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Mögliche Zwangs-Impfung gegen Masern ist eine nationale Kontroverse

GesundheitMögliche Zwangs-Impfung gegen Masern ist eine nationale Kontroverse

Seit Oktober haben sich mehr als 1.000 Menschen in Berlin mit Masern infiziert. Die Diskussionen zwischen Impfgegnern und Impfbefürwortern lassen viele Eltern ratlos zurück. Neben der allgemeinen Verunsicherung Pro und Contra Impfungen mehren sich die Ängste vieler Eltern. Gesundheitsminister Hermann Gröhe droht nun mit Impfpflicht.

Wie weit darf der Staat gehen und wie weit reicht die Selbstbestimmung eines Einzelnen? Sind mehr als 1.000 mit Masern infizierte Menschen in Berlin Grund genug, dass der Staat eine Impfpflicht einführt? Ist die öffentliche Gesundheit in Gefahr oder ist die Vielzahl der Masernfälle nur eine einmalige Situation?

Eine mögliche Impflicht bezeichnen Impfgegner eher als Impfzwang sowie einen Eingriff in die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte. Dabei handelt es sich nicht um eine kleine Gruppe von Bürgern, die sich gegen Impfungen prinzipiell aussprechen, wie die Impfquote zeigt. Es gibt einen Wandel in der Bevölkerung hinsichtlich dem Nutzen, dem Sinn und den potenziellen Nebenwirkungen von Impfungen. Selbst Wissenschaftler und Ärzte sind bezüglich Impfungen in zwei Lager gespalten. Beide Seiten sind zudem von ihrer Argumentation und den Gründen Pro und Contra Impfungen überzeugt. Viele andere sind aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel völlig verunsichert und wissen nicht was sie tun sollen – Impfen oder nicht? Was, wenn die falsche Entscheidung getroffen wird?

Unter den mehr als 1.000 gemeldeten Fällen in Berlin sind vor allem Jugendliche und Erwachsene. Der aktuelle Masern-Ausbruch ist der schlimmste seit Beginn der Meldepflicht im Jahr 2001. Nach Behördenangaben wurden mindestens 330 Kinder zeitweilig von Kitas und Schulen ausgeschlossen. In Thüringen, insbesondere in Erfurt, wurden 80 Fälle gemeldet und auch in Süddeutschland, in Bayern, sind 75 Fälle bekannt. Der traurige Höhepunkt des Masern-Ausbruchs ist der Tod eines Kleinkindes aus Berlin. Am 18. Februar erlag der Junge im Alter von anderthalb Jahren in einem Krankenhaus den Folgen der Maserninfektion. „Das Kind war geimpft, aber nicht gegen Masern“, sagte Gesundheitssenator Mario Czaja, weshalb eine chronische Vorerkrankung ausgeschlossen wurde.

Angesichts der immer höheren Zahl an Erkrankten und mangelnder Einsicht der Impfverweigerer drohte Gesundheitsminister Hermann Gröhe nun mit einer Impfpflicht. „Wir müssen auch der Panikmache einiger Impfgegner entgegentreten. Wer ohne medizinische Notwendigkeit seinem Kind den Impfschutz verweigert, schadet nicht nur diesem Kind, sondern auch Kindern, die zum Beispiel zu klein sind, um geimpft zu werden, oder Kindern, die tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können“, sagt der CDU-Politiker. In vielen Regionen ist die Durchimpfungsrate von 95 Prozent nicht erreicht, bei der eine Ausbreitung der Masern verhindert würde. Damit die Quote erreicht wird, arbeitet die Regierung an einem Präventionsgesetz. Damit soll unter anderem eine Beratung vor dem Besuch einer Kindertagesstätte (Kita) verpflichtend sein. Das auch nur geimpfte Kinder einen Kita-Platz bekommen ist eine Alternative. Sollte die Impfbereitschaft nicht steigen, muss nach Meinung des SPD-Gesundheitspolitikers Karl Lauterbach „eine Impfpflicht für Kleinkinder der nächste Schritt sein“. Zudem soll der Impfstatus von Jugendlichen und Erwachsenen bei ärztlichen Untersuchungen abgefragt werden. Auch weiter greifende Schritte sieht Bundesgesundheitsminister Gröhe für möglich.

Dafür muss der Dialog mit den Ländern forciert werden, damit Konsequenzen für Impfverweigerer auch in den jeweiligen Kindergartengesetzen umgesetzt werden. „Wir werden diese Fragen sorgfältig, aber konsequent im Rahmen der jetzt anstehenden parlamentarischen Beratungen zum Präventionsgesetz debattieren und dann entscheiden“, so Gröhe. Die Bayern signalisieren Zustimmung zum Impfpflicht-Vorstoß des Gesundheitsministers. Zwar setzt Bayern primär auf Beratung und Aufklärung, um die Menschen zur Impfung zu bewegen. „Falls dies aber nicht ausreicht, darf die Möglichkeit einer Impfpflicht bei Masern nicht ausgeschlossen werden. Denn es geht auch um das Wohl der Allgemeinheit“, äußerte sich Landesgesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Katja Dörner, Fraktionsvize der Grünen spricht sich gegen eine Impfpflicht aus, denn „Ein Zwang zur Impfung geht zu weit. Impfskeptiker bringt man nicht durch Zwang zum Umdenken, sondern durch umfassende, unabhängige Beratung“.

Das sieht Anton Hofreter, Co-Fraktionschef der Grünen genauso, der befürchtet das Zwänge eine Ablehnung eher verschärfen. Gesundheitsexperte der Linksfraktion, Harald Weinberg, pocht auf das Selbstbestimmungsrecht der Eltern und schließt eine Impfpflicht ebenfalls aus. CDU-Politiker Jens Spahn bezeichnet Impfverweigerer als egoistisch, da sie sich darauf verlassen, dass andere zur Impfung gehen und ihnen selbst dann schon nichts passiere. „Eine generelle Impfpflicht wird sich wegen der Widerstände in der Bevölkerung nicht durchsetzen lassen“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, der „Welt“ und bezeichnet den Vorstoß der Politik zur Impfpflicht als Augenwischerei. „Diese Regelung im geplanten Präventionsgesetz wird die niedrigen Durchimpfungsraten nicht wesentlich erhöhen, denn wir beraten bereits immer im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen zu den notwendigen Impfungen“, erklärt Hartmann. Aber eine Vorlage des Impfausweises für alle Kinder beim Anmelden bzw. der Einschulung von überwiegend staatlich finanzierten Kita oder Schulen wäre durchaus sinnvoll. Die Debatte ist in vollem Gange und das Chaos ist perfekt.

Nicht nur in Deutschland ist die Impfverweigerung ein Thema. In Australien sind die Behörden schon einen Schritt weiter. Auch in Down Under wurde durch Ausbrüche von Masern, Keuchhusten und weiterer, durch Impfung vermeidbarer, Erkrankungen eine Impfdebatte geführt. Die Regierung gab bekannt, dass Impfverweigerern Hilfen zur Kinderbetreuung und Steuervergünstigungen gestrichen werden. Die Streichung von Sozialleistungen soll noch verschärft werden, denn bisher bekamen Eltern dennoch Kindergeld, wenn religiöse oder philosophische Gründe für die Impfverweigerung geltend gemacht wurden. Laut „Sydney Morning Herald“ wurden zehntausende Einwände gegen die Impfpflicht aus persönlichen, philosophischen, religiösen oder medizinischen Gründen eingereicht. Daher sollen ab 2016 nur noch wenige religiöse oder medizinische Ausnahmen gelten. Dann heißt es impfen lassen oder es gibt kein Kindergeld.

In Deutschland ist die Regierung noch längst nicht so weit. Bisher bleibt es dabei die Bürger zu überzeugen sich impfen zu lassen. Die Berliner Gesundheitsverwaltung fordert alle nicht immunisierten Erwachsenen auf, sich und ihre Kinder impfen zu lassen. „Es gibt viele Impfgegner, die Masern als Kinderkrankheit abtun“, kritisiert Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja. Es gebe vor allem bei Erwachsenen große Lücken, insbesondere bei den Geburtsjahrgängen nach 1970. Bei den 18- bis 44-Jährigen ist die Impfquote wesentlich geringer als bei den Berliner Schulkindern. Es verwundert nicht, dass diese Gruppe aktuell am häufigsten erkrankt.

Warum ausgerechnet in Berlin die Masern so dramatisch ausbrechen, liegt jedoch nicht zwingend an der Impfquote. Die Impfraten bei Schülern in Berlin sind laut Anette Siedler, amtierende Leiterin des Fachbereichs Impfprävention am Robert Koch-Institut (RKI), nicht schlechter als sonst in der Bundesrepublik. Lediglich bei der zweiten Impfung hat Berlin Nachholbedarf. Die Ursachen sind vielmehr das Zusammenleben vieler Menschen auf engem Raum der Großstadt, die für das Virus der perfekte Nährboden sind.

Viele Kinder im Stadtteil Prenzlauer Berg sind beispielsweise nicht geimpft. Bei der Einschulungsuntersuchung 2011/2012 waren etwa 85 Prozent geimpft, ein weit entfernter Wert von der Impfquote von 95 Prozent. Die Eltern der nicht geimpften, meist gut situierte Akademiker, halten die Gefahren einer Impfung für größer als eine mögliche Erkrankung, obwohl die offiziellen Fakten dem widersprechen. Das Gefahrenpotenzial eines Masernausbruchs ist groß, da rund 70 Prozent der Kinder im Alter von ein bis drei Jahren in die Kita oder den Kindergarten gehen. Kinder unter 18 Monaten haben meist nur die erste Impfung erhalten und sind daher besonders darauf angewiesen, dass die älteren Kinder sie nicht anstecken. Die Stimmung gegen die Impfverweigerer wird schärfer.

„Diese Haltung vieler Eltern ist seit Jahren ein großes Problem“, sagt eine Kita-Mitarbeiterin. Eine Mutter zweier Kinder findet es sei „absolut unverantwortlich, wenn Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen. Das ist nur rücksichtslos“. Bei Kinderärzten suchen viele Mütter Rat, wie bei der Praxis mit anthroposophischem Schwerpunkt an der Grenze zu Berlin-Mitte. Ob die Praxis andere Empfehlungen aufgrund des derzeitigen Ausbruchs gebe? Nein, die Eltern müssten selbst entscheiden, die Praxis möchte da nichts empfehlen. Viele Eltern sind unentschlossen, wissen nicht, ob sie ihr Kind nun doch lieber impfen lassen sollen. Eine Mutter deren Kinder geimpft sind erklärt, sie habe schon die vielen Mehrfachimpfungen als Belastung empfunden.

Für Katharina P. vom Prenzlauer Berg gehöre das nun mal dazu. Sie hat einen neun Monate alten Sohn, der folglich noch nicht geimpft werden kann. „Natürlich ist es nicht besonders angenehm nach der Impfung ein schreiendes Kind zu haben, das dann irgendwann noch fiebert. Aber die Alternative ist viel schlimmer. Ich könnte es nie mit mir vereinbaren, mein Kind nicht gegen Masern zu impfen. Dadurch gefährde ich ja nicht nur mein eigenes Kind, sondern auch andere, schwächere“, so Katharina. „Und auch all die, die in die Kita kommen, bevor sie ein Jahr alt sind und damit noch zu jung für Impfungen“. Es müsse mehr aufgeklärt werden. In den Arztpraxen würden den Eltern zu viel über mögliche Nebenwirkungen und Risiken zu Impfungen zum Lesen gegeben, anstatt die Gefahren einer Masern-Erkrankung gründlicher zu erläutern.

Masern werden umgangssprachlich zwar als Kinderkrankheit bezeichnet, sind sie aber nicht. Auch Erwachsene können sich infizieren. Masern verbreiten sich noch immer auf der ganzen Welt, obwohl es den Impfstoff seit 40 Jahren gibt. Besonders verbreitet ist das Virus in Entwicklungsländern, wo es zu den zehn häufigsten Infektionskrankheiten zählt. In einigen Regionen stirbt jeder Zehnte infizierte an den Folgen der Erkrankung. Deutschland wollte bis 2015 das Virus ausrotten, was nicht erreicht wurde. Den Impfverweigerern kann das aber nur bedingt angeheftet werden. Ausbrüche wie in Berlin sind nicht ungewöhnlich, die Zahlen variieren stark. 2012 infizierten sich lediglich 165 Menschen mit dem Virus und 2013 waren es 1721.

Das Virus ist hochgradig ansteckend und wird durch Tröpfchen übertragen. 90 Prozent der nicht geimpften Personen erkranken nach Kontakt mit dem Virus. Schon eine gemeinsame Bus- oder Bahnfahrt ist ausreichend. Eine infizierte Person ist schon ansteckend, bevor sich die typischen Symptome zeigen. So hat eine Frau im kalifornischen Disneyland 42 Menschen infiziert. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, dass sie erkrankt war. Erst etwa zehn Tage nach der Ansteckung bricht die Krankheit aus. Es beginnt mit hohem Fieber, Husten und einer laufenden Nase. Oftmals kommt es zu geröteten, tränenden Augen. Bis zu dieser Symptomatik lassen sich Masern ausschließlich durch die sogenannten Koplik-Flecken (weiße Flecken mit rotem Rand) an der Mundschleimhaut identifizieren. Erst zwei bis drei Tage später entwickelt sich der maserntypische Hautausschlag. Er beginnt an Gesicht und dem Hals und erstreckt sich in den folgenden Tagen über die Hände bis zu den Füßen. Nach fünf bis sechs Tagen erholt sich die Haut in der Regel und die Beschwerden gehen zurück. Es gibt keine Medikamente speziell zur Behandlung von Masern. Erkrankte müssen das Bett hüten und können je nach Krankheitsverlauf individuell behandelt werden. Das sind Medikamente zum Fieber senken oder gegen den Husten. Ist die Infektion sehr stark, kommen Antibiotika zum Einsatz. Wer einmal die Masern hatte ist für den Rest seines Lebens immun.

Verläuft die Erkrankung ungünstig, kann es zu schweren Komplikationen wie einer Lungen- oder Gehirnentzündung kommen. Etwa 15 Prozent bekommen eine Mittelohrentzündung, die Lungenentzündung trifft 10 Prozent und eines von 1.000 Kindern die gefürchtete Hirnhautentzündung. Gefährdet sind vor allem Erwachsene nach dem 20. Lebensjahr und Kinder unter fünf Jahren. Selbst geimpfte Menschen können erkranken. Nach der ersten Impfung beträgt der Schutz etwa 91 Prozent. Nach der zweiten Impfung 92 bis 99 Prozent. Also rund acht von hundert geimpften Menschen erkranken an den Masern, doch verläuft die Erkrankung abgeschwächt.

Die erste Impfung sollte nach der Empfehlung des Robert-Koch-Institut zwischen dem 11. und 14. Monat erfolgen, die Zweite zwischen dem 15. Und 23. Monat. Wer als Kind beide MMR-Impfungen, eine Kombi-Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln, bekommen hat, ist für den Rest seines Lebens immun. Eine Auffrischung ist nicht nötig. Hatte ein nicht geimpftes Kind Kontakt mit einem an Masern erkrankten, empfehlen die Behörden eine Postexpositionsprophylaxe. Das betroffene Kind sollte innerhalb von drei Tagen gegen die Masern geimpft werden, um den Ausbruch der Krankheit wirksam zu unterdrücken.

Neugeborene Babys und gestillte Babys verfügen über den sogenannten Nestschutz, sofern die Mutter geimpft ist oder einmal die Masern hatte. Beim Nestschutz hat die Mutter Antikörper über die Plazenta abgegeben und gibt sie zudem beim Stillen über die Milch ab. Der Schutz ist allerdings nicht ausreichend, weshalb bei Säuglingen besonders darauf geachtet werden sollte, keinen Kontakt zu infizierten zu haben. Wer sich nicht sicher ist, ob er als Kind die Masern durchgemacht hat oder geimpft ist, kann dies mit einem Bluttest herausfinden lassen. Das Robert-Koch-Institut rät allerdings davon ab, da es immer wieder zu fehlerhaften Befunden kommt. Auf Nummer sicher geht, wer sich im Zweifel impfen lässt, denn man könne sich nicht „überimpfen“.

Die Masern durchmachen sollte nach offiziellen Empfehlungen kein Kind. Die These, dass durch Erkrankung das Immunsystem gestärkt wird und dies besser wäre als sie zu impfen, kann wissenschaftlich nicht belegt werden. Die Erreger, gegen die geimpft wird, sind gefährlich für das Immunsystem und der Körper muss Höchstleistungen erbringen, um sie zu besiegen. Es besteht die Gefahr, dass durch eine Erkrankung Kinder in ihrer Entwicklung zurückgeworfen oder Komplikationen ausgelöst werden. Im schlimmsten Fall verstirbt das Kind.

Eine Erkrankung durchzumachen, um das Immunsystem zu trainieren ist der falsche Ansatz. Genau dafür, nämlich das Immunsystem zu trainieren, sind die Impfungen da. Beim Impfen werden abgeschwächte oder Bruchstücke des Erregers verabreicht und das Immunsystem baut daraufhin Antikörper und Gedächtniszellen auf, ohne dass der Körper mit dem Erreger massiv zu kämpfen hat, wie bei einer Erkrankung. Auch langweilt sich das Immunsystem nicht, nur weil durch eine MMR-Impfung die Erkrankungen ausbleiben. „Schutzimpfungen richten sich gegen rund ein Dutzend besonders notorischer und gefährlicher Erreger – mit Hunderten weiteren Erregern muss sich das Immunsystem täglich auseinandersetzen“, schreibt das Robert-Koch-Institut.

Kind-Hautausschlag-MasernDie Behauptung, dass mehr geimpfte als nicht geimpfte an den Masern erkranken, ist nach offiziellen Angaben ebenfalls falsch. Laut dem Robert-Koch-Institut waren 85 Prozent der erkrankten 2013 nicht geimpft. Ähnliche Zahlen veröffentlichte auch die US-Seuchenbehörde CDC. Von 110 an Masern erkrankten Kaliforniern war bei 47 Personen der Impfstatus zwar unbekannt. Doch von den restlichen waren 49 Personen nicht geimpft, fünf waren einmal geimpft, sieben hatten zwei Impfungen und einer gar drei Impfungen.

Auch die Pharmaindustrie mit ihrem Profitstreben wird oft als Argument gegen das Impfen vorgebracht. Als Wirtschaftsunternehmen wollen die Pharmaunternehmen natürlich Geld verdienen. Bei einer Massenimpfung beziehungsweise Impfpflicht geht es primär nicht um Profite, sondern um die Ausrottung des Virus. Wenn 95 Prozent der Bevölkerung geimpft ist, dann hat das Virus keine Chance sich zu verbreiten. Am Beispiel Pocken ist das gut zu erkennen. Die Weltgesundheitsorganisation hatte 1967 eine weltweite Impfpflicht gegen die Pockenviren erlassen. 1972 gab es den letzten Fall einer Pockenerkrankung in Deutschland. 1976 wurde die Impfpflicht aufgehoben und seit 1979 gelten die Pocken als ausgerottet.

Impfgegner sehen Impfungen als solche für gefährlich. Zusatzstoffe wie Quecksilber oder Aluminium werden Impfstoffen beigesetzt. Aluminiumhydroxid dient dazu die Immunantwort zu verstärken und Formaldehyd hilft Impfviren abzutöten. Laut Robert-Koch-Institut sind die beigefügten Mengen jedoch so gering, dass hiervon keine Gesundheitsgefahr ausgeht. Im MMR-Impfstoff sind weder Aluminium noch Formaldehyd enthalten, genauso wenig wie die Quecksilberverbindung Thiomersal. Diese wurde Impfstoffen als Konservierungsmittel zugesetzt, doch nach einer hitzigen Diskussion über vermeintliche Nebenwirkungen reagierte die Pharmaindustrie. Alle empfohlenen Schutzimpfungen sind frei von Thiomersal.

Trotzdem kann es zu Komplikationen und Nebenwirkungen nach einer Impfung kommen. Die Einstichstelle wird bei etwa jedem 20. innerhalb ein bis drei Tage rötlich, kann schmerzen und dick werden. Rund 15 Prozent bekommen eine erhöhte Körpertemperatur, bei einigen schwellen die Lymphknoten an und es kann zu Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und Mattigkeit kommen. Zwei Prozent erkranken an einer abgeschwächten Form der Masern, die mit Fieber und einem schwachen Hautausschlag einhergeht. Die sogenannten Impfmasern sind jedoch nicht ansteckend.

Schwerwiegende Komplikationen und Nebenwirkungen sind selten, aber es gibt sie. Nach Angaben des European Centre for Disease Prevention and Control sterben ein bis drei von 1.000 an Masern erkrankten Kindern. Bei 16 Millionen Impfstoffdosen zwischen 1990 und 1999 kam es zu sieben ernsthaften Komplikationen. Die Betroffenen von Nebenwirkungen einer Impfung litten unter anderem unter einer Hirnhautentzündung, einen fortschreitenden Hirnabbauprozess und einer Halbseitenlähmung mit Gangstörung. Da die aber extrem seltene Ausnahmen sind, stufen die Behörden die potenziellen Nebenwirkungen einer Impfung im Verhältnis zu einer Erkrankung mit schwerwiegenden Folgen als die bessere Lösung ein.

Die MMR-Impfung stand auch lange im Verdacht Autismus auszulösen. Dies ist auf die 1998 veröffentlichte Studie des britischen Arztes Andrew Wakefield zurückzuführen. Mittlerweile wurde die Studie zurückgezogen, da nicht nur die Schlussfolgerung falsch war, sondern Dr. Wakefield unethische Forschungsmethoden angewendet hatte. Das Zurücknehmen erfolgte nach einer Untersuchung des General Medical Council, der britischen Ärztekammer, welche dies mit „unethischen Forschungsmethoden“ und einen „gefühllosen“ Umgang mit Kindern“ begründete. Die Ergebnisse seien „unehrlich“ und „unverantwortlich“ dargestellt, sowie mehrere Elemente der Studie „unrichtig“. Zudem hat der Arzt verschleiert, dass er das Patent auf einen alternativen MMR-Impfstoff hielt.

Die Studie wurde damals im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlicht. Erst zwölf Jahre später wurde sie zurückgezogen, doch der Schaden war bereits angerichtet. Die Studie besagte, dass die Dreifachimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfung) zu Autismus führe. Untersucht wurden zwölf britische Kinder. Das Forscherteam um Andrew Wakefield konnte bei acht der Kinder das autistische Verhalten unmittelbar mit der MMR-Impfung in Verbindung bringen. Durch die Medien befeuert, lehnten immer mehr Eltern die Impfung ihrer Kinder ab. Die Impfraten sanken von 92 Prozent auf ein Rekordtief von 79 Prozent ab. 2006 starb in Großbritannien ein Kind, genau wie diesen Februar in Berlin, an den Folgen der Masern. Es war in Großbritannien das erste Todesopfer durch die Masern nach 14 Jahren. Die ganze damalige Situation ist zurückzuführen auf die Auswirkungen der Studie und der durch die Medien verursachten Hysterie.

Obwohl sich bereits 2004 zehn der dreizehn Studienautoren von den Schlussfolgerungen des Wakefield-Artikels im „The Lancet“ distanzierten, änderte sich nichts an der Angst und dem Impfverhalten der Briten. Auch, dass die „Sunday Times“ brisante Details um Dr. Wakefield veröffentlichte, änderte nichts. So fand der Journalist Brian Deer heraus, dass Ärzte und Wissenschaftler, die gegen den MMR-Impfstoff argumentierten, etwa 3,5 Millionen Pfund für Beratertätigkeiten, Gutachten und Forschungsaufträge erhielten. Dr. Wakefield selbst soll allein 500.000 Pfund erhalten haben und auch der Gutachter, der den Artikel für „The Lancet“ prüfte, wurde mit 40.000 Pfund „entlohnt“. Außerdem seien fünf der acht Kinder der Studie gleichzeitig Klienten der Anwaltskanzlei gewesen, die eine Schadensersatzklage gegen den Hersteller der MMR-Impfung anstrebte. Dr. Wakefield und Anwalt Richard Barr haben die nötigen Gelder bei der staatlichen Einrichtung Legal Aid, die mittellosen Engländern hilft, beantragt, noch bevor Dr. Wakefield den Ethikantrag für die Studie einreichte. Heute belegen mehrere Studien, dass es keinen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und Autismus gibt. Der Schaden durch die Wakefield-Studie war, oder ist teils heute noch, groß. Noch heute wird die Studie von Impfgegnern als Argument genutzt. Impfen ganz im Allgemeinen, ob Masern oder Schweinegrippe, wird weiterhin ein kontroverses Thema bleiben. Eine Impfpflicht seitens des Gesetzgebers ist allerdings der falsche Weg. Die Entscheidung soll und muss jeder für sich und seine Kinder selber treffen.

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