Mit der neuen Anti Terror Einheit BFE+ will Innenminister Thomas de Maizière auf Anschläge wie in Paris schneller reagieren können. Damit soll einem neuen Tätertyp Rechnung getragen werden. Die Spezialeinheit wird umfangreich ausgerüstet und ausgebildet. Die erste Einheit wurde jetzt eingeführt, weitere Einheiten sollen folgen. Kritiker mahnen es reicht nicht, es sei nur „Augenwischerei“
Am Mittwoch wurde die neue Anti Terror Einheit von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und dem Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums, Dieter Romann, im Brandenburgischen Ahrensfelde vorgestellt. „Diese Einheit kann schützen, diese Einheit kann fahnden, und diese Einheit kann entschlossen handeln – dadurch hält sie der GSG 9den Rücken frei für Geiselbefreiungen und andere robuste Lagen“, erklärte Romann die Aufgaben der neuen Spezialtruppe. Der Innenminister erklärte, die Struktur der Anschläge von Paris und die anschließenden Vorfälle haben es nötig werden lassen gegen den Terror besser gewappnet zu sein. Sie könnten auch verdeckt eingesetzt werden. In der heutigen Zeit haben es die Staaten mit einem neuen Tätertyp zu tun – hochaggressiv, mit schweren Waffen. Es kann sich um Einzeltäter, Gruppen oder Rückkehrer aus dem IS-Kampf handeln, die mit terroristischen Aktion die Zivilgesellschaft angreifen wollen. Laut Thomas de Maizière ist die Terrorgefahr weiterhin hoch.
Die BFE+ (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit plus) hat sich auf den Einsatz gegen Terroristen und schwere Gewalttäter spezialisiert. Sie soll die Reaktions- und Durchhaltefähigkeit der Bundespolizei erhöhen. Dies waren jedenfalls die Ziele des Innenministeriums. Die BFE+ wird neben den Bundespolizeibehörden und den Landespolizeien die GSG 9 „bei multiplen, länger andauernden“ Gefahrensituationen unterstützen. Konkret sind damit groß angelegte und länger dauernde Fahndungsaktionen gemeint.
Die erste 50 Mann starke Truppe wurde von Bundesinnenminister Thomas de Maizière feierlich am Bundespolizei-Standort Blumberg nahe Berlin in Dienst gestellt. Die neue Einheit ist ein Teil der umfassenden Stärkung der Bundespolizei. Im Bundeshaushalt 2016 sind mehr als 1.500 neue Stellen entsprechenden Personal- und Sachmitteln vorgesehen. Die erste Einheit mit 50 Beamtinnen und Beamten hat nun offiziell letzten Mittwoch in Blumberg in Brandenburg ihre Arbeit aufgenommen. Die neue BFE+ soll bis auf 250 Mann anwachsen und sich über die BRD an Standorten mit Hubschrauberlandeplätzen verteilen. Es wird in Betracht gezogen die jeweils etwa 50 Mann Einheiten an den Standorten der fünf bestehenden Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften (BFHu) der Bundespolizei in Sankt Augustin, Hünfeld, Bayreuth und Uelzen zu stationieren.
Die erste Einheit wurde in Blumberg über Monate von der ausgebildet und trainiert. Zudem wurde sie mit besonderer Ausrüstung ausgestattet. Diese beinhaltet gepanzerte Fahrzeuge, Spezialwesten und Sturmgewehre. Die spezielle Ausbildung und gute Ausrüstung sei nötig. „Dadurch hält sie der GSG9 den Rücken frei für Geiselbefreiungen und andere robuste Lagen“, erklärte der Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Dieter Romann.
Die Pläne für die neue Einheit lagen schon länger in der Schublade. Das die Pläne dieses Jahr konkret und schnell umgesetzt wurden, lag an den Terroranschlägen im Januar dieses Jahres in Paris auf Charlie Hebdo. Die letzten Attentate in Paris bestätigten die Richtigkeit der Entscheidung. Früher waren Anschläge räumlich und zeitlich eng begrenzt. Zuletzt kam es zu komplexeren Terrorangriffen, in denen an mehreren Orten gleichzeitig und variabel mit Bomben, Schusswaffen und Geiselnahmen agiert wurde. Attentate können über Tage dauern und ganze Städte lahm legen. Bei den Charlie Hebdo Attentaten haben drei Attentäter eine blutige Spur durch Paris mit 17 Toten gezogen. Es wurde mit Kalaschnikows geschossen und die Großfahndung ging über mehrere Tage, bis sie schließlich außerhalb Paris in einer Druckerei in Dammartin-en-Goele endete.
Wie würde die Situation in Deutschland bei solch einem komplexen Terroranschlag aussehen? Wenn an mehreren Orten mit Bomben und Kriegswaffen Terror verbreitet wird? Wie würde eine tagelange Fahndung ablaufen? Die deutschen Sicherheitsbehörden fürchteten nach Charlie Hebdo solch eine Situation. Die Polizei-Gewerkschafter erklärten, dass deutsche Polizisten nicht gegen den Beschuss mit automatischen Kriegswaffen gewappnet sind. Es fehlen auch Beamte mit speziellen Anti Terror Kenntnissen. Innenminister Thomas de Maizière hat die aktuellen Sicherheitskräfte und mögliche Szenarien analysieren lassen. Es wurde deutlich, dass nachgebessert werden musste. „Die Struktur der Anschläge und die anschließenden Vorfälle in Paris zu Beginn des Jahres haben uns gelehrt, dass wir die Bundespolizei mit den neuen Einheiten der BFE+ um ein entscheidendes neues Element ergänzen müssen, um besser gerüstet zu sein im Kampf gegen den Terror“, erklärte der Innenminister. Während bisherige Sondereinheiten für Zugriffskommandos ausgebildet sind, soll die BFE+ groß angelegte Fahndungsaktionen durchführen können.
Wo ist die BFE+ eingeordnet? Neben den Streifenpolizisten gibt es die Bereitschaftspolizeien in Bund und Ländern. Diese sind für Großeinsätze da, wie etwa Demonstrationen, Großveranstaltungen, Staatsbesuche oder auch Gefahrenlagen. Dann gibt es Eliteeinheiten wie die GSG9 der Bundespolizei, die auf Geiselbefreiungen und Anti Terror Kampf spezialisiert ist. In den Ländern gibt es weitere Zugriffskommandos wie die Spezialeinsatzkommandos (SEK) oder Mobilen Einsatzkommandos (MEK).
Sondereinsatzkommandos wie die GSG sind komplett für ihre Spezialeinsätze abgestellt. Wenn es keinen Einsatz gibt trainieren sie und bilden sich weiter aus. Die neue BFE+ allerdings wird normalen Dienst schieben und wird bei der Bereitschaftspolizei des Bundes angedockt, wenn sie nicht im Anti Terror Einsatz ist.
Allerdings gibt es Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) schon lange, nur haben die kein + (Plus) dahinter. Sie sind gemäß der Polizeidienstvorschrift 100 die polizeilichen Spezialkräfte mit besonderen Aufgaben der Bereitschaftspolizeien der deutschen Bundesländer und der Bundespolizei. Die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten der Bereitschaftspolizei und der Bundespolizei unterstützen andere Polizeikräfte beim Vorgehen gegen gewalttätige Störer und führen beweissichere Festnahmen an den Brennpunkten unfriedlichen Geschehens durch. Hauptaufgabenfeld der BFE ist die Beweissicherung und die Festnahme von Straftätern. Des Weiteren unterstützen sie bei besonderen Lagen im täglichen Dienst den polizeilichen Einzeldienst und sind auch länderübergreifend tätig. Typische Einsatzbereiche der BFE sind Großveranstaltungen, bei denen gewalttätige Auseinandersetzungen zu erwarten sind (Fußballspiele, Demonstrationen, Unruhen), oder auch Observationen im Rahmen der Drogenkriminalität oder sonstiger Straftaten von öffentlichem Interesse. Ein weiterer Einsatzbereich ist das Vorbereiten und Durchführen von Razzien. Die BFE stehen wiederholt wegen gewalttätigen Verhaltens in der Kritik.
Ab 1998 wurde gegen Mitglieder und den Leiter der hessischen Bereitschaftspolizei in Lich wegen Falschaussage und Strafvereitelung im Amt beziehungsweise Verdachts der Körperverletzung ermittelt.
2010 wurden von der Hamburger Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen einen BFE-Beamten eingeleitet, die eine Anklage wegen Körperverletzung im Amt nach sich zogen.
Nach Einsätzen der BFE der Bundespolizei und Bayerischen Unterstützungskommandos gegen Stuttgart-21-Gegner und bei Castor-Transporten nach Gorleben wurden polizeiintern, unter anderem von einem Hundertschaftsführer, schwere Vorwürfe wegen unangemessener Gewaltanwendung gegenüber Demonstranten erhoben, die interne Untersuchungen nach sich zogen.
Im Zusammenhang mit den Stuttgart-21-Protesten gingen mehrere hundert Anzeigen gegen Polizisten bei der zuständigen Staatsanwaltschaft ein. In mindestens einem Fall, bei dem ein Beamter einer BFE unvermummt von mehreren Kameras gefilmt wurde, wurden Ermittlungen wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet.
Bei den Protesten zu Stuttgart 21 wurden Videobeweise öffentlich gemacht, die darstellen sollen, dass BFE-Beamte in Zivil als mögliche Agent Provocateurs eingesetzt wurden, die Protestteilnehmer mit körperlicher Gewalt und Pfefferspray provozierten. Gegen einen Beamten wurden Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung eingeleitet.
Im Zusammenhang mit den Stuttgart-21-Protesten gab es 2011 eine Anfrage und Kritik hinsichtlich des Einsatzes verdeckter Ermittler, die Mitglieder der BFE sein sollen. In der Stellungnahme des Innenministeriums von Baden-Württemberg wird deutlich, dass es einen Einsatz von verdeckten Ermittlern gegen die Protestbewegung nicht gab, jedoch gegen Einzelpersonen. Die Beantwortung der Anfrage wurde aus Gründen der Geheimhaltung und zum Schutz von verdeckten Ermittlern abgelehnt.
2011 provozierten laut Augenzeugen sächsische BFE-Beamte nach einem Fußballspiel eine Panik in einem Bahnhofstunnel. Die Augenzeugen berichteten von Faustschlägen, Tritten und dem Einsatz von Pfefferspray. Bei diesem Einsatz wurde auch die Fanbeauftragte, die im Auftrag des Chemnitzer Polizeipräsidenten und Chemnitzer-FC-Aufsichtsrats anwesend war, verletzt. Der Einsatz zog acht Anzeigen wegen Körperverletzung gegen die unbekannten BFE-Beamten nach sich.
Daher findet Jörg Radek den Begriff Anti Terror Einheit auch etwas zu hoch gegriffen für die neue BFE+. „Es ist eine Bereicherung“, sagt der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Über all die Sonder- und Spezialeinheiten wird aber der normale Streifenpolizist völlig vergessen. „Der ist im Zweifel der erste, der mit einem Beschuss konfrontiert ist und diesen erwidern muss“, so Radek. Die Streifenbeamten hätten aber keine ausreichenden Schutzwesten und oft nur ein Magazin für ihre Waffe. „Die einen statten wir robust aus und den anderen fehlt ein zweites Magazin“, klagte Radek. Dem schließt sich auch Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), an. Die Streifenpolizisten sollten wenigstens im Auto Helme und Westen für Notfälle haben. „Es wäre verantwortungslos, beim einfachen Streifenpolizisten nichts zu tun“, so Wendt. Insgesamt sei der Aufbau so einer Truppe allerdings richtig. Es „ist gut investiertes Geld“ und die Länder sollten nun ähnliche Einheiten gründen.
Hart in die Kritik geht Sicherheitsexperte Wolfgang Petri. Dieser war 20 Jahre lang bei der Kriminalpolizei, die meiste Zeit beim MEK. „Wir brauchen keine zusätzliche Einheit“, meint Petri. Es sei wesentlich sinnvoller das Geld in bestehende Truppen zu investieren für personelle Aufstockung und bessere Ausrüstung. Die 250 Mann der BFE+ fehlen später an anderer Stelle. Zudem ist es ein Ding der Unmöglichkeit in so kurzer Zeit eine Spezialeinheit auszubilden. „Das ist Augenwischerei.“