„Gelegentlicher Alkoholkonsum in kleinen Mengen soll gut für die Gesundheit sein.“ Dank den von der Alkoholindustrie finanzierten Studien sowie geschickter Vermarktung glauben bis heute viele Menschen fest an diesen Mythos. Neue Studien belegen, dass selbst geringe Mengen Alkohol das Krebsrisiko verschiedener Krebsarten erhöht. Auch das eine Glas Wein pro Tag bringt dem Herzen nichts Gutes.
Es sind bekannte Weisheiten, die jedoch eher ein Mythos sind. Geringe Mengen Alkohol schaden dem Körper nicht, die Dosis macht das Gift oder alles genießen, aber nur in Maßen, sind beliebte Grundsätze, die auf die vielen kleinen Sünden gerne angewendet werden. Vor allem sind für den Konsum oder Genuss von Alkohol werden diese Sprichwörter gerne genutzt. Diese Zeiten sind aber vorbei, denn mittlerweile ist es hinreichend bewiesen, dass Alkohol ein selbst in geringen Dosen wirkendes Zellgift ist. Jedes einzelne Glas erhöht das Risiko diverse Krankheiten zu erleiden. Daher wird heute aus medizinischer Sicht bestenfalls von einer risikoarmen und nicht von einer risikofreien Dosis gesprochen.
Einige wissenschaftliche Arbeiten zeigen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und erhöhtem Krebsrisiko diverser Krebsformen. Der Fachreport ‘Food, Nutrition, Physical Activity and the Prevention of Cancer‘ nennt in diesem Zusammenhang Krebserkrankungen im Mundraum, Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Leber, Magen sowie Brustkrebs bei Frauen. Die Wissenschaftler haben dafür keinen unteren Grenzwert ermittelt, bei dem der Alkoholkonsum unbedenklich wäre. Selbst geringste Mengen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung dieser Krebsformen.
Auf dem Weltkrebstag war die Botschaft eindeutig. Jedes Glas Alkohol steigert das Tumor-Risiko. Schon das berüchtigte eine Glas täglich (ca.10 Gramm), reiche aus um gewisse Krebserkrankungen, besonders in der Mundhöhle, Rachen und Speiseröhre, zu fördern. Ab vier Gläsern täglich wird es kritisch, denn hier wird die Tumorbildung im Bereich des Kehlkopfs, der Bauchspeicheldrüse und des Dick- und Enddarm begünstigt. Drei bis sechs Gläser steigert die Gefahr an Brustkrebs zu erkranken.
Selbst das Deutsche Krebsforschungszentrum (dkfz) warnt eindringlich, dass es keine unbedenkliche Menge an Alkohol gibt. Selbst der Konsum von geringen Mengen von Wein, Bier und Spirituosen wirkt sich auf das Krebsrisiko aus. Unter der Leitung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung hat 2011 eine Gruppe aus internationalen Forschern eine umfassende Berechnung vorgelegt. Das wissenschaftliche Team hat die Daten von über 360.000 Menschen aus acht Nationen ausgewertet und kam zu dem Ergebnis, dass Alkohol besonders schädlich ist, wenn er in größeren Mengen konsumiert wird.
Männer: Die Hochrechnungen der Wissenschaftler zufolge war Alkoholkonsum für 32 von 100 Krebserkrankungen des oberen Verdauungstraktes (Mundraum, Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre), des Darms und der Leber mitverantwortlich. Über 50 Prozent der durch Wein, Bier oder Schnaps mitverursachten Tumore ließen sich auf den Verzehr größerer Mengen Alkohol zurückführen.
Frauen: Bei Frauen waren fünf von 100 Krebserkrankungen des oberen Verdauungstraktes, des Darms, der Leber und der Brust mitverantwortlich. Bei übermäßigem Konsum lag die Erkrankungsrate von etwas weniger als der Hälfte bis hin zur überwiegenden Mehrheit.
Schon im November 2009 erklärte Prof. Dr. Helmut Karl Seitz vom Alkoholforschungszentrum an der Universität Heidelberg auf dem Journalistenseminar der DGE in Hamburg: „Chronischer, übermäßiger Alkoholkonsum schädigt fast jedes Organ und jedes Gewebe des menschlichen Körpers. Alkohol hat das größte krebsfördernde Potenzial. So erhöht er mit überzeugender Evidenz das Risiko für Tumore in Mund, Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Dickdarm, Mastdarm, Brust und Leber.“
Einige Länder haben aufgrund der Erkenntnisse des Zusammenhangs zwischen Alkoholkonsum und der Entstehung von Krebs reagiert. Nach dem Südkorea offiziell vor dem Konsum von Alkohol warnt, folgte auch Australien. Russland schränkte schon vor einigen Jahren den Verkauf von Alkohol ein und führte Steuern auf Bier und Wodka ein. Nach 20-jähriger Beratung stellte im Januar das Vereinigte Königreich fest, dass es zu bezweifeln ist, gemäßigter Alkoholkonsum würde dem Herzen einen Nutzen bringen. Zudem änderte das Vereinigte Königreich die Richtlinien für den Alkoholkonsum, da auch die Ergebnisse eindeutig belegten, dass sich durch Alkoholkonsum das Risiko für bestimmte Krebsformen erhöht.
Alkoholhersteller sind wenig erfreut über die neuen Erkenntnisse und Entwicklungen. Sie befürchten Umsatzeinbußen und Imageverlust. Auf einer Konferenz der Alkoholindustrie im April 2016 sagte der Präsident der Bierkonzerne Jim McGreevy, dass sie es nicht zulassen wollen, das es zu große Veränderungen in ihren größten Märkte kommt, wie den USA, Großbritannien und Russland. Sie wollen für viele Millionen Dollar eigene Studien erstellen, die aufzeigen sollen, dass Alkohol in Maßen der Gesundheit förderlich ist.
Mythos „Ein Glas Rotwein am Tag ist gut für das Herz“
Diesen Mythos verdankt der Rotwein den flüchtigen Aromastoffen, den sogenannten Polyphenole. Meist werden dabei Anthozyane und Resveratrol genannt. Ihnen wird unter anderem nachgesagt dass sie durch ihre antioxidative Wirkung das LDL-Cholesterin im Blutplasma vor Oxidation schützen und somit Arteriosklerose verhindern können. Sie sollen auch das Verklumpen der Blutplättchen mindern, was die Gefahr von Blutgerinnseln verringern soll. Ebenfalls sollen sie Krebserkrankungen vorbeugen. Diese Stoffe kommen in den Schalen und Kernen von blauen Trauben vor, welche ja zu Rotwein verarbeitet werden. Doch sind Polyphenole auch in Erdnüssen, Schokolade und verschiedenen Beerensorten enthalten, weshalb Rotwein nicht die einzige Quelle für diesen Nährstoff ist.
In einer neun Jahre andauernden Studie haben Wissenschaftler der Johns Hopkins University untersucht, welche Auswirkung die tägliche Einnahme von Resveratrol über die Nahrung auf die Lebensdauer und Gesundheit hat. Die aus Italien stammenden Probanten waren vorliebliche Rotweintrinker und das Resveratrol wurde hauptsächlich über den Rotweinkonsum zugeführt.
Aus dem im Fachjournal „Jama Internal Medicine“ veröffentliche Ergebnis der Studie ist zu entnehmen, dass die durch die Nahrung eingenommene Menge Resveratrol wohl keinen wesentlichen Einfluss auf Langlebigkeit, die Entstehung von Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auf Entzündungsprozesse hat.
Diese Studie wurde unterschiedlich in wissenschaftlichen Kreisen aufgenommen. Einige Wissenschaftler sind weiterhin von den positiven Eigenschaften von Resveratrol überzeugt und erklären die nicht nachweislichen Vorteile der Studie mit der geringen Dosierung an Resveratrol, die im Rotwein enthalten ist.
Egal wie viele gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe im Rotwein enthalten sind, sie schaffen es nicht den Mythos zu bestätigen. Die Dosierung ist zu gering und der Alkohol richtet im Körper auf viele Arten mehr Schaden an. Alkohol schädigt alle Körperzellen und kann über 60 Krankheiten begünstigen oder verursachen. Neben dem physischen Schaden hat Alkohol auch negative Auswirkungen auf die Psyche. Zudem gibt es viele andere Quellen Resveratrol dem Körper zuzuführen, ohne den Nachteil von Alkohol in Kauf nehmen zu müssen.
Mythos „Geringe Mengen Bier verhindern Nierensteine“
Gelegentlicher Konsum von Bier soll die Nieren durchspülen und etwaige Nierensteine sollen dadurch abgehen können. Leider ist dies auch nur ein Mythos. Bier ist zwar wassertreibend, aber trocknet gleichzeitig den Körper aus und stört den Mineralhaushalt. In der Folge dickt das Urin ein, was eher zu einer Vergrößerung von Nierensteinen führt. Wissenschaftler nennen neben falscher Ernährung auch Alkoholkonsum zu einen der Hauptgründe für die Entstehung von Nierensteinen. Daher ist jeder besser beraten Bier nicht als Vorbeugung gegen Nierensteine zu konsumieren.
Weitere Mythen und Fakten über Alkohol
Die Alkoholhersteller und Werbeindustrie erklären gerne, dass Werbung von alkoholischen Getränken nicht dazu gedacht sei Menschen zum Trinken zu animieren. Die Werbung diene nur dazu, den bereits bestehenden Markt aufzuteilen. Weltweite wissenschaftliche Studien kommen aber zum gegenteiligen Ergebnis. Besonders Jugendliche lassen sich von der Alkoholwerbung zum Konsum verleiten. Sie haben insgesamt eine positivere Grundeinstellung zum Alkoholkonsum und fangen früher an zu trinken.
Viele vertreten die Meinung, dass eine Verteuerung von Alkohol, wie etwa durch zusätzliche Besteuerung, auf das Konsumverhalten keinen Einfluss hat. Besonders auf Jugendliche und starke Trinker hat der Preis eine starke Auswirkung. 2009 hat die EU-Kommission die Wissenschaftler von RAND Europe beauftragt, die Erschwinglichkeit alkoholhaltiger Getränke in ihren Mitgliedsländern zu untersuchen. Dabei wurden der Preis, das Einkommen und die Inflation berücksichtigt. Das Ergebnis war eindeutig. Fällt der Preis, steigt der Konsum. Steigt der Preis, fällt der Konsum.
Oftmals wird angeführt, dass strengere Alkoholgesetze keine Wirkung hätten. Doch wie die skandinavischen Länder Norwegen und Schweden klar beweisen, haben diese Staaten den geringsten Pro-Kopf-Konsum in Europa. Eine Veröffentlichung der Weltgesundheitsorganisation WHO von 2009 weist auf einen Pro-Kopf-Konsum von 8,3 Liter reinen Alkohol in Norwegen und 8,85 Liter in Schweden auf. Deutschland liegt mit 12,87 Liter mit einem mehr als 50 Prozent höheren Pro Kopf Konsum weit darüber. Ebenfalls ist der Konsum von Spirituosen in den Skandinavischen Ländern deutlich niedriger als in Deutschland.
Das berüchtigte Komasaufen (trinken bis zur Bewusstlosigkeit bzw. totalem Kontrollverlust) machen überwiegend Jugendliche. Zwar haben sich in den letzten 15 Jahren alkoholbedingte Krankenhausbehandlungen von Jugendlichen verdreifacht. Aber auch in allen anderen Altersgruppen steigen die Zahlen von exzessivem Alkoholkonsum. Etwa 80% der Krankenhausbehandlungen nach überhöhtem Alkoholkonsum sind über 20-jährige. Demnach ist das Komasaufen kein Problem der Jugendlichen, sondern ein gesellschaftliches Problem über alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten verteilt.
Alkohol ist Tradition und Kulturgut. Der Weinbau hat Tradition in Europa und das Bierbrauen speziell in Deutschland. Doch wurde traditionell in früheren Zeiten eher in sehr geringen Mengen, zu bestimmten Zeiten sowie nur an bestimmten Orten getrunken. Der Alkoholkonsum war nicht im Alltag so verbreitet wie in heutigen Zeiten. Dieser falsch verstandenen kulturellen Tradition stehen heute negative Tatsachen gegenüber. Nachfolgend einige Fakten, die diese Tradition heute mit sich bringt:
135,4 Liter pro Bundesbürger
Im Jahr 2012 betrug der Pro-Kopf-Konsum an alkoholischen Getränken in der Bundesrepublik 135,4 Liter. Das entspricht 9,5 Liter reinem Alkohol.
96,4 Prozent konsumieren Alkohol
96,4 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 64 Jahren trinken Alkohol.
Alkoholmissbrauch von 1,61 Millionen
Etwa 1,61 Millionen Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren trinken missbräuchlich Alkohol. Sie nehmen körperliche, psychische und soziale Folgen in Kauf. Männer trinken durchschnittlich deutlich mehr als Frauen.
1,77 Millionen Alkoholabhängige
Rund 1,77 Millionen Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren sind alkoholabhängig.
Jedes Jahr 74.000 Todesfälle
Schätzungen für Deutschland belaufen sich auf etwa 74.000 Todesfälle, die durch riskanten Alkoholkonsum oder durch den kombinierten Konsum von Alkohol und Tabak verursacht werden.
Alkohol wird relativ immer günstiger
Nach aktuellen Analysen für Deutschland sind innerhalb der letzten 40 Jahre alkoholische Getränke im Vergleich zur sonstigen Lebenshaltung um 30 Prozent billiger geworden. Dabei sanken die Verbraucherpreise für Wein um 38 Prozent, für Spirituosen um 33 Prozent und für Bier um 26 Prozent.
Krankheitskosten von 26,7 Milliarden Euro
Die Kosten alkoholbedingter Krankheiten werden pro Jahr auf 26,7 Milliarden Euro geschätzt.
3,3 Milliarden € Einnahmen für den Staat
Im Jahr 2012 betrugen die staatlichen Einnahmen aus Bier-, Schaumwein- und Spirituosensteuer 3,3 Milliarden Euro. Auf Wein wird in Deutschland keine Steuer erhoben.
562 Millionen € für Werbung
Die Werbeaufwendungen für alkoholische Getränke in TV, Rundfunk, Plakatwerbung und Zeitungen/Zeitschriften betrugen 2012 rund 562 Millionen Euro.
15.130 Unfälle im Straßenverkehr
Im Jahr 2012 registrierte das Statistische Bundesamt 15.0130 Unfälle im Straßenverkehr, bei denen mindestens einer der Beteiligten (Fahrer oder Fußgänger) unter Alkoholeinfluss stand. Dabei wurden 338 Menschen getötet.
280.351 Tatverdächtige unter Alkoholeinfluss
Insgesamt haben 280.351 Tatverdächtige ihre Tat unter Alkoholeinfluss begangen. Das sind 13,4 Prozent aller Tatverdächtigen.
55.448 Gewalttaten unter Alkoholeinfluss
2012 wurden insgesamt 55.448 Gewalttaten unter Alkoholeinfluss verübt. Das ist ein Drittel aller aufgeklärten Fälle im Bereich der Gewaltkriminalität. Insbesondere bei schwerer und gefährlicher Körperverletzung prägt Alkoholeinfluss weiterhin die Tatbegehung in erheblichem Umfang.
Quellen: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen- Jahrbuch Sucht 2014 & BKA Bundeskriminalamt Wiesbaden