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Luftverschmutzung in Europa ist bis zu 27 Mal schädlicher als in China

NewsLuftverschmutzung in Europa ist bis zu 27 Mal schädlicher als in China

Dass in chinesischen Großstädten die Luftverschmutzung gewaltige Ausmaße hat, ist allgemein bekannt. Jetzt zeigen neue Studien, dass die Luftverschmutzung in europäischen Ländern bis zu 27 Mal schädlicher für die Gesundheit sein soll als in China. Wie gefährlich ist die Luftverschmutzung in Europa und Deutschland wirklich? 

In der bis dato größten epidemiologischen Studie zu dieser Thematik unter der Leitung von Seniorautor Maigeng Zhou vom National Center for Chronic and Non-communicable Disease Control and Prevention, stellte sich heraus, das, die durch Feinstaub verursachte Luftverschmutzung in 272 Städten Chinas weiter zunimmt und vermehrt Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen bedingte Todesfälle verursacht.

„Ein neues Überwachungsnetzwerk hat uns ermöglicht, eine landesweite Studie durchzuführen, um die kurzfristigen Zusammenhänge zwischen PM 2,5 und der täglichen ursachenspezifischen Mortalität in China zu untersuchen“, so Zhou. Das Ergebnis ist erschreckend, die durchschnittliche jährliche Belastung der chinesischen Städte lag bei 56 Mikrogramm pro Kubikmeter (mg/m3) und überschreitet damit deutlich die von der WHO festgelegten Richtlinie von 10 Gramm pro Kubikmeter.

Jede weitere Zunahme von 10 Gramm pro Kubikmeter in der Luft steht im Zusammenhang einer Steigerung von 0,29 Prozent Erhöhung der Sterbefälle durch Atemwegserkrankungen und einer Steigerung um 0,38 Prozent bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD).

Jährlich sterben in China weit über eine Millionen Menschen an den gesundheitlichen Folgen der massiven Luftverschmutzung. Somit ist China trauriger Spitzenreiter im von der WHO veröffentlichten weltweiten Vergleich der Todesopfer durch Luftverschmutzung, dicht gefolgt von Indien. Weltweit steigt die Anzahl der Todesopfer zunehmend. In einem Bericht der WHO aus dem Jahre 2012 waren es drei Millionen Menschen weltweit. 2015 veröffentlichte das Health Effects Institute (HEI) ein Bericht in dem über 4,2 Millionen Todesopfer zu verzeichnen sind, davon allein 2,2 Millionen in China und Indien.

Ein von Smog bedeckter Himmel und Bürger die mit Atemschutzmasken durch die Straßen laufen gehören zum täglichen Alltagsbild in Chinas Großstädten. Zhou erklärt, das, aus den Dürreregionen große Mengen natürlichen Staubs in die die Städte geblasen werde und somit die Luftverschmutzung Chinas zum größten Teil aus natürlichen Quellen stammt. Großmetropolen wie Peking, Schanghai und Hongkong leiden zudem auch an industriell bedingter Luftverschmutzung. In Europa hingegen entsteht die Luftverschmutzung hauptsächlich aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Daher können die gesundheitlichen Folgen in Europa bis zu 27 Mal höher ausfallen.

Frank Kelly, Forscher am King’s College in London ist ebenfalls derselben Meinung wie Zhou. Diese Erkenntnis wird noch von der Tatsache untermauert, dass die Mortalität durch Feinstaub in Europa und Nord-Amerika viel schneller ansteigt als in China. Kelly erklärt „dass die (niedrigere Sterberate) möglicherweise eher in den Städten zu finden ist, in denen weder Kraftwerk noch große Verkehrsstaus vorherrschen“ und das natürliche als auch industrielle Luftverschmutzung der Gesund schadet. Doch sei industrieller Smog schädlicher, da er häufiger mit Schwermetallen oder Chemikalien belastet ist.

Laut EU-Kommission verstoßen mehr als 130 Städte in 23 EU-Mitgliedsstaaten gegen europäische Gesetze zur Luftreinhaltung und erklärt, dass die Kommission „sich auch weiterhin um die Geschwindigkeit (sorgt), mit der die Mitgliedsstaaten die Grenzwerte der EU-Rechtsetzung erreicht haben“. Verunreinigte Luft ist die häufigste umweltbezogene Ursache für frühzeitiges Ableben in Europa.

Zudem wird die Luftqualitätsrichtlinie von 2008 derzeit überprüft. Diese schreibt den EU-Mitgliedsstaaten vor, eine 20 prozentige Reduktion der Feinstaubbelastung bis 2020 zum Vergleich der Werte aus dem Jahre 2010 zu erreichen. Zusätzlich sind die Staaten verpflichtet die Richtlinie über nationale Emissionshöchstgrenzen einzuhalten. Maximalwerte bestimmter Emissionen wie u.a. Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM) sind darin festgelegt. EU-Parlament und Rat bearbeiten derzeit die überarbeitete Fassung der Luftqualitätsrichtlinie.

68.000 vorzeitige Todesfälle wurden 2013 aufgrund durch Stickstoffdioxid verzeichnet, welches vor allem durch den Verkehr entsteht. Weitere 16.000 Todesfälle aufgrund von zu hohen Ozonwerten und 436.000 aufgrund der PM2.5 Feinstaubbelastung. Die EU-Kommission legte in den letzten beiden Jahren rechtliche Schritte gegen zwölf Mitgliedsstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Tschechien und Ungarn) wegen Verstöße gegen die Luftqualitätsstandards für Stickstoffdioxid (NO2) ein.

Maria Krautzberger, Chefin des Umweltbundesamt (UBA), sieht Dieselfahrzeuge als Hauptverursacher der Grenzwertüberschreitungen an verkehrsnahen Messstationen. An 57 Prozent dieser Messpunkte wurde im Jahresmittel der europaweit geltende Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten. „Schuld sind in den Städten vor allem alte Diesel-Autos“, so Krautzberger und Befürworterin der Blauen Plakette „Es kann aus Sicht des Gesundheitsschutzes nicht akzeptiert werden, dass die Kommunen keine Handhabe haben, um beispielsweise Dieselautos mit hohem Ausstoß aus den belasteten Innenstädten auszuschließen“.

Nichtregierungsorganisation klagen gegen die Bundesregierung wegen Luftverschmutzung. Dabei sind nicht etwa die Klagen wegen dem Städte-Smog gemeint, der von Dieselfahrzeugen verursacht wird. Hier geht es um einen wesentlich weniger bekannten Aspekt der allgemeinen Luftverschmutzung. Die bei der Landwirtschaft entstehenden gefährlichen Schadstoffe tragen ebenfalls zur Bildung von Feinstaub bei. Aufgrund der intensiven Landwirtschaft werden seit Jahren die Grenzwerte für den Ammoniakausstoß überschritten. Der seit 2010 geltende Grenzwert für Ammoniak in der Luft von 550 Kilotonnen wurde in Deutschland in den vergangenen sechs Jahren durchgehend um 17 bis 22 Prozent überschritten. Laut dem Umweltbundesamt (UBA) waren es 2014 insgesamt 740 Kilotonnen.

Die klagenden NGO´s sind der Meinung, dasd die Bundesregierung zu wenig gegen die Luftverschmutzung unternimmt und wollen die Regierung dazu drängen, härter gegen die Landwirtschaft vorzugehen, da diese der größte Verursacher von Ammoniak-Belastung ist. Dabei ist ein bestimmter Zweig der Landwirtschaft der Hauptverursacher. Das Umweltbundesamt erklärt dazu: „Ammoniak (NH3) entsteht vornehmlich durch Tierhaltung und in geringerem Maße durch die Düngemittelverwendung sowie Lagerung und Ausbringung von Gärresten der Biogasproduktion in der Landwirtschaft“.

Laut der Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) führt allein in Deutschland die Luftverschmutzung zu 47.000 Todesfällen pro Jahr. „Feinstaub, Stickstoffdioxid und bodennahes Ozon werden derzeit allgemein als die drei Schadstoffe betrachtet, die unsere Gesundheit am meisten gefährden“, so die Europäische Umweltagentur. „Eine Langzeit- oder Akutbelastung kann zu unterschiedlich schwerwiegenden Gesundheitsschäden führen, diese reichen von Atemwegserkrankungen bis zum vorzeitigen Tod.“

Die DUH fordert „effektive und kostengünstige Maßnahmen zur Reduktion von Ammoniakemissionen wie die Abdeckung des Düngers bei der Lagerung sowie Verbesserungen bei der Gülleausbringung“. Von Seiten der Bundesregierung gab es bisher keine Äußerung zu den Klagen. „Die Landwirtschaft muss ihre Rolle bei der Reduzierung der Luftverschmutzung ernst nehmen. Landwirtschaftliche Emissionen tragen zu den jährlich hunderttausenden vorzeitigen Todesfällen in der EU bei. In vielen Ländern wird der Landwirtschaftssektor von den Regierungen bevorzugt behandelt“, erklärt der Rechtsanwalt von ClientEarth, Ugo Taddei. „Die deutsche Regierung ist hier wieder mal ein schlechtes Beispiel“. Das Umweltministerium erklärt hierzu: „Die Reduzierung der Ammoniak-Emissionen will die Bundesregierung durch die weitere konsequente Umsetzung des Programms zur Senkung der Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft erreichen.“

Vielerorts in Europa haben Menschen mit zu hoher Luftverschmutzung zu kämpfen. Im Schweizer Kanton Tessin kam es am Ende letzten Monats zum Smog-Alarm und es trat ein Verbot für alte Dieselfahrzeuge in Kraft. Ältere Dieselmodelle dürfen auf den Kantons- und Gemeindestraßen nicht mehr fahren. Über gewisse Autobahnen wurde ein Tempolimit von 80 Km/h verordnet. Zudem darf in öffentlichen Gebäuden des Kantons im Sottoceneri nicht über 20 Grad geheizt werden, wenn diese durch Feststoffe wie Holz, Pellets oder gar Öl beheizt werden.

Auch in der griechischen Hauptstadt kam es zum Smog-Alarm. Aufgrund der herrschenden Inversionswetterlage, bei der sich kalte Luftschichten oberhalb wärmere Schichten schieben und die warme Luft sozusagen am Aufsteigen hindert, stauen sich auch die Emissionen. Daher hat das griechische Umweltministerium, wie so oft in den letzten Jahren, die Bevölkerung gebeten auf die Nutzung von Holzöfen, Kamine und Heizungen mit Biomasse zu verzichten
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Seit Jahrzehnten kämpft auch die italienische Stadt Mailand gegen die Luftverschmutzung. Leider mit geringerem Erfolg als es die EU voraussetzt und ist somit in Gefahr sich hohe EU-Strafen einzuhandeln. Die EU schreibt vor, dass an nicht mehr als 35 Tagen im Jahr die Grenzwerte für Feinstaub überschritten werden dürfen. Bis Mitte Februar wurden in Mailand schon an 30 Tagen die Grenzwerte überschritten.

„Die Ziele, die Europa steckt, sind für uns schwer zu erreichen, zumindest in der vorgegebenen Zeit. Wir haben Emissionen pro Kopf, die in etwa auf dem Niveau der fortschrittlichsten Länder sind, aber trotzdem überschreiten wir die Ziele um das Doppelte“, erklärt der Verantwortliche für den Bereich Luftqualität bei der ARPA, der Umweltbehörde der Region Lombardei, Guido Lanzani. Zudem sei Mailand aufgrund der geographischen Lage benachteiligt, da die Alpen den Luftaustausch blockieren, was von der EU nicht berücksichtigt würde. Zusätzlich mangelt es an Nahverkehrsverbindungen im Umland der Stadt, so das täglich über 800.000 Menschen mit ihren Autos in die Stadt fahren.

Der Umwelt-Assessor von Mailand, Marco Granelli, ist der Meinung, dass die Politik das Thema in der Vergangenheit verschlafen hat und das Mailand durchaus in der Lage sei mit ein wenig Zeit die Vorgaben der EU zu erfüllen. Er plant Low-Emission-Zonen einzurichten. „Ich glaube, wir können das schaffen. Vor 14 Jahren haben wir die Werte noch an 166 Tagen überschritten, jetzt sind wir bei 73 Tagen. Ich denke, dass wir das in fünf Jahren noch einmal halbieren können. Man braucht Zielstrebigkeit, was die Maßnahmen angeht, und wir müssen zusammen arbeiten“, fordert Granelli.

Präsidentin der Umweltschutzorganisation Legambiente in der Lombardei, Barbara Meggetto, befürwortet den Druck von der EU: „Europa hat recht. Wir sagen immer, zum Glück zwingt uns Europa zu einer sorgfältigeren Politik, was das Wohl der Bürger angeht. Wir haben unsere Politiker schon seit langem aufgefordert, etwas zu tun, denn wir sind in einem Kessel, wir können nicht darauf warten, dass es regnet. Wir brauchen eine Politik, die diesen unnatürlichen Bedingungen Grenzen setzt.“ Jährlich sterben in Italien fast 90.000 Menschen vorzeitig an den Folgen der Luftverschmutzung.

Auch im Osten Europas sieht es düster aus. Studien haben ergeben, dass die Luftverschmutzung in Warschau eine toxische Belastung hat, die vergleichbar mit dem Rauchen von 1.000 Zigaretten im Jahr ist, was in etwa einer halben Schachtel Zigaretten pro Tag entspricht. In Krakau sei die Belastung vergleichbar mit 4.000 Zigaretten jährlich. Enorme Werte im Vergleich zu einer Riesenmetropole wie New York wo es auf Jahresbasis gerade mal 275 Zigaretten wären. Jährlich sterben alleine in Polen 50.000 Menschen vorzeitig an den gesundheitlichen Folgen der Luftverschmutzung.

Asthmaanfälle, Kopfschmerzen, Schwindel, Lungenkrebs, Herz-Kreislauf Erkrankungen, unterentwickelte Atemwege bei Kindern, COPD, sind nur einige gesundheitliche Folgen der Luftverschmutzung. Die durch die Atemwege aufgenommenen Partikel und Toxine gehen ins Blut über und verteilen sich im gesamten Körper. Jedes Organ und Körperteil ist davon betroffen.

Eine Langzeitstudie in den USA über den Zeitraum 1999 bis 2010 ergab, dass Luftverschmutzung auch Ursache für Demenz, Alzheimer und kognitive Einschränkung ist. Seit den später 90ern wurden Frauen im Lebensalter von 65 bis 79 Jahren untersucht und begleitet. Innerhalb der Studie wurde neben dem Lebensverhalten der Teilnehmerinnen (rauchen, Sportlichkeit, Essgewohnheiten, Diabetes, body mass index) auch die geografische Lage und die damit verbundene Luftverschmutzung untersucht. In den Regionen mit höherem feinstaubbedingtem Smog lag die Demenzrate 92 Prozent und die Einschränkung kognitiver Fähigkeiten bei 81 Prozent höher.

Weltweit steigen die Todesopfer exponentiell, obwohl seit Jahrzehnten die Problematik bekannt ist. Während sich scheinbar nur sehr wenig ändert, versucht die chinesische Regierung unter anderem auch unkonventionelle Mittel im Kampf gegen die Luftverschmutzung. Peking plant 70.000 Taxen gegen Elektrofahrzeuge auszutauschen und ein Pilotprojekt senkrechter Wälder. Ziel ist es Hochhäuser an der Außenfassade mit Bäumen zu begrünen um die Luftqualität zu verbessern. Von staatlichen Subventionen für Taxi-Fahrer von Elektro-Autos oder durch Strom angetriebene Busse im Nahverkehr sowie andere Aspekte von fortschrittlicher Technik ist seitens der Bundesregierung kaum etwas zu vernehmen. Hierzulande wird über Sinn und Unsinn einer Blauen Plakette diskutiert. Verbote für Bürger sind wohl einfacher als die Förderung zukunftsorientierter Lösungen für Landwirtschaft und Industrie.

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