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Negativzinsen, die neue Normalität

Im FocusNegativzinsen, die neue Normalität

Deutsche Sparer sind immer mehr verunsichert. Statt Zinsen für gespartes Geld zu bekommen werden die Bürger entgegen aller Beteuerungen demnächst höchstwahrscheinlich Zinsen dafür zahlen müssen. Der Tabubruch ist nun von dem ersten großen Geldinstitut vollzogen worden. Zunächst trifft es nur Unternehmenskunden, doch auch der Mittelstand und Privatkunden sollten sich nicht zu sicher fühlen.

Wir sind nicht nur Weltmeister im Fußball sondern auch im Sparen. Geschätzte 1,95 Billionen gesparte Euro sind in Form von Bargeld, Spareinlagen, Sparbriefen und Einlagen wie Tagesgeld hinterlegt. Mehr als die Hälfte davon auf Girokonten und weniger als eine Billion Euro in Aktien oder Investmentfonds (Stand Juni2014). Keine andere Nation hat so viel Erspartes auf der hohen Kante. Doch nun ist unsere Spartugend zu einem Problem geworden und könnte bestraft werden.

Ein Tabu nach dem anderem wird gebrochen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat es vorgemacht. Auf der Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank am 05.06.2014 verkündete der EZB-Präsident Mario Draghi das der Leitzins auf 0,15 Prozent gesenkt wird und das Banken, die Geldeinlagen bei der Notenbank deponieren, eine Strafverzinsung von minus 0,1 Prozent zahlen müssen. Damit führt Draghi zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Zentralbank einen Negativzins ein. Die Absicht hinter dieser geldpolitischen Entscheidung ist die Konjunktur anzuschieben und Liquidität in die Wirtschaft zu pumpen, indem Banken gezwungen werden ihr Geld in den Umlauf zu bringen und mehr Kredite zu vergeben.

Schon hier wurden erste kritische Stimmen laut. Eine weitere Zinssenkung wäre das falsche Signal, besser wäre eine behutsame Zinswende ab dem zweiten Halbjahr. „Die ultraniedrigen Zinsen und die übermäßige Liquidität drohen zum Keim für neue Krisen zu werden“, sagte Michael Hüther, vom Institut der deutschen Wirtschaft gegenüber dpa-AFX. Die Zinssenkung birgt die Gefahr für Investoren sich in riskante Geschäfte zu flüchten, die wiederum zu Blasen in Aktien- und Immobilienmärkten führen können. Für Alexander Erdland, Präsident der Versicherungswirtschaft, „findet Geldvernichtung statt“. Die Zinssenkung sei unnötig, unbegründet und ungerecht, denn die Sparer würden im Alter deutlich weniger Geld zur Verfügung haben. Nach Meinung von Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) könnte es noch lange bei der Niedrigzinspolitik bleiben. Für die Sparer wird es schwerer Vorsorge zu treffen, daher müssen sie „nach alternativen Sparmöglichkeiten suchen, im Inland wie im Ausland“.

Derzeit parken geschätzte 25 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank. Zu Zeiten der Wirtschaftskrise waren es über 800 Milliarden Euro. Auch aus der Finanzwelt hörte man Kritik zu dieser Entscheidung, denn wenn Banken mit den Einlagen von Sparern nicht mehr Geld verdienen, ist es eine Frage der Zeit wie lange die Finanzinstitute Verluste aus dem Einlagengeschäft in Kauf nehmen und sich in riskantere Investitionen stürzen, um die verlorenen Zinsgewinne zu kompensieren. Im September verkündete der EZB-Präsident Mario Draghi das der Leitzins auf 0,05 Prozent gesenkt werde sowie der Strafzins für Banken sich auf minus 0,2 Prozent erhöht und sich damit verdoppelt.

Die letzten Wochen kam das Thema Negativzinsen für Geschäfts- und Privatkunden der Banken in der Finanzwelt immer wieder auf. Aufgrund der niedrigen Zinsen schließen Privatbanken nicht mehr aus, den Strafzins auf die Einlagen der Kunden weiterzugeben. Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) und Co-Chef der Deutschen Bank Jürgen Fitschen gab keine Empfehlung an die Privatbanken aus und überlässt die Entscheidung den jeweiligen Banken: “Jedes einzelne Institut muss sich mit dem Thema auseinandersetzen”. Zudem macht sich der Bundesverband deutscher Banken (BdB) für eine steuerliche Erleichterungen bei den Beiträgen für den neuen EU-Bankenabwicklungsfonds stark. “Wenn die Bankenabgabe etwa in Frankreich, Spanien und Irland abzugsfähig ist, sollte dies auch in Deutschland der Fall sein”, erklärt Jürgen Fitschen. “Ansonsten hätten wir einen klaren Wettbewerbsnachteil.” Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon schließt Negativzinsen auf Spareinlagen bei den Sparkassen aus. Die Commerzbank hatte Anfang November noch verkündet das Strafzinsen für ihre Privat- und Firmenkunden kein Thema wären. Der Verband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) sprach sich öffentlich gegen negative Einlagezinsen für Privatkunden aus.

Also keine Gefahr für Privatkunden und den Mittelstand? Es gibt auch andere Einschätzungen. Die Deutsche Bank verlautete, dass Strafzinsen auf Sparbücher bald normal sein könnten. „Einige wenige Banken berechnen ihren Kunden jetzt schon negative Zinsen. Das dürfte angesichts der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank bald keine Seltenheit mehr sein“, erklärt Chefanlagestratege der Deutschen Asset & Wealth Management, Asoka Wöhrmann und oberste Vermögensverwalter der Deutschen Bank gegenüber der „Welt am Sonntag. Eine Bank fordert schon Strafzinsen für Tagesgeldkonten und Girokonten.

Seit November erhebt die Deutsche Skatbank in Thüringen auf Tagesgeldkonten von mehr als 500.000 Euro und Giro-Guthaben ab zwei Millionen Euro einen Negativzinsen von 0,25 Prozent. Damit ist das Tabu der Negativzinsen für Privatkunden gebrochen worden. Nach Angaben der Skatbank ist der Negativzins erst dann fällig, wenn die Gesamteinlagen des Kunden, unabhängig von der Anlageform, zwei Millionen Euro überschreiten. Das betrifft Privat- und Geschäftskunden. Die Deutsche Skatbank ist eine rechtlich unselbständige Zweigniederlassung der Volks- und Raiffeisenbank Altenburger Land eG. Damit machte die Skatbank den Weg für Negativzinsen auf Privateinlagen frei.

Seit dem 15. November berechnet die Luxemburger DZ Privatbank 0,25 Prozent pro Jahr auf Guthaben. Zunächst sind offenbar bei der DZ Privatbank nur Fonds betroffen. Diese halten meist größere Reserven an Bargeld für den Fall das sie Wertpapiere nachkaufen oder Kundengelder aus dem Fonds abziehen müssen. Einer der größten Kunden der DZ Privatbank ist die Fondsgesellschaft Union Investment. Gegenüber der „WirtschaftsWoche“ bestätigt Union Investment das einzelne Depotbanken die Negativzinsen der EZB an das Fondshaus weitergeben. Das gilt für das Halten von Bankeinlagen oder betrifft die Kasse von Investmentvermögen. Die DZ Privatbank gehört ebenfalls zu der Gruppe der Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland. Als Private-Banking-Einheit der Volksbanken betreut sie zudem vermögende Kunden.

Die Commerzbank mit Sitz in Frankfurt und zweitgrößte Bank Deutschlands führt jetzt als erste deutsche Großbank einen Negativzins und eine Gebühr für die Verwaltung größerer Summen ein. Am 06. November erklärte der Commerzbank-Finanzvorstand Stephan Engels noch: „Wir können uns nach wie vor negative Einlagezinsen für unsere Privat- und Firmenkunden nicht vorstellen“ und versuchte sich mit dieser Aussage die anhaltende Diskussion über das Thema Negativzinsen auf Konten und Sparbüchern zu Nutze zu machen, um für das Vertrauen der Kunden zu werben.

Doch die Commerzbank geht jetzt diesen Schritt. Zunächst sollen Privatkunden und mittelständische Sparer davon nicht betroffen sein. Die Negativzinsen sollen für Geschäftskunden und institutionelle Anleger gelten, die größere Vermögenswerte bei der Bank deponiert haben. Auf die Höhe der Negativzinsen möchte sich die das Geldinstitut prozentual nicht festlegen. Die soll im Einzelfall verhandelt werden, um ein Entgegenkommen zu signalisieren und einen Anreiz zu liefern höher in Frage kommende Einlagen in aktive Posten umzuschichten. In Europa ist die Commerzbank das erste Schwergewicht, dass diesen Weg geht. International reiht sie sich zu anderen großen Instituten wie Goldman-Sachs, J.P. Morgan Chase, New York Mellon, die Schweizerische Credit Suisse sowie die Hongkong & Shanghai Banking Corporation Holdings PLC (HSBC) mit Sitz in London.

Kleinanleger und Sparer, die ihr Geld in Fonds investiert haben, trifft es jetzt schon, denn Fonds sind institutionelle Anleger. Zwar trifft es sie passiv, dennoch ist auf diesem Weg der Strafzins auch beim Privatkunden angekommen. Es wird nicht mehr allzu lange dauern, dann wird auch das letzte Tabu, der Privatkunde und Sparer mit Beträgen unter 50.000, zur Kasse gebeten. Das ist jedenfalls die Einschätzung des Börsenexperten Dirk Müller. „Negativzinsen seitens der Commerzbank für größere Gelder. das greift immer mehr um sich, das immer mehr Banken Strafzinsen verlangen. Nun gut, sie müssen es auch bei der EZB zahlen. Also von daher wird das zur neuen Normalität, erstmal nur bei manchen Banken. Es werden aber immer mehr. Weil die warten ja nur drauf das die Konkurrenz es macht, dass sie es endlich auch tun können. Und im Moment noch nur für die großen Vermögen, aber auch das ist eine Frage der Zeit, bis das nach unten auf die kleineren Guthaben ebenfalls ausgedehnt wird. Darauf können wir uns einstellen. Also Negativzinsen, die neue Normalität. Hätte man sich vor zwei Jahren nicht vorstellen können […]“, sagt Börsenexperte Dirk Müller in einem Video auf cashkurs.

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