Wissenschaftler haben den Zusammenhang zwischen zielgerichteter Werbung von Snacks und Getränken an Kinder und der zunehmenden Fettleibigkeit in Europa bei Kindern in einer Langzeitstudie untersucht. Die Resultate sind nach Meinung der Forscher eindeutig. TV-Werbung erhöht bei Kindern den Konsum von zucker- und fettreichen Lebensmitteln.
Werbung funktioniert, sonst würden wir damit nicht tagtäglich regelrecht überschüttet. Selbst erwachsene Menschen sind manchmal nicht von den ausgeklügelten psychologischen und unterbewussten Suggestionen von
Werbestrategien gefeit. Wie sollen es dann Kinder sein, die ja in ihrer Entwicklung ganz besonders alle Informationen aufsaugen und vor allem alles nachmachen bzw. haben wollen was sie sehen?
Daher überrascht das Ergebnis der Langzeitstudie auch nicht besonders. Eltern können davon sicherlich ein Liedchen aus eigener Erfahrung singen. Es ist schwer Kindern zu erklären, warum der tolle „Snack“ nicht so toll ist wie er beworben wird. Die Forscher fordern eine stärkere Regulierung von speziell an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel. Die freiwillige Selbstverpflichtung der Hersteller ist augenscheinlich wirkungslos.
Auch wenn die Eltern gesund kochen und zu Sport animieren, sind sie gegen den Risikofaktor durch die Werbung machtlos. „Allein die Appelle ans gesunde Verhalten und ans gesunde Essen, die bringen es nicht“, sagt Wolfgang Ahrens, der die europäische Studie mit rund 10 000 Kindern zwischen 7 und 17 Jahren in acht Ländern koordinierte und am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) in Bremen forscht.
“Vor allem kleine Kinder können Werbung nicht vom Rest unterscheiden und sind ihr deshalb völlig schutzlos ausgesetzt“, Ahrens. Auch besonders gefährdet sind Jungen und Mädchen aus sozial schwachen Familien. Dies zeigt sich länderübergreifend. So hat das Wissenschaftsteam um Wolfgang Ahrens feststellen können, dass nach sechs Jahren anfangs schlanke Kinder von Eltern mit niedrigem oder mittlerem Bildungsstand doppelt so häufig übergewichtig waren wie solche, die in Familien mit höherem Bildungsniveau lebten. Es zeigt sich aber auch, dass selbst gesundheitsbewusste Eltern ihre Kinder vor aggressiv beworbenem Junkfood nicht schützen können. Ahrens kritisiert nicht nur die Hersteller, sondern auch die Regierungen, die eine Verantwortung für die Gesundheit der Kinder haben.
Deutschland liegt in dieser Studie im europäischen Mittelfeld. Aus den Daten geht hervor, dass hierzulande 16,5 Prozent der untersuchten Kinder im Alter von zwei bis zehn Jahren übergewichtig sind. Am niedrigsten lag die Zahl mit 9,5 Prozent in Belgien und Italien ist mit 42 Prozent der Spitzenreiter.
“Das WHO-Regionalbüro für Europa hatte Anfang 2015 konkrete Vorgaben definiert, wonach nur noch ernährungsphysiologisch ausgewogene Produkte an Kinder vermarktet werden sollten. Dabei spielen unter anderem die Anteile von Fett, Zucker und Salz, aber auch der Kaloriengehalt oder zugefügte Süßstoffe eine Rolle. In einer Studie aus dem Jahr 2015 hat foodwatch untersucht, ob die Selbstverpflichtung der europäischen Lebensmittelindustrie für verantwortungsvolles Kindermarketing (der sogenannte EU Pledge) Wirkung entfaltet. Das Ergebnis: Trotz der Selbstverpflichtung sind 90 Prozent von insgesamt 281 untersuchten Produkten keine ausgewogenen Kinderlebensmittel nach den Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Gerade einmal 29 Produkte im Test dürften nach den Kriterien der WHO-Experten an Kinder beworben werden“, so die Presseerklärung von foodwatch.
Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelmarketing bei der Verbraucherorganisation foodwatch, kritisiert in erster Linie die passive Haltung vom Bundesernährungsminister und fordert politische Maßnahmen, damit die Hersteller aufhören die Ernährungsweisen der Kinder nachhaltig fürs Leben zu beeinflussen.
“Bundesernährungsminister Christian Schmidt setzt im Kampf gegen Fehlernährung bei Kindern seit Jahren auf freiwillige Vereinbarungen. Dabei ist längst belegt, dass das nicht funktioniert. Die Hersteller machen die größten Profite mit Süßkram, Zuckergetränken und Knabberartikeln. Freiwillig werden sie nicht damit aufhören, genau diese Produkte an Kinder zu bewerben und deren Geschmack schon früh zu prägen. Denn die Kinder von heute sind die Kunden von morgen. Die WHO hat bereits 2015 ein konkretes Nährwert-Modell vorgelegt, wonach nur ausgewogene Lebensmittel an Kinder beworben werden sollten. Die Bundesregierung muss dieses Modell endlich umsetzen“, so Huizinga.