Pestizidrückstände im Trinkwasser, in Böden und Lebensmitteln sorgen seit Monaten für heftige Debatten. Besonders im Fokus steht das Pestizid Glyphosat für das in der EU ein Wiederzulassungsverfahren läuft. In Kalifornien soll Glyphosat und das Insektizid Belt von Bayer in den ganzen USA verboten werden. Die beiden größten Pestizidhersteller der Welt geben sich aber nicht geschlagen.
Das Insektenschutzmittel Belt von Bayer wird seit Jahren in den USA verkauft. Die amerikanische Umweltbehörde EPA will Belt nun verbieten, denn es gefährde wirbellose Tiere und folglich auch Fische. Bayer wiederspricht den Vorwürfen und kritisiert die Urteilskraft der US-Umweltbehörde. Bayer kündigte an sich gegen das Ersuchen zu wehren. Seit 2008 wird Belt in den USA umfangreich eingesetzt. Es dient unter anderem zum Schutz gegen Motten und Würmer beim Anbau von Sojabohnen, Mandeln und Orangen. Laut EPA stellt Belt aber in hohen Dosen auch eine Gefahr für wirbellose Tiere am Grund von Flüssen und Teichen. Diese dienen Fischen als Nahrung, womit auch Fische potenziell gefährdet sind.
In Gewässern, die in der Nähe von Agrarflächen liegen, wurde bisher nie eine zu hohe Dosis nachgewiesen, wie Bayer erklärt. Der Chemiekonzern verweist dabei auf Ergebnisse von Feldversuchen. Gleichzeitig werden die Daten der EPA kritisiert. Diese stütze sich überwiegend auf Computermodelle, die letztlich rein hypothetisch sind. Nun wartet Bayer darauf, dass die US-Umweltbehörde einen formellen Antrag stellt, um die Zulassung von Belt zu wiederrufen.
„Mehr als eine Viertel Milliarde Dollar koste der Hunger der Baumwollkapselraupen die amerikanischen Landwirte jedes Jahr“, so die Werbeaussage von Bayer. „Sie können ganze Felder von Obst und Gemüse, Tee und Baumwolle in kürzester Zeit kahlfressen.“ Das Insektizid sei genau dafür entwickelt worden. Der Wirkstoff dockt sich im Körper des Insektes an ein Muskel-Molekül, was es unbeweglich macht. Dadurch verendet letztendlich das Insekt. Laut Bayer kann Belt für rund 170 Pflanzenarten eingesetzt werden.
Ein anderes Insektizid von Bayer namens Sivanto erhielt im Januar 2015 die Zulassung durch die EPA. Dieses neuartige systemische Insektizid tötet saugende Insekten wie Blattläuse, Weiße Fliegen, Zikaden, Blattflöhe und anderer bedeutsamer Schädlinge.
Der Weltmarktführer für Pestizide Monsanto steht seit Monaten mit seinem Mittel Glyphosat heftig in der Kritik. Umweltschützer fordern schon seit Jahren ein Verbot, da sie Glyphosat für hochgiftig halten. Glyphosat ist das am weltweit am meisten eingesetzte Pflanzengift. Kalifornien will das Mittel auf die Liste der anerkannten krebserregenden Stoffe setzen. Wenn dem so ist, müsste eine gut sichtbare Warnung auf dem Produkt stehen. Dies würde auch andere Unternehmen betreffen, die Glyphosat verwenden. Dies würde höchstwahrscheinlich das Aus für Glyphosat in Kalifornien bedeuten und wäre ein herber Rückschlag für das Unternehmen. Daher hat Monsanto Klage eingereicht.
Betroffen von der Klage ist das Office of Environmental Health Hazard Assessment (OEHHA), und der zuständige Direkter, Lauren Zeise. „Soweit ich weiß, ist dies die erste Aufsichtsbehörde in den USA, die feststellt, dass Glyphosat krebserregend ist […] Also, das ist eine sehr große Sache“, sagte Nathan Donley vom Center for Biological Diversity gegenüber EcoWatch. Die Behörde stützt sich auf die Meinung der Internationale Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation, die Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregnd“ eingestuft hatte. Der Staat Kalifornien ist durch den „Safe Drinking Water and Toxic Enforcement Act, 1986“ (Proposition 65) verpflichtet den Schutz des Trinkwassers zu fördern. Daher sei die Umweltbehörde verpflichtet dafür zu sorgen, dass keine krebserregenden Substanzen auf Feldern ausgetragen werden oder in Verbrauchsprodukte gelangen können.
Monsanto ist nicht Müde zu betonen, dass Glyphosat nicht krebserregend ist und beruft sich auf zahlreiche Studien. Pikant: Eine der Studie ist von 2007 und von der beklagten Behörde selbst veröffentlicht. In dieser Studie kam die Behörde zum Ergebnis, dass eine krebserregnde Wirkung von Glyphosat unwahrscheinlich sei. Da sich die Behörde auch nur auf die Einschätzung der Internationale Krebsforschungsagentur IARC stützt, gebe die Behörde ihre regulatorische Autorität an einen „nicht gewählten, undemokratischen, unerklärlichen Fremdkörper“ ab, ist der Anklageschrift zu entnehmen.
In der EU ist aus der Diskussion um Glyphosat mittlerweile eine hitzige Debatte geworden. Zahlreiche Geschäfte haben freiwillig Glyphosat bereits aus den Regalen genommen. Eigentlich würde die Zualssung für Glyphosat diesen Sommer auslaufen. Monsanta hat ein Wiederzulassungsverfahren eingereicht. Im November noch hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die früheren Sicherheitsbewertungen erneut bestätigt, obwohl die WHO es für „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Für die EFSA hat das Mittel keine krebserregenden oder mutagenen Eigenschaften. Es wirke sich auch nicht toxisch auf die Fortpflanzung oder negativ auf die Embryonalentwicklung aus. Die EFSA ist der Meinung, dass „es sehr unwahrscheinlich ist, dass von Glyphosat eine Krebsgefahr ausgeht und die Datenlage unterstützt auch keine Einstufung von Glyphosat hinsichtlich eines krebserregenden Potentials gemäß der Verordnung (EC) Nr. 1272/2008.“
Die EFSA stütz sich dabei auf die Auswertung eines umfassenden Studien- und Datensatzes. Nach dem Berichtz der EFSA stütze sich die Einschätzung auf die „die toxikologische Bewertung des berichterstattenden Mitgliedsstaates, die im Rahmen des sogenannten ‘peer review‘ Verfahrens bestätigt wurde, auf die Gesamtaussagekraft der Fülle an validen Studien und nicht nur auf einzelne Studien zu einem bestimmten Bewertungsaspekt“.
Monsanto freut die Einschätzung der EFSA natürlich. „Das Ergebnis der EFSA ist ein entscheidender Schritt im Rahmen des Wiederzulassungsprozesses von Glyphosat durch die europäischen Zulassungsbehörden. Es bestätigt erneut die früheren Sicherheitsbewertungen von Glyphosat, die bereits von Behörden weltweit durchgeführt wurden. Diese haben einheitlich ergeben, dass die Anwendung von Glyphosat kein Risiko für den Menschen, Tiere und die Umwelt darstellt“, so Richard Garnett, Vorsitzender der europäischen Glyphosat Task Force. Auch Ursula Lüttmer-Ouazane, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat zeigte sich zufrieden: „Wir freuen uns, dass die beteiligten Bewertungsbehörden sich die nötige Zeit nehmen konnten, um den Wirkstoff Glyphosat umfänglich neu zu bewerten und sehen uns durch das Ergebnis erneut bestätigt. Wir gehen davon aus, dass nunmehr eine faktenbasierte Debatte die bisherigen, teilweise ideologischen und unsachlichen Kampagnen ablöst. Glyphosat ist ein wertvoller Baustein einer modernen und nachhaltigen Landwirtschaft.“
Die Einschätzungen der EFSA werden von der Europäischen Kommission bei der Wiederzulassung von Glyphosat berücksichtigt. In den kommenden Monaten werden die Vertreter der 28 Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SC PAFF) in einem Entscheidungsvorschlag abstimmen müssen.
Die Glyphosat-Gegner geben sich nicht geschlagen. 96 Wissenschaftler aus 25 Ländern kritisierten die Einschätzung von Glyphosat durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Sie gaben an, dass die Einschätzung der Internationale Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation wesentlich glaubhafter sei, als die Argumente der EFSA. Allein schon wegen der Unabhängigkeit der IARC-Wissenschaftler und dem transparenten Verfahren ohne „geheime“ Industrie-Studien. Außerdem sei die Bewertung des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung nicht transparent erfolgt und ruhe nicht auf Beweisen. Die 96 Wissenschaftler fordern von der EU die EFSA Bewertung nicht zu berücksichtigen und für die Wiederzulassung von Glyphosat auf ein transparentes, offenes und glaubwürdiges Verfahren der Risikobewertung zurückzugreifen.
Der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Martin Häusling, ist strikt gegen eine Wiederzulassung und wirft der EU vor gegen das Vorsorge-Prinzip zu verstoßen. Sie werfe „alle Bedenken von Wissenschaftlern über Bord“ und „die EU-Kommission hat offenbar nicht die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger im Blick, sondern die Interessen der Agrarindustrie wie die des Herstellers des Pestizids, Monsanto“. Besonders kritisch sieht er die anvisierte Zulassung, die „weitgehend ohne Mengen- und Anwendungsbeschränkung“ erfolgen soll. Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner fordert: „Gerade Deutschland muss jetzt bremsen in Brüssel“.
Über den offenen Brief wurde auch in der Sitzung des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments diskuttiert. Neben den EU-Parlamentariern waren auch Vertreter von WHO, EFSA und der EU-Kommission anwesend. Die Abgeordneten nutzten die Gelegenheit die EFSA mit kritischen Fragen zu konfrontieren, denn es herrschte allgemeine Verwirrung bezüglich der doch sehr unterschiedlichen Risikoeinschätzungen von BfR, EFSA und IARC. Die EFSA konnte jedoch keine glaubhafte Begründung für ihre Einschätzung bieten. Immer mehr Abgeordnete sehen die geplante Wiederzulassung für weiter 15 Jahre nunmehr kritisch.
Anfang März werden die Mitgliedsstaaten ihre Empfehlung abgeben. Im Sommer wird dann eine Entscheidung fallen, ob Glyphosat bis 2031 in der EU auf den Feldern landet oder nicht. Der Fall Bayer in den USA und Monsanto in Kalifornien könnte richtungsweisend für die EU Entscheidung werden. Während in den USA ein Produkt immer erst zugelassen wird, bis ausdrücklich nachgewiesen ist, dass es schädlich ist, gilt in der EU das Vorsorgeprinzip. Besteht also lediglich ein Verdacht oder man ist sich nicht sicher, ob es eine schädliche Wirkung gibt, wird das Produkt nicht zugelassen. So gesehen dürfte Glyphosat auf keinen Fall wieder zugelassen werden. Erst recht nicht, wenn Kalifornien es auf die Liste krebserregender Substanzen setzt. Wir machen doch auch sonst immer was die USA uns vormacht. Hier wäre es auf jeden Fall zu wünschen.