Hamburg wächst schneller als angenommen. Schon in 10 Jahren könnte die Hansestadt unter Wassermangel leiden. Die Versorgungssicherheit ist bedroht. Für 2035 sieht die Lage noch kritischer aus. Etliche Faktoren erhöhen das Risiko und neue Standorte für Brunnen fehlen.
Die Hansestadt Hamburg bezieht ihr Trinkwasser ausschließlich aus Grundwasser. Daher wird dem Schutz der Grundwasserreserven und ein nachhaltiges Wassermanagement eine hohe Bedeutung beigemessen.
Trinkwasser aus der Elbe zu gewinnen ist auch zukünftig für Hamburg keine Alternative. Das Trinkwasser in Hamburg wird ausschließlich aus Grundwasser gewonnen, sodass dem Schutz und der nachhaltigen Bewirtschaftung des Grundwassers eine wesentliche Bedeutung zukommt. Trotz gutem Wassermanagement droht Hamburg in wenigen Jahren schon ein Engpass. Was sonst nur aus Ländern mit viel Sonne und wenig Niederschlag bekannt ist, droht nun auch der Metropole an der Elbe. Das geht aus dem „Statusbericht zur Trinkwasserversorgung“ hervor, den der Hamburger Senat kürzlich veröffentlichte. Damit auch zukünftig die Trinkwasserversorgung sichergestellt werden kann, werden selbst unkonventionelle Maßnahmen ins Auge gefasst.
Eine Ausnahme gibt es. Wasser aus der Elbe als Trinkwasser aufzubereiten, kommt für die Hansestadt weiterhin nicht in Frage. „Die Entnahme von Elbwasser zur Trinkwassergewinnung stellt nach wie vor keine gleichwertige Alternative zur Grundwassernutzung dar. Die Nutzung von Elbwasser für diese Zwecke ist in den 1960er Jahren wegen der starken Belastung mit Schadstoffen eingestellt worden. Zwar hat sich seitdem die Wasserqualität der Elbe wesentlich verbessert; dennoch sieht Hamburg bei der Nutzung von Oberflächenwasser zur Trinkwassergewinnung weiterhin erhebliche qualitative Risiken. Nach Untersuchungen der Flussgebietsgemeinschaft Elbe werden nach wie vor signifikante Belastungen des Wassers und Sediments nachgewiesen. Die Aufbereitung zu Trinkwasser entsprechend den Qualitätskriterien der Trinkwasserverordnung könnte daher nur durch eine aufwändige Wasseraufbereitung erreicht werden. Im Übrigen wäre die Versorgungssicherheit infolge möglicher Havarien, Hochwasserereignisse und Sturmfluten stark gefährdet“ ist dem Bericht zu entnehmen.
Im letzten Jahr lag der errechnete Bedarf bei 133,02 Milliarden Litern. Durch das Versorgungsnetz flossen 132 Milliarden Liter und tatsächlich verbraucht wurden 120 Milliarden Liter. Weil Hamburg einen schnelleren Bevölkerungszuwachs aufweist als prognostiziert, würden 2025 etwa 133,48 Milliarden Liter Trinkwasser gebraucht. Dies wären 1,5 Milliarden Liter mehr als gefördert werden können. Das Trinkwasserangebot in der Hansestadt könnte bis 2045 lediglich „knapp gewährleistet sein“. Aber auch nur, wenn alles optimal läuft. Der Statusbericht zeigt auch einige Risikofaktoren auf, welche die Versorgungssituation schlagartig ändern könnten. Dazu zählen:
Erhöhung des Trinkwasserbedarfs durch Bevölkerungszuwachs
Einschränkung der Grundwasserentnahme in der Nordheide (Niedersachsen)
Grundwasserbelastungen durch Altlasten
Fortschreitende Grundwasserversalzung
Einflüsse durch Klimaveränderung
Aufsuchung und Gewinnung von Öl und Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten („Fracking“)
Zunahme diffuser Schadstoffeinträge in das Grundwasser
Die Zunahme von Schadstoffen ist bundesweit zu beobachten. Dazu führt der Bericht an: „Zur Überwachung der Grundwasserbeschaffenheit werden von der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) und der Hamburger Wasserwerke GmbH Grundwassermessnetze betrieben. Bei den regelmäßig durchgeführten Beprobungen geraten neben den seit Jahrzehnten aus Schadensfällen und Altlasten bekannten Indikatoren für Grundwasserbelastungen, wie z.B. leichtflüchtige Chlorkohlenwasserstoffe (CKW), aromatische Kohlenwasserstoffe, Mineralölkohlenwasserstoffe, in den letzten Jahren zunehmend weitere Stoffgruppen in den Fokus. Dazu gehören insbesondere Arzneimittelwirkstoffe und Pflanzenschutzmittel (PSM) sowie deren jeweilige Abbauprodukte. Diese Stoffe können auch bei bestimmungsgemäßer Anwendung über verschiedenste Eintragspfade (Abwasser, Verkehr, Landwirtschaft, Haushalt, Baustoffe usw.) in den Wasserkreislauf gelangen. Durch verbesserte Analysenmethoden und niedrigere Nachweisgrenzen ist das Auftreten dieser Stoffe im Grundwasser inzwischen nachweisbar. Im Jahre 2011 wurden beispielsweise bei den durch HWW untersuchten rund 650 Messstellen und Brunnen bei mehr als einem Drittel Stoffeinträge mit einer entsprechenden anthropogenen Herkunft nachgewiesen.“
Die heftig kritisierte Gasförderung durch Fracking wird im Statusbericht ebenfalls als risikoreich eingestuft. „Befürchtet wird, dass die bei dieser Technologie eingesetzten Fracking-Fluide (aber auch das Anfallende Lagerstättenwasser) im Falle eines Schadenseintritts zu irreparablen, nachteiligen Auswirkungen auf die für die Trinkwasserversorgung genutzten Grundwasservorkommen führen können. Als besonders risikoreich gelten beim Einsatz dieser Technik sowohl die technischen Wirkungspfade, z.B. durch mangelhafte und/oder nicht dauerhafte Bohrlochabdichtungen oder durch Korrosion der Verrohrung, als auch die geologischen Wirkungspfade, z.B. durch tektonische Störungen. Auf beiden Wegen sind Einträge von Fluiden und Lagerstättenwasser ins Grundwasser und damit nachteilige Veränderungen der Grundwasserbeschaffenheit möglich. Die aktuell zur Verfügung stehenden Gutachten zeigen im Übrigen, dass die mit diesem Gewinnungsverfahren verbundenen geologisch/technischen Risiken zurzeit noch nicht hinreichend beurteilt werden können.“
Die Hamburger Wasserbetriebe verfügen derzeit über 16 Wasserwerke. Vier davon sind nicht innerhalb der Stadtgrenzen, sondern drei in befinden sich in Schleswig-Holstein, eines in Niedersachsen in Hanstedt in der Nordheide. Das Wasserwerk in der Nordheide könnte wegfallen, denn seit Jahren wird um die Fördererlaubnis gerungen. Seit 2004 ist die Bewilligung abgelaufen und die Hamburg Wasser bemüht sich seitdem um eine Verlängerung. Solange keine Entscheidung getroffen ist, darf weiterhin Wasser gefördert werden. Allerdings dürfen seit 2004 nur noch 75 Prozent der Menge gefördert werden. Mit einer abschließenden Entscheidung des Bewilligungsverfahrens ist nicht vor Ende des Jahres zu rechnen. Für Hamburg ist dies ein großer Risikofaktor, denn aus Niedersachsen kommen 15,7 Milliarden Liter, die nicht kompensiert werden könnten, würden sie wegfallen. Es wären „Einschränkungen der Versorgungssicherheit nicht auszuschließen“, laut Statusbericht.
Der Bevölkerungszuwachs wurde auch unterschätzt. Hamburg wächst rasanter, als noch vor Jahren angenommen. Zwar sind die Deutschen sehr effektive Wassersparer, doch der tägliche pro Kopf Verbrauch ist von 106 Litern am Tag in 2007 leicht angestiegen auf 110 Liter pro Hamburger Bürger. In den vergangen Jahrzehnten hat sich der tägliche Verbrauch aufgrund moderner Armaturen, Bäder und Haushaltsgeräte stark reduziert. In den 80er Jahren lag der pro Kopf Verbrauch noch bei 151 Litern am Tag. Ein Grund für den Anstieg in den letzten Jahren wird in der steigenden Zahl der Single-Haushalte vermutet. Diese scheinen Wasch- und Spülmaschinen weniger effizient als Familienhaushalte zu nutzen.
Ein weiteres Problem ist die Versalzung des Grundwassers. Als „geogen gefährdet“ werden die Wasserwerke in Langenhorn und Schnelsen bezeichnet. Die Wasserwerke können 1,8 Milliarden Liter fördern. Sie stehen zwar derzeit noch zur Verfügung, sind aber primär zur kurz- und mittelfristigen Abdeckung von Bedarfsspitzen vorgesehen.
Gesucht werden neue Standorte für Brunnen, doch diese sind in der dicht besiedelten Hansestadt eine Rarität. Bestehende Brunnengrundstücke bieten „flächenmäßig nicht mehr den erforderlichen Spielraum für einen Brunnenneubau“ und die Beschaffung von neuen Flächen für Trinkwasserbrunnen gestalte sich „in den letzten Jahren in einigen Gewinnungsgebieten zunehmend schwieriger“.
Ein neuer Brunnen für das Wasserwerk Walddörfer wird aktuell gerade errichtet. Für das Werk in Volksdorf liefern insgesamt 21 Brunnen das Grundwasser. Brunnen 15 droht jedoch schon bald unbrauchbar zu werden. „Das ist ein normaler Alterungsprozess beim Brunnenbetrieb“, erklärt Stefan Benzinger, Betriebsleiter der Wasserwerke Nord und zuständig für die Wasserwerke Walddörfer, Langenhorn, Großensee und Großhansdorf. Brunnen werden unbrauchbar, wenn etwa Sedimentablagerungen den Wasserfluss zu den Pumpen hin erschweren. Auch eine zu lange und zu intensive Nutzung der Grundwasserressourcen hat folgen, denn dadurch versalzt das Grundwasser. Des Weiteren spielen geogene Veränderungen des Bodens eine Rolle, die ebenfalls zur Versalzung führen kann und eine Verlagerung der Brunnen erfordern.
In den nächsten Jahren will Hamburg 15 der aktuell 475 Brunnen in den nächsten fünf Jahren durch neue ersetzen. Weiter fünf Brunnen sollen regeneriert werden. Aktuell wird neben der ersten Baustelle im Werk Walddörfer der Neubau eines zweiten Brunnens geplant. „Wir versuchen unsere Brunnen in Tiefen zu bauen, wo die Bodenzusammensetzung den höchsten Wasserfluss erwarten lässt und das Grundwasser eine gute Qualität hat“, erklärt Lars Kosyna, Projektleiter bei Consulaqua, einer Tochter von Hamburg Wasser. Die Brunnentiefen sind in Hamburg sehr unterschiedlich. Der neue Brunnen in den Walddörfern wird eine Tiefe von 260 Metern haben. Die tiefsten Brunnen liegen bei 430 Metern und die niedrigsten bei 20 Metern.
Damit die drohende Wasserknappheit in den nächsten Jahrzehnten verhindert werden kann, scheut Hamburg auch vor unkonventionellen Maßnahmen nicht zurück. Bereits öffentlich genutzte Flächen wie Schulgrundstücke, Spielplätze, Parks und Krankenhäuser rücken in den Fokus als Brunnenflächen. Unternehmenssprecher von Hamburg Wasser Ole Braukmann kündigte sogar an, Privateigentümer von Grundstücken anzufragen, ob dort Brunnen errichtet werden dürfen. „Die Flächen in Hamburg sind begrenzt. Privatgelände könnten deshalb eine gute Möglichkeit sein, das Grundwasser anzuzapfen. Bei der Suche nach geeigneten Brunnengrundstücken suchen wir verstärkt den Dialog mit privaten Flächeneignern“, so Braukmann. „Das können Sportvereine sein, aber auch ebenso gut Eigentümer großer Privatgrundstücke. Wasser kennt schließlich keine Grundstücksgrenzen und in einer verdichteten Großstadt wie Hamburg ist es nur folgerichtig, dass wir auch außerhalb unserer eigenen Grundstücke oder öffentlicher Flächen nach geeigneten Brunnenstandorten gucken und mit den Eigentümern ins Gespräch kommen, ob eine solche Nutzung möglich ist.“