back to top
9.1 C
Berlin
Samstag, Oktober 5, 2024

Ein Familiendrama aus Bad Harzburg

Auf was sollte man Achten, wenn man dem eigenen Sohn die gesamte Immobilie Notariell vererbt.Ein Familiendrama aus...

The Knights of Rizal

Am 11. Juli 2020 fand in den historischen Räumlichkeiten der Äbtestube im Hof zu Wil die Gründung...

Wie die Schweiz über Jahre radioaktives Material im Meer entsorgte

Der Güterzug steht in Siggenthal im Aargau zur Abfahrt bereit, beladen mit rund hundert Behältern. Es ist...

Nestlé forscht an «Sport aus der Flasche»

Im FocusNestlé forscht an «Sport aus der Flasche»

Nestlé will ein Getränk oder einen Riegel entwickeln, der dem Körper signalisiert er treibe gerade Sport. Damit soll das Abnehmen leichter werden. Der Traum jeden Sportmuffels könnte wahr werden. Medien und Wissenschaftler sprechen vom „heiligen Gral“ in der Ernährung, doch ist das überhaupt noch Nahrung?

Der weltgrößte Nahrungsmittel- und Mineralwasserhersteller der Welt zeigt sich weiter ambitioniert und will die Nahrungsmittelindustrie auf eine neue Ebene hieven. Letzte Woche verkündete Nestlé, dass sie intensiv daran arbeiten ein Nahrungsmittel zu entwickeln, dass Fett verbrennt und der erste große Schritt in die Richtung sei vollzogen. Möglich seien ein Getränk oder ein Riegel. Die Funktionsweise ist, rein theoretisch, simpel. Dem Körper wird durch den Konsum vorgetäuscht, dass er Sport treibt. Der Wirkstoff wird von Nestlé als C13 bezeichnet, welcher das Enzym AMPK im Körper steuern kann. Das Enzym ist im Körper für die Regulierung der Energiereserven zuständig. Es steuert den Einsatz von Zucker und Fett und ist maßgeblich am Stoffwechsel beteiligt.

Die Funktionsweise von AMPK ist der Schlüssel, „da Energie für alle wichtigen physiologischen Abläufe im Körper benötigt wird, von der Hormonabgabe über Muskelbewegung bis hin zu Gehirnfunktionen”, lies Nestlé letzte Woche verlauten. „AMPK ist ein Schlüsselprotein in jeder einzelnen Zelle des Körpers und wird natürlich beim Sport aktiviert. Es überwacht den Energie-Status wie eine Tankanzeige im Auto und sagt wann Energie zugeführt werden muss, wenn die Reserven gering sind“, erklärt der zuständige Forscher Professor Kei Sakamoto.

Die Forschung geht in die nächste Stufe. Auf dem Campus der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne suchen acht Nestlé-Wissenschaftler nun nach natürlichen Substanzen wie in Obst- und Pflanzenextrakten, um diejenigen zu finden, die das Enzym AMPK regulieren können. Die Forschungen am Nestlé Institute of Health Science sind ambitioniert, aber wenn es jemand schaffen kann, dann ein Unternehmen wie Nestlé, dem es an finanziellen Ressourcen nicht mangelt. Mit diesem Forschungsgebiet will das schweizerische Unternehmen dem wachsenden Unmut der Verbraucher gegen abgepackte Lebensmittel begegnen. Zwischen 2008 und 2012 ist der Umsatz von glutenfreien Lebensmitteln jährlich um 12 Prozent gestiegen. „Glutenfreie Lebensmittel haben sich zu einem der wachstumsstärksten Segmente des Marktes für abgepackte Lebensmittel entwickelt […] Glutenfreie Produkte sprechen immer mehr Konsumenten an. Für Anbieter gesunder Lebensmittel dürfte sich dieser Trend in einem anhaltend starken Wachstum niederschlagen“, sagt Senior Analyst Diederik Basch von RobecoSAM in einem Analysepapier.

Die Verbraucher lechzen geradezu nach gesunden Lebensmitteln, optimaler Weise mit einem spürbaren Effekt wie sich wohlfühlen, voller Energie sein oder hoher Vitalität. Die nächste Nahrungsmittel-Evolution sollen demnach Nahrungsmittel werden, die neben dem stillen des Hungers zusätzlich einen Nutzen bringen, wie eben in diesem Fall abnehmen. Nestlé hat den Unmut der Verbraucher und den kommenden Trend erkannt und forscht intensiv in diese Richtung. „Ein erfolgreicher Versuch zur Herstellung von den Stoffwechsel unterstützenden Lebensmitteln wäre fantastisch, der heilige Gral. Bisher hat kein derartiges Produkt klinische Tests bestanden“, erklärt Professor für Stoffwechselmedizin Naveed Sattar von der Universität Glasgow.

Auch Nestlé bremst die Euphorie ein wenig. Ganz ohne Sport werde es wohl nicht gehen. Die Zielgruppe sollen Diabetiker, ältere Menschen und Fettleibige sein. „Sport hat so viele verschiedene Effekte – kognitive und physiologische Funktionen. All dies werden wir nie in einem einzigen Produkt nachahmen können. Aber statt 20 Minuten Joggen oder 40 Minuten Fahrradfahren, könnte es den Stoffwechsel zusammen mit leichten Übungen wie zügigem Gehen ankurbeln. Es könnten ähnliche Effekte bei weniger Belastung erzielt werden“, sagt Professor Kei Sakamoto. Klingt sehr nett, doch wer Nestlé kennt kann sich die weitere Entwicklung ausmalen. Ein Durchbruch auf diesem Gebiet ist Milliarden wert und wird nicht bei Produkten für Diabetiker, Fettleibige oder ältere Menschen enden. Es wird früher oder später für alle Verbraucher vermarktet und wenn Nestlé es schaffen kann es ganz ohne Sport zu einem Abnehm-Effekt zu entwickeln, wäre dies sicherlich auch kein Beinbruch.

Aber es stellt sich die Frage wie weit ein Nahrungs- oder Lebensmittel gehen darf. Hier wird gezielt auf physiologische Vorgänge im Körper eingewirkt, was eher in den Bereich der Pharmazie gehört. Ist es zulässig, dass ein Nahrungsmittelhersteller so in die Physiologie eingreift? Die Werbebotschaft ist schon jetzt vorstellbar, da die Wissenschaftler ja nach der Substanz in natürlichen Lebensmitteln suchen – „Natürlich und gesund schlank trinken“. Statt in die Apotheke geht der Verbraucher einfach in den Supermarkt. Wird es eine eindeutige Deklaration geben, damit Verbraucher nicht unwissentlich zu solch einem Produkt greift? Wird es dann Schokoriegel für Kinder geben und die Kinder nehmen trotz erhöhter Zuckerzufuhr nicht zu? Was ist bei übermäßigem Konsum solcher Produkte? Wird darüber ehrliche und ausführliche Aufklärung betrieben werden?

Es bleiben viele Fragen offen, doch die Entwicklung wird sich wohl nicht aufhalten lassen. „Die Grenze zwischen Nahrungsmitteln und Pharmazie wird in den nächsten Jahren eng beisammen sein. Unternehmen mit einem diversifizierten Portfolio gesunder Nahrungsmittel werden als Gewinner hervorgehen“, ist sich Jean-Philippe Bertschy, Analyst der Bank Vontobel AG in Zurich sicher.

Check out our other content

Check out other tags:

Most Popular Articles