Trinkwasser wird regelmäßig auf Keime getestet. Doch dies geschieht nur stichprobenartig und im Labor wird nur auf drei Bakterien-Gattungen hin untersucht. Meist wird eine Verkeimung bemerkt, sobald Menschen erkranken. Das Forschungsprojekt Edit soll zukünftig die Hygiene-Sicherheit in deutschen Wasserbetrieben um ein Vielfaches erhöhen. Vollautomatisch sollen Bakterien und Viren im Trinkwasser aufgespürt werden.
Das Trinkwasser in Deutschland gehört im internationalen Vergleich zu den Besten. Es kommt kühl, klar und geruchslos jederzeit aus dem heimischen Hahn. Neben chemischen Grenzwerten finden auch mikrobiologische Grenzwerte in der Trinkwasserverordnung Beachtung. Dennoch kommt es immer wieder vereinzelt in Deutschland zu Keimbelastungen und Erkrankungen. Dann wird meist gechlort und die Bevölkerung dazu angehalten das Wasser abzukochen.
Um Keimbelastungen vorzubeugen kontrollieren die Wasserbetriebe regelmäßig das Trinkwasser. „Trinkwasser gehört bei uns zu den sichersten und am strengsten überwachten Lebensmitteln überhaupt“, sagt Daniel Karthe vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Magdeburg gegenüber der Berliner Zeitung. Allerdings gibt es Verbesserungspotenzial, wie es gerade im vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt namens Edit probiert wird. Edit steht für „Entwicklung und Implementierung eines Anreicherungs- und Detektionssystems für das Inline-Monitoring von wasserbürtigen Pathogenen in Trink- und Rohwasser“. Mit diesem vollautomatischen System sollen Krankheitserreger schneller und zuverlässiger als derzeit erkannt werden.
Die Brunnen der Berliner haben Tiefen zwischen 30 Metern und 140 Metern. Das Grundwasser ist frei von Keimen, doch kann es durch andere Umstände zu Verkeimungen in den Versorgungsnetzen kommen, sei es durch Bauarbeiten oder Überschwemmungen. „In Berlin hatten wir den letzten solchen Fall im Jahr 2011“, erklärt BWB-Ingenieurin Fereshte Sedehizade. Die Haushalte in Spandau mussten damals wegen einer hohen Konzentration an coliformen Keimen mehrere Tage ihr Wasser abkochen. Mit Chlorierung und Spülen der Leitungen wurde das Problem mit typischen Maßnahmen eliminiert.
„Damit wir solche Gegenmaßnahmen einleiten können, müssen wir eine Keimbelastung natürlich möglichst schnell erkennen“, sagt Fereshte Sedehizade. Leichter gesagt als getan. Bei chemischen Belastungen können diverse Sensoren sofort höhere Belastungen erkennen. Mikrobiologische Belastungen des Trinkwassers zu erkennen dauert viel länger. Es werden täglich Proben in den Wasserwerken genommen und zusätzlich einmal im Monat an etwa 100 Messstellen Proben aus dem insgesamt 8.000 Kilometer langen Wassernetz. Hier werden insbesondere sensible Stellen wie Krankenhäuser, Seniorenheime oder Kindertagesstätten überprüft.
Die Proben müssen dann ins Labor. Das übliche Verfahren ist die Proben in Schalen mit Nährboden zu testen und in den Brutschrank zu stellen. Dann heißt es abwarten. „Es kann bis zu 48 Stunden dauern, bis das Ergebnis da ist“, sagt Fereshte Sedehizade. „Das ist viel zu lange“. Ein weiteres Problem ist die Anzahl der verschiedenen Keime zu testen. „Es ist ja unmöglich, das Wasser routinemäßig auf sämtliche möglichen Erreger zu untersuchen“, erklärt Daniel Karthe vom UFZ. Deshalb konzentrieren sich die Untersuchungen auf die drei häufigsten Erreger, die sich auch einfach nachweisen lassen. Ist eine Probe positiv auf Escherichia coli, Enterococcus faecalis oder Pseudomonas aeruginosa sind unter Umständen auch andere Keime im Trinkwasser. Umgekehrt passt der Schuh aber nicht. Sind die Tests negativ, bedeutet das nicht automatisch, dass nicht möglicherweise andere, gefährliche Keime im Trinkwasser sind. „Es gibt durchaus Krankheitserreger, die den Routine-Tests durch die Lappen gehen“, sagt Daniel Karthe.
Es müssen auch nicht immer Bakterien sein, die Erkrankungen verursachen. 1993 starben 70 Menschen in Milwaukee/USA wegen dem Darmparasit Cryptosporidium parvum, der durch ein Leck im Filtersystem ins Trinkwasser gelangte. „Diesen Erreger kann man mit den bisher üblichen Methoden nicht nachweisen“, sagt Daniel Karthe. Das gilt auch für Noroviren oder Enteroviren, die heftige Magen-Darm-Beschwerden verursachen können. „Gerade Viren bleiben leicht unentdeckt, weil sie so klein und so schwer nachzuweisen sind“, erklärt der UFZ-Experte.
Das Edit-System soll aber auch diese Krankheitserreger aufspüren können. Das System filtert mehrmals einen Kubikmeter Wasser zu einer winzigen Probe. In dieser Probe von fünf Tausendstel Millilitern bleiben etwa 90 Prozent der Mikroben. In dieser Probe sind dann auch Erreger die in sehr geringen Konzentrationen im Wasser enthalten sind ausreichend drin, um sie aufzuspüren.
Im nächsten Schritt folgt die Analyse der winzigen Wasserprobe. Die Probe wird mit dem Farbstoff Propidium Monoazid versetzt. Dadurch verfärben sich DNA und RNA von abgestorbenen Zellen rot. „Tote Erreger, die schon bei der normalen Trinkwasseraufbereitung ausgeschaltet wurden, können wir so erst einmal aussortieren“, erklärt Daniel Karthe. Anschließend lassen sich durch DNA- und RNA-Stränge von lebenden Erregern durch molekularbiologischer Methoden vervielfältigen und identifizieren. Das System kann neben den drei typischen Bakterien-Arten drei weitere sowie drei Virengattungen identifizieren. „Die Wahrscheinlichkeit, dass uns Erreger durch die Maschen schlüpfen, ist damit um Größenordnungen geringer als bisher“, sagt Daniel Karthe. Der Clou: Es ist weder ein Labor nötig und die ganze Prozedur dauert nur rund fünf Stunden.
Aktuell wird das System bei den Berliner Wasserbetrieben, in Magdeburg und Marburg getestet. Allerdings wird es bis zur Marktreife noch ein paar Jahre dauern. Für Fereshte Sedehizade ist das sogar nur ein Zwischenschritt der künftigen Kontrolle von Trinkwasser. „Langfristig wollen wir das Berliner Trinkwasser kontinuierlich und vollautomatisch überwachen“, so Fereshte Sedehizade.