Traktor-versprüht-Pestizide-auf-Feld

Eine neue Studie des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) verdeutlicht die wachsende Verunreinigung des Grundwassers mit Pestiziden. Es werden dringend Maßnahmen zum Schutz des Trinkwassers gefordert. Auf der Gegenseite wird argumentiert, dass es ohne diesen hohen Pestizideinsatz nicht geht. Die Begründung pro Pestizide ist allerdings fadenscheinig.

Es tut sich einfach nichts. Aus allen Regionen Deutschlands gibt es immer wieder neue Meldungen über die hohen Pestizideinsätze und die wachsende Verunreinigung des Grundwassers. Deutsche Böden sind dermaßen mit Abbauprodukten von Pflanzenschutzmitteln und Nitrat verseucht, dass selbst die EU Deutschland bereits mit Klage gedroht hat, sollten nicht bald wirksame Maßnahmen umgesetzt werden. Eine neue, aktuelle Studie des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zeigt, dass in weiten Teilen des Bundeslandes das Grundwasser mit Pestizid Metaboliten verunreinigt ist. Bei knapp jeder zweiten Messstelle wurden Rückstände der Abbauprodukte nachgewiesen, bei 10 Messstellen wurden die Grenzwerte überschritten.

Das in Unkrautvernichtungsmitteln vorkommende Bentazon tauchte am häufigsten auf. „Der derzeitige Zustand zeigt deutlich, dass wir Belastungen haben, die teilweise über die Grenzwerte gehen. Das ist nicht tolerabel“, sagt Joseph Hölscher vom NLWKN gegenüber Panorama3 und fordert Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers. Inwieweit die Abbauprodukte gesundheitsgefährdent sind, scheiden sich die Geister. Die einen behaupten es gehe keine toxische Wirkung von den Metaboliten aus, andere sagen sie könnten sogar noch giftiger und gefährlicher sein als der ursprüngliche Wirkstoff. Aussagekräftige Langzeit-Studien über das Gefahrenpotenzial der Metaboliten für den Menschen gibt praktisch nicht. Für die Macher der Studie ist schon die Tatsache der Verunreinigung schlimm genug. „Es ist ein Grund zur Besorgnis, dass diese Substanzen in so hohem Maße gefunden werden“, so Hölscher gegenüber Panorama3.

Die Studie konnte auch einen Zusammenhang der Verunreinigungen und den Anbausorten herstellen, wie etwa Rüben, Mais und Raps. Die Landwirte hingegen argumentieren mit ihrer Existenzgrundlage. Ohne Pestizideinsatz ist in vielen Regionen Niedersachsens die Landwirtschaft unrentabel. Zudem würden nur zugelassene Mittel eingesetzt. Etwas fadenscheinig natürlich, wo es doch gleichzeitig eine heftige Debatte über eine Neuzulassung von glyphosathaltigen Pestiziden gibt, welche von der WHO als krebserregend eingestuft werden.

Die Trinkwasserversorger schließen sich der Sorge um das Trinkwasser an. Auch sie stellen vermehrt Rückstände von Pflanzenschutzmitteln fest. „Unsere Sorge ist, dass die heutige Qualität des Grundwassers in Zukunft nicht mehr sicherzustellen sein wird“, erklärt Olaf Schröder, Geschäftsführer des Wasserverbands Peine, gegenüber Panorama3. Für ihn liegt schon ein Fehler in der aktuellen Zulassungspraxis. Derzeit sind Metabolite von 0,1 Mikrogramm Pflanzenschutzmittel pro Liter Wasser zulässig. „Es muss eine Null im Grundwasser erreichbar sein und so müssen Zulassungen auch aufgestellt werden“, so Schröder. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln haben im Grundwasser nichts zu suchen.

Für die Zulassungsbehörde für Pflanzenschutzmittel, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Braunschweig, ist eine Änderung der aktuellen Zulassungsbestimmungen kein Thema. „Wenn wir überhaupt keine Pflanzenschutzmittel im Grundwasser wollen, dann hätten wir das zu bezahlen mit unsicherer Produktion von Nahrungsmitteln“, sagt Martin Streloke, Abteilungsleiter für Pflanzenschutzmittel beim BVL, zu Panorama 3.Auch hier eine fadenscheinige Ausrede. In einer globalisierten Welt, in der rund die Hälfte aller Nahrungsmittel vom Acker bis zum Teller als Müll enden, kann von Lebensmittelunsicherheit kaum gesprochen werden. Allein was an Lebensmitteln vernichtet wird, würde das Hungerproblem der Welt gleich viermal lösen. Tatsächlich geht es hier vielmehr um die Interessen der Pestizidindustrie. Schröder sagt auch, dass die Behörde sowieso der falsche Ansprechpartner sei. Der Gesetzgeber muss die Regeln aufstellen. Er sollte sich aber damit auch beeilen, denn es dauert einige Jahre bis die aktuell ausgebrachten Pestizide im Grundwasser landen. Zudem steigt der Verkauf von Pestiziden drastisch im Laufe der Jahrzehnte. 1993 lag der Absatz bei knapp 29.000 Tonnen. Zwei Jahrzehnte später wurden in Deutschland fast 44.000 Tonnen verkauft, was einer Steigerung von über 50 Prozent entspricht.