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Über 60.000 verfrühte Todesfälle jährlich durch Schiffsabgase

NewsÜber 60.000 verfrühte Todesfälle jährlich durch Schiffsabgase

Seit Jahren gibt es immer schärfere Richtlinien für Fahrzeughalter. Rußpartikel Filter, neue Abgasrichtlinien oder Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge. Doch einer der größten Klimasünder, die Schifffahrt, darf weiterhin die Luft verschmutzen und außer „Green Washing“ sowie leere Versprechungen umweltfreundlicher zu agieren, bleibt alles wie gehabt. Das jährlich bis zu 60.000 Menschen wegen der Luftverschmutzung durch die Schifffahrt verfrüht sterben, scheint die Reedereien nicht wirklich zu interessieren.

Ach wie schön wäre es denn an einer Kreuzfahrt teilzunehmen? Wochen lang auf hoher See, Freizeitaktivitäten aller erdenklichen Art, Sport, Animationsprogramme, Bühnenshows, Wellness, Verköstigungen in Spitzenqualität und den ganzen Tag am Pool liegen und sich all-inclusive verwöhnen lassen. Dabei noch die Welt sehen und alle paar Tage einen anderen interessanten Ort dieser Welt erkunden.

Doch was die meisten Passagiere einer Kreuzfahrt nicht wissen ist, dass die Ozeanriesen extreme Luftverschmutzer sind und hohe Mengen toxischer Abgase in die Luft entlassen.Die Werte sind weit entfernt von dem was noch als verträglich anzusehen wäre. Somit sind die Passagiere gefangen auf einer Abgasschleuder. Bei den Verbrennungsvorgängen von Schiffen werden Stickoxide produziert, welche mitverantwortlich sind für die Bildung von bodennahem Ozon und saurem Regen.

Die Ironie an dem ganzen ist, dass es sich nicht um neuste Erkenntnisse handelt, sondern das dies den Betreibern und der Politik seit Jahrzehnten bekannt ist. Studien, welche der Branche schmutzige Zeugnisse ausstellen, gibt es mehr als genug. Dennoch steigen Jahr für Jahr die Emissionen, da der Personen- und Warenverkehr immer weiter zulegt. Da Schweröl und Dieselkraftstoff nach wie vor die preisgünstigsten Antriebsmittel sind, nutzen die Betreiber diese auch um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das sich daran auch so schnell nicht verändern wird, liegt wohl an der Tatsache, dass auf internationaler Ebene keine Abkommen existieren den Emissionsanstieg in der Schifffahrt zu bremsen oder gar zu reduzieren. Experten rechnen mit einer Zunahme von bis zu 50 Prozent bis 2020. Dann wäre der Emissionsausstoß der europäischen Schifffahrt vergleichbar mit allen stationären, mobilen und anderen an Land befindlichen Emissionsquellen zusammen.

Laut dem Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) verbrennt die Weltflotte von 90.000 Schiffen jährlich rund 370 Millionen Tonnen Treibstoff, was eine Emission von etwa 20 Millionen Tonnen Schwefeloxid entspricht. Allein die 15 größten Schiffe der Welt stoßen jedes Jahr so viele Schadstoffe wie 750 Millionen Autos aus. Die DK-Group Marine Industry Innovators aus den Niederlanden erklärt, dass der Schwefelausstoß der Schifffahrt „das 97-fache der kommerziellen Flugzeugflotte“ beträgt. Die am meisten Betroffenen sind Besatzungsmitglieder, Passagiere und Bewohner von Hafenstädten.

Laut Aussage des NABU ist die fortlaufende Verwendung von hochgiftigen Schweröl als Antriebsmittel, welches ein Abfallprodukt der Ölindustrie ist, der Grund sei, dass „ein einziger Ozeanriese auf einer Kreuzfahrt so viele Schadstoffe ausstoße wie fünf Millionen Pkw auf gleicher Strecke“. Wegen seiner extremen Umwelt- und Gesundheitsschädlichkeit ist Schweröl „an Land längst verboten“.

Schweröl enthält bis zu 2,5 Prozent unbrennbare Bestandteile. Vor der Verbrennung werden in der Regel zuerst das Wasser und dann die festen Bestandteile (fines, Sedimente aus Asphaltenen) entfernt. Der sogenannte Schlamm (engl. Sludge) wird in Tanks gesammelt. Zu hohe Sludge-Mengen sind eine Belastung für die Reinigungsanlagen. Die Kapazität der Reinigungsanlagen kann in gewissen Fällen zum Engpassfaktor werden und der Kapitän kann nicht die gewünschte Geschwindigkeit halten die er gerne möchte, was auch die Sicherheit des Schiffes auf See beeinträchtigen kann.

Früher war es gang und gebe, dasd die Inhalte der Sludge-Tanks auf offener See verklappt wurden. Heute können und müssen die Reeder diese gebührenpflichtig in Häfen entsorgen lassen. Dennoch werden heute immer noch hin und wieder Sludge-Klumpen an Strände gespült und verschmutzen ganze Strandabschnitte.

James Corbett, Professor für Meereskunde an der Universität von Delaware (USA) hat ermittelt, dass jährlich bis zu 60.000 vorzeitige Todesfälle auf Schiffsemissionen zurückzuführen sind. Schweröl enthält hohe Anteile an Schwermetallen, Schwefel, Asche und andere giftigen Bestandteile.

Der NABU hat 20 der bis 2016 für den europäischen Markt vom Stapel laufenden Kreuzfahrtschiffe und deren Auswirkung der Abgastechnik auf Gesundheit, Umwelt und Klima hin untersucht und kam zu dem erschreckenden Ergebnis: „Kaum ein Kreuzfahrtschiff, das in den kommenden Jahren in Europa unterwegs sein wird, ist aus Gesundheits- und Umweltsicht empfehlenswert.“

Der Untersuchung zufolge werden 17 der 20 Schiffe „über keinerlei Abgasreinigung verfügen. Und das, obwohl die Technik längst verfügbar und im Vergleich zu den Gesamtkosten der Schiffe erschwinglich ist.“ Dietmar Oeliger, NABU-Schiffsexperte erklärt: „Pro Schiff kostet ein wirksames Abgassystem maximal eine Millionen Euro – bei Gesamtinvestitionen von insgesamt 9,7 Milliarden Euro für alle Neubauten bis 2016 mache dies gerade einmal 0,2 Prozent aller Kosten aus.“

Besonders die Schiffe des Branchenführer Aida schnitten besonders schlecht ab. „Aida wird bis auf weiteres ohne jegliche Abgastechnik unterwegs sein. Seinen jährlich mehr als 600.000 Gästen pustet das Unternehmen damit weiter hochgradig giftige Abgase um die Nase“, so der Schiffsexperte vom Naturschutzbund.

Das Unternehmen wollte sich zu den Ergebnissen der Untersuchung nicht äußern „Wir bitten um Verständnis, dass wir zum NABU-Ranking derzeit kein Statement abgeben“. Experte für Luftreinhaltung und ehemaliger Mitarbeiter des Umweltbundesamtes Axel Friedrich sagte: „Aus gesundheitlichen Gründen ist zurzeit auf keinem einzigen Kreuzfahrtschiff Urlaub ratsam“.

„AIDA Cruises steht als Marktführer und wegen seiner Ankündigungen, mehr für die Umwelt tun zu wollen, unter verschärfter Beobachtung. Von konsequentem Umweltschutz kann beim Rostocker Unternehmen bis heute kaum die Rede sein. Ein Beispiel ist die AIDAprima als jüngster Flottenzugang. Sie wurde als umweltfreundlichstes Kreuzfahrtschiff beworben. Doch auch ein halbes Jahr nach der Taufe kommt das Herzstück des Schiffes, das Abgassystem, noch immer nicht zum Einsatz“, erklärt Oeliger.

Aus Zahlen der Studie geht hervor, dass „die Luftschadstoffbelastung, die von den untersuchten 20 Kreuzfahrtschiffen ausgeht […] damit insgesamt derjenigen von rund 120 Millionen modernen Pkw“ entspricht. Ein Kreuzfahrtschiff stößt täglich an die 7.500 Kilogramm Schwefeldioxide, 5.250 Kilogramm Stickoxide und 450 Kilogramm Rußpartikel in die Luft – Direkt über den Köpfen der Passagiere.

Die Cruise Lines International Association (CLIA) äußerte sich zu der Studie und erklärte, dass es aus technischen Gründen und aus Platzgründen nicht möglich wäre bei den meisten Schiffen Rußpartikelfilter zu installieren und das nicht genügend verfügbare Treibstoffkapazitäten vorhanden wären, um die gesamte Schifffahrt mit schwefelarmen Marine Diesel zu versorgen. Diese Aussage empfindet der Naturschutzbund als klare Ausrede. Axel Friedrich hält eine Umstellung auf sauberen Schiffsdiesel für „sofort möglich“.

Das auch andere Alternativen zur Reduzierung des Treibstoffgebrauchs vorhanden sind, zeigt die DK Group. Es gibt die Möglichkeit der Verringerung des Reibungswiderstandes des Rumpfes sowie Gaswäscher-Nachrüstungsprogramme, eine Verbesserung der Propeller-Effizienz. Ebenso Installationen von Doppelpropellern und die Rückgewinnung von Abgaswärme. „Die Technologien sind jetzt weithin verfügbar“, erklärt das Unternehmen.

Eine 2012 veröffentlichte Studie der amerikanische Meeres- und Atmosphärenbehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) zeigt, dass mittels Umstellung von Schweröl auf schwefelarmen Schiffsdiesel und einer geringeren Fahrtgeschwindigkeit (Slow steaming) sich die Emissionen erheblich verringern ließen. Das Messobjekt der Studie war ein Schiff der Margrethe Mærsk-Klasse. Die Messungen ergaben eine Reduktion von klimaschädlichen Rußpartikeln um mehr als 40 Prozent und eine Verbesserung von etwa 90 Prozent bei dem Ausstoß von Schwefeldioxid und Feinstaub.

Dabei versprechen Reeder seit Jahren umweltfreundlicher werden zu wollen. Doch außer umweltfreundlicher Parolen und Werbekampagnen kommt nicht wirklich was dabei heraus. „Das ist Green Washing in Reinform und angesichts der verursachten Schäden nicht hinnehmbar“, kritisierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Besonders zynisch ist die Tatsache, dass die Kreuzfahrtbetreiber jedes Jahr bereit sind enorm Summen für die Unterhaltung, Vergnügungen und gastronomischen Service der Passagiere auszugeben, aber in Puncto Umweltschutz sparen sie wo es nur geht. Da in der Regel die Schiffsmotoren auch die benötigte Energie erzeugen um die schwimmende Städte und Vergnügungszentren zu betreiben, ist jedes weitere Freizeitangebot ein weiterer Emissionserzeuger. Bei einem Schiff in der Größe wie die „Oasis of the Seas“ liegt der Gesamtenergiebedarf bei etwa 97.000 kW. Die Reeder sind sich der Problematik bewusst und zeigen sich auch recht einfallsreich um das eigene Image aufzupolieren anstatt was für den Umweltschutz zu tun.

Zum ersten Mal erhielt der NABU für das Kreuzfahrtranking die Daten vom Kreuzfahrt-Dachverband CLIA, anstatt von den einzelnen Betreibern selber. Der Verband gab wohl absichtlich falsche Daten an. Laut CLIA sind auf 23 Schiffen bereits Rußpartikelfiltern installiert und in Betrieb. Doch auf Nachfrage konnte der Verband nicht ein einziges Schiff benennen. Die Krone des ganzen setzt das Unternehmen Royal Carribean auf, mit der Behauptung, dass auf 12 Schiffen Rußpartikelfilter mit einer Reduktionsleistung von 95 Prozent in Betrieb seien. Tatsache ist, dass nicht ein einziges Schiffe des Unternehmens mit dieser Technik fährt.

Dabei ignoriert die Branche selbst erdrückende Studienergebnisse, wie etwa von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die klar Aussagen, dass die Emissionen von Schiffen krebserregend sind und die enorm herz- und lungenschädigenden Rußpartikel viele Hundert Kilometer weit ins Landesinnere geweht werden können. Klarer Beweis der Verweigerung der Betreiber zeigt sich in Puncto Landstrom, auch Cold Ironing genannt. Dabei handelt es sich um eine Landstromversorgung von Schiffen während des Aufenthalts im Hafen. Eine Alternative zur Reduktion der Luftverschmutzung durch Schiffsemissionen. Von den etwa 40 Schiffen, die in der Hansestadt Hamburg angelegt haben und in der Lage waren Landstrom zu nutzen, war es nur ein Schiff, die AIDAsol.

Malte Siegert, Leiter Umweltpolitik beim NABU Hamburg, erklärt „Der Hafen und die oft so gefeierten Kreuzfahrteinläufe sind ein massives Problem für Hamburg. 38 Prozent der Stickoxide und 19 Prozent des Feinstaubs in der Hansestadt stammen laut aktuellem Luftreinhalteplan aus der Belastung der Seeschifffahrt. Obwohl die Konzerne durch eine Ausflaggung in Billigstaaten wie Malta, Bahamas oder Liberia jährlich hunderte Millionen Euro an Steuern sparen, ist ihnen eine Landstrom-Nachrüstung ebenso zu teuer wie die höheren Kosten für Strom aus dem Netz. Den Preis dafür zahlen die Hamburger Bürger mit erheblichen Gesundheitsschäden“.

Experten machen sich auch sorgen um das Meer. Durch die Emissionen der Schifffahrt über den Meeren steigt die Gefahr der Versauerung der Meere. Bis 2100 wird die Versauerung um etwa 17 Prozent zunehmen. Ein Großteil der Ostsee ist bereits heute nahezu tot und bietet keinen Lebensraum mehr für viele Tierarten.

Da wir auf internationaler Ebene noch weit entfernt von einer Umweltfreundlichen Schifffahrt sind, sollte man meinen das Deutschland zumindest innerhalb des Landes als gutes Vorbild vorangeht. Doch weit gefehlt. Die Bundesregierung unterhält eine Flotte von knapp 50 Schiffen (Polizei, Marine, Forschung), welche in nationalen und internationalen Gewässern fahren. Zwar fahren diese mit vergleichsweise sauberem Treibstoff, aber verfügen über keine wirkungsvolle und umweltfreundliche Abgastechnik. Von 16 der in den letzten zehn Jahren georderten und in Dienst gestellten Bundesschiffen haben 15 weder einen Dieselrußpartikelfilter noch Stickoxid-Katalysatoren an Bord.

Eines der Prachtstücke deutscher Technik- und Ingenieurskunst ist das Forschungsschiff „Polarstern“. Es zählt zu den leistungsfähigsten Polarforschungsschiffen der Welt und kann in den 30 Jahren im Dienst auf mehr als 50 Expeditionen in hochsensible Gebiete der Arktis und Antarktis zurückblicken. Hauptaugenmerk der Expeditionen sind Klimaforschung und Klimaschutz. Da ist es nahezu grotesk, dass dieses Wunderwerk der Ingenieurskunst und Flaggschiff des Klimaschutzes ohne moderne Abgastechnik ausgestattet ist und klimaschädliche Abgase ausstößt. „Es ist unfassbar, dass die Bundesregierung Schiffe, die den Klimawandel untersuchen sollen, ohne Abgastechnik in die Arktis schickt. Damit trägt sie bewusst zum Klimawandel bei, anstatt ihn zu bekämpfen“, erklärt der Geschäftsführer des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) Olaf Bandt.

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