.

Für Umweltschützer ist der Gülletourismus eine klare Folge der Billig-Fleischproduktion. Der harte Preiskampf auf dem Fleischmarkt treibt viele Mastbetriebe dazu an immer größere Ställe zu bauen. Ein Teufelskreislauf entsteht. Steigende Viehzahlen führen zu steigendem Futtermittelimport und zu immer größeren Mengen an Gülle. Bärbel Höhn, Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages, hat da einen ganz pragmatischen Lösungsansatz. Gülle-Überschüsse sollten einfach als Abfall behandelt werden. Abfall kann nämlich nicht einfach so in die Umwelt gekippt werden, sondern muss entsprechend behandelt und entsorgt werden.

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