Das Umweltbundesamt befasst sich schon länger mit dem Thema von Medikamentenrückständen im Wasser. Zahlreiche Untersuchungen im gesamten Bundesgebiet haben teils besorgniserregende Werte diverser Medikamente und deren Abbauprodukte in den Gewässern nachgewiesen. Eine neue Studie hat sich auf die Spur der Verursacher gemacht.
Jährlich werden in Deutschland 8.100 Tonnen Medikamente aus der Humanmedizin verabreicht beziehungsweise eingenommen. Nach Aussagen des Umweltbundesamt sind dies vor allem Entzündungshemmer, Asthmamittel sowie Psychotherapeutika. Ein großes Problem sind die großen Mengen von umweltrelevanten Medikamenten. „Zahlreiche Messprogramme zeigen, dass Rückstände von Arzneimittel-Wirkstoffen kontinuierlich in die Umwelt, vor allem in die Gewässer, gelangen und dort gefunden werden. Der Grund dafür ist einfach: Arzneimittel-Wirkstoffe sind oft schlecht abbaubar und mobil. In die Umwelt kommen sie durch einen unerwünschten Nebeneffekt: viele Stoffe werden vom menschlichen Körper unverändert wieder ausgeschieden. So gelangen alljährlich viele Tonnen Humanarzneimittelwirkstoffe und deren Abbauprodukte mit dem Abwasser über die Kläranlagen in die Umwelt. Denn viele Wirkstoffe werden auch in Kläranlagen nur wenig zurückgehalten“, so das Umweltbundesamt.
Nachhaltigkeitswissenschaftler der Leuphana Universität Lüneburg und dem Ortenau Klinikum Offenburg-Gengenbach haben in einer kürzlich in der Zeitschrift „Environment International“ veröffentlichten Studie die Hauptverursacher ermittelt. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser, Psychiatrien und Pflegeheime nur lokal und in geringem Maße für die Verunreinigung des Abwassers durch Arzneistoffe verantwortlich sind. Die Hauptverursacher sind Privathaushalte.
Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Klaus Kümmerer haben Medikamentenverbrauchsdaten eines Pflegeheims, einer psychiatrischen Klinik und eines Krankenhauses in Südwestdeutschland untersucht. Es wurden bei der Analyse etwa 50 häufig verabreichte Substanzen ermittelt, die eine hohe Relevanz für den Eintrag ins Abwasser haben, da sie von den Konsumenten teils unverändert wieder ausgeschieden werden. Die über drei Jahre ermittelten Daten wurden danach mit Daten des Gesamtverbrauches der Substanzen von Privathaushalten verglichen. Hierfür wurden die Angaben des jährlich veröffentlichten Arzneiverordnungs-Report (AVR) verwendet, der alle Medikamente auflistet, die gesetzlich versicherten Patienten von deutschen Ärzten verschrieben werden.
Bei den meisten Substanzen zeigen die Privathaushalte im bundesweiten Vergleich einen wesentlich höheren Verbrauch. Medikamente für das Herzkreislauf-System oder für den Verdauungstrakt sind in Krankenhäusern 15 bis 500 Mal niedriger als bei den Privathaushalten. Bei den psychiatrischen Kliniken sogar bis zu 2.500 mal geringer.
Genauso verhält es sich mit Schmerzmitteln. Der Anteil von Metamizol, dem am meisten verabreichten Schmerzmittel verursachen die Krankenhäuser rund 22 Prozent. Nur bei speziellen Medikamenten wie das Sedativum Clomethiazol in Krankenhäusern oder das in Pflegeheimen eingesetzte Neuroleptikum Quetiapin sowie das Antidepressivum Moclobemid schneiden die Privathaushalte besser ab. Ein Sedativum ist natürlich auch kein übliches Medikament für zuhause.
Durch die neue Studie konnte erstmals belegt werden, dass psychiatrische Kliniken und Pflegeheime gegenüber den Privathaushalten nur geringfügig die Verunreinigung des Abwassers verursachen. Von Krankenhäusern gab es schon frühere statistische Erhebungen. Neu ist auch die Vorhersage von Verunreinigungen auf der Basis der Verbrauchsmuster. „Unsere Studie hat gezeigt, dass Verbrauchsmuster ein mindestens ebenso genaues Bild der Abwasserverschmutzung durch einzelne Substanzen ergeben wie Messungen im Abwasser selbst“, so Manuel Herrmann, Hauptautor der Studie. „Unsere Methode hat gegenüber der Messmethode allerdings den Vorteil, dass sie viel weniger aufwändig und kostenintensiv ist. So können Verunreinigungen sehr einfach vorhergesagt werden und Politik und Verwaltung können gezielt und zeitnah reagieren.“