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Pumpen im Ruhrgebiet werden ewig laufen müssen

Im FocusPumpen im Ruhrgebiet werden ewig laufen müssen

Schutz des Grundwassers und vor Überschwemmungen kostet 100 Millionen Euro im Jahr

Zum Wohl der Umwelt kam erst der schrittweise Ausstieg aus der Kohlekraft und nach Fukushima der schrittweise Ausstieg aus der Kernkraft. Mit dem Ende dieser beiden Energiegewinnungsindustrien ist der Umwelt aber noch lange nicht geholfen. Beide Arten der Energiegewinnung haben etwas gemeinsam, denn beide verursachen auch nach dem Ausstieg noch für sehr lange Zeit Probleme. Die letzte Tonne Steinkohle wird Ende 2018 gefördert werden, doch die Bergwerke können nicht einfach geschlossen werden. Die Folgen des Bergbaus haben ein Ewigkeitsproblem verursacht. Ein gigantisches System von Pumpen wird für ewig betrieben werden müssen, um eine Überschwemmung des Ruhrgebiets zu verhindern und das Grundwasser vor Verschmutzung zu schützen.

Aufgrund des jahrzehntelangen Bergbaus sackten im Ruhrgebiete ganze Areale ab. In einigen Fällen sind die Erdoberfläche sowie Bach- und Flussbetten um 30 Meter abgesackt, wodurch es zu großflächigen Senkungsmulden kam. Da und dort kam es sogar zu einer Umkehr des Gefälles, und Gewässer flossen plötzlich in die entgegengesetzte Richtung. Links und rechts des Rheins muss das gesamte Niederschlags- und Quellwasser inklusive des Abwassers der Haushalte weggepumpt werden. Zum Schutz des Grundwassers muss zudem auch das tief im Boden liegende Grubenwasser für alle Zeit abgepumpt werden. 1.115 Pumpwerke, betrieben von 11 Wasserwirtschafts-Verbänden, sind im Betrieb, um den Status quo zu erhalten. Die Pumpen sind weitläufig über das Ruhrgebiet verteilt, sind unscheinbar und befinden sich meist im Bereich von 20 Metern Tiefe. „Wenn es unsere Pumpwerke nicht gäbe, würde das Ruhrgebiet innerhalb weniger Wochen absaufen“, erklärte Ilias Abawi, Pressesprecher der Emscher-Genossenschaft, gegenüber den Deutschen Wirtschafts-Nachrichten.

Für die Abwasserentsorgung von Industrie, Bergbau und Gemeinden wurden zu früheren Zeiten sogenannte Köttelbecke gebaut. Es gab in Bergbaugebieten keine Alternative zu dieser Form der oberirdischen Abwasserbeseitigung, da durch das Absinken der Erde die unterirdischen Abwasserkanäle regelmäßig beschädigt wurden. Doch Köttelbecke waren problematisch. Eben wegen der Absenkung des Bodens kam es zu regelmäßigen Überschwemmungen ganzer Landstriche, und durch die Vermischung des Abwassers der breitete sich Typhus aus.

Aufgrund dieser Probleme und wegen des Grubenwassers, bedingt durch das Vordringen in immer größere Tiefen beim Bergbau, begann man schon vor rund 100 Jahren mit dem Einsatz des Pumpbetriebs. 1914 wurde das erste Pumpwerk von der Emscher-Genossenschaft eröffnet. Über die Jahrzehnte folgten die anderen zehn Wasserwirtschafts-Verbände, und immer mehr Pumpen waren nötig, um Herr der Lage zu bleiben.

In früheren Zeiten wurde das Grubenwasser mit reiner Muskelkraft, später mit Wasserrädern, nach oben befördert. Mit der technischen Revolution und der Erfindung der Dampfmaschine folgte ein Durchbruch im industriellen Bergbau. Mit der Dampfmaschine und leistungsfähigen Kolbenpumpen konnten wesentlich tiefere Schächte gegraben werden. Mit einer Neigung von fünf Grad Richtung Norden ging es immer tiefer ins Erdreich, um an die Kohle zu kommen. Die sogenannte Wasserhaltung, also alle Grubenbaue, Räume und technischen Einrichtungen, die das Grubengebäude von Grubenwasser freihalten, beinhaltet durch die Ewigkeitsaufgabe mehr als die Aufgaben zu damaligen Zeiten.


Das Grubengebäude vom Ruhrgebiet bis zum Münsterland ist nach jahrzehntelangem Bergbau löchrig wie ein Schweizer Käse und erreicht Tiefen bis zu 1.400 Metern. Mit dem Verbinden zahlreicher Zechen ist ein Gewirr aus horizontalen Strecken entstanden. Es können Schächte des Bergbaus erreicht werden, in denen seit Langem keine Kohle mehr abgebaut wird. Diese horizontalen dienen zum Zweck der Wartung der Pumpen. Zudem ist das gesamte System dieses Grubengebäude dadurch „wasserwegig“, was bedeutet, dass unterschiedlich große Rinnsale für den Transport des Wassers zu den Pumpen sorgen. Getreu dem Gesetz der Schwerkraft fließt das Wasser zu den tiefsten Punkten und wird von da aus mithilfe der Pumpen nach oben gefördert. Das salzige Grubenwasser ist mit Nickelsulfat, Eisenoxiden und Mangan belastet und würde ohne die Pumpen in das Grundwasser versickern, das damit als Trinkwasser unbrauchbar werden würde.

Laut Ilias Abawi müssen wahrscheinlich keine neuen Pumpen installiert werden, denn zurzeit wird Bergbau nur noch in Regionen ohne Gewässer betrieben. Wie die Ewigkeitslasten gestemmt und die Kosten finanziert werden, steht auch schon fest. Mit 70 Megawatt Anschlussleistung ist das Betreiben der Pumpen sehr energieintensiv. Die jährliche Summe beläuft sich auf rund 100 Millionen Euro. Die RAG-Stiftung, die von der verursachenden Industrie finanziert wird, wurde von Seiten der Politik beauftragt, die Kosten zu übernehmen. Ab 2019 wird die RAG-Stiftung etwa 14,3 Milliarden Euro benötigen, um aus dessen Verzinsung die jährlichen Kosten zu stemmen. Wie allerdings die letzten Jahre gezeigt haben, lauern im Finanzsystem Gefahren, und es ist keinesfalls gegeben, dass die Zinseinnahmen wie kalkuliert erzielt werden. Dann wird der Staat einspringen müssen, wie die RAG-Stiftung erklärt: „Sollte die RAG-Stiftung wider Erwarten irgendwann nicht mehr in der Lage sein, die Finanzierung der Ewigkeitsaufgaben dauerhaft zu sichern, stellen die Kohleländer NRW und Saarland sowie der Bund auf Grund ihrer Gewährleistung die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung.“

Dabei gibt es durchaus Spielraum, die Kosten zu senken. Die Wasserhaltungsexperten der RAG Deutsche Steinkohle haben in den letzten zwei Jahren ein umfassendes Monitoring durchgeführt und alle Daten ausgewertet. Sie wissen genau über Lage, Wassermengen, Wasserqualität, Hohlräume, Streckenprofile und sonstige geologische Gegebenheiten Bescheid. Die dreidimensionale Computerdarstellung zeigt die „Wasserprovinzen“ tief in der Erde und die verbindenden Strecken an. Dadurch ist es jetzt möglich, die Wasserhaltung und das Pumpensystem zu optimieren. Zunächst wird mit präzise installierten Vertikalsperren verhindert, dass Wasser aus stillgelegten Bergwerken in die übrigen noch betriebenen Bergwerke gelangen kann. Ein anderer Aspekt ist der Versuch, die Wasserprovinzen so zusammenzulegen, dass weniger Pumpstationen betrieben werden müssen. Derzeit sind es acht Stationen, und mit Beendigung der Kohleförderung sollen es weniger werden.

Bei den Pumpen selbst kann auch eingespart werden. Unter der Zeche Zollverein auf Sohle 14 stehen heute sechs mannshohe Kreiselpumpen in 1.000 Meter Tiefe. Diese fördern das aus mehreren Provinzen zusammenfließende Grubenwasser mit einem Druck von 100 bar nach oben. Dieses Konzept hat sich über die Jahre bewährt. Allerdings braucht es dafür einen zweiten Schacht zur Belüftung inklusive stromfressenden Ventilatoren, damit die Pumpenkammern mit Frischluft versorgt werden können. Im südlichen Ruhrgebiet wurde begonnen, anstatt mit Kreiselpumpen mit Tauchpumpen zu arbeiten. Die in das Grubenwasser hineingehängten Pumpen brauchen weder Maschinenräume, die trocken gehalten werden müssen, noch einen Belüftungsschacht. Des Weiteren könnte ein höherer unterirdischer Wasserstand Kosten einsparen. Wird der Wasserstand so hoch gehalten, dass der Kontakt mit dem Grundwasser noch vermieden werden kann, sind hohe Einsparungen mit den Tauchpumpen möglich. Nimmt man die heute gepumpten eine Milliarde Kubikmeter als Maßstab und würde 100 Meter weiter oben gepumpt, würden die Wasserhaltungskosten um bis zu zehn Prozent sinken. Natürlich darf das Streben nach Effizienz und Kostenersparnis aber nicht mit gleichzeitigem erhöhten Risiko einhergehen: Käme es zur Katastrophe, wäre der Schaden für das Grundwasser, und somit Trinkwasser, in dieser Region unbezahlbar.

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