Jährlich rund 47.000 vorzeitige Todesfälle durch verschmutzte Luft. Vor allem Stickstoffdioxid und Feinstaub beeinträchtigten auch im Jahr 2013 die Luftqualität und damit die menschliche Gesundheit in Deutschland. Das zeigen vorläufige Messdaten der Länder und des Umweltbundesamtes (UBA). Beim Stickstoffdioxid war die Belastung im Vergleich zu den Vorjahren nahezu unverändert hoch.
Mehr als die Hälfte der städtisch verkehrsnahen Stationen überschritt den zulässigen Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm (μg) Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft. Auch beim Feinstaub gab es anhaltende Grenzwertüberschreitungen. Verglichen mit den Vorjahren war 2013 allerdings eines der am geringsten belasteten Jahre. Entwarnung sei dennoch nicht angezeigt, sagt Thomas Holzmann, Vizepräsident des Umweltbundesamtes: „Der Feinstaub-Grenzwert wurde zwar nur an rund drei Prozent aller Messstationen überschritten. Das scheint gering, spiegelt aber die tatsächliche Gesundheitsbelastung der Bevölkerung durch Feinstaub nicht wider, gerade wenn man an die deutlich strengeren Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO denkt.“
Seit 1. Januar 2005 gilt ein Tagesgrenzwert für Feinstaub (PM10) von 50 Mikrogramm/Kubikmeter, der maximal an 35 Tagen im Jahr überschritten werden darf. Als Feinstaub werden kleinste Partikel in der Luft bezeichnet, die beim Einatmen eine Gefährdung der Gesundheit darstellen können. Diese reicht von chronischen Atembeschwerden bis hin zu Lungenkrebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt. Die WHO rät bei Feinstaub der Partikelgröße kleiner als zehn Mikrometer (PM10) schon lange zu einem weitaus strengeren Luftgüteleitwert von 20 Mikrogramm/Kubikmeter im Jahresmittel. Dieser wurde 2013 an fast 51 Prozent aller Messstationen in Deutschland überschritten. „Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes gibt es jährlich im Schnitt rund 47.000 vorzeitige Todesfälle infolge der zu hohen Feinstaubbelastung – durch akute Atemwegserkrankungen, kardiopulmonale Erkrankungen oder Lungenkrebs. Wir plädieren für eine rasche Verschärfung der geltenden EU-Grenzwerte auf Basis der wissenschaftlichen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO“, so Thomas Holzmann.
Laut den Messdaten des Umweltbundesamtes sind bis Ende April die Grenzwerte in Stuttgart an 44 Tagen überschritten worden. Berlin und Leipzig mit 35 bzw. 34 Tagen sind an der Schwelle und Halle mit 33 Tagen sowie Frankfurt (Oder) und Chemnitz mit 32 knapp darunter. Die Daten werden vom Umweltbundesamt laufend aktualisiert und auf der Website veröffentlicht. Die Umweltplakette für PKW in Innenstädten ist für Umweltschützer nicht ausreichend, um auf Dauer bessere Ergebnisse zu erzielen. Es werden noch weniger Verkehr in Innenstädten, eine Filterpflicht für Dieselloks, Binnenschiffe und alte Baumaschinen sowie drastischere Anforderungen für Heizungen und Kamine gefordert.
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt sieht ebenfalls Handlungsbedarf bei veralteten Baumaschinen, die in der Regel übermäßig viel Ruß absondern. Sie laufen oft stundenlang und verpesten die Luft. Eine Filterpflicht gelte nur für neue Maschinen. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert die Bundesregierung zum Handeln auf. Die Maßnahmen der Kommunen seien unzureichend und unkoordiniert. Der BUND fordert den Ausbau von Rad-, Fuß- und öffentlichem Nahverkehr sowie eine durchgehende Pflicht für Filter bei Dieselloks und Binnenschiffen.
Der Anstieg zwischen Januar und April sei aber nicht ungewöhnlich, erklärt Arno Graff, Umweltbundesamt-Experte für Luftqualität. Eine Ursache sind die Heizperiode und die klimatischen Bedingungen im Winter. Bei kühlen und stabilen Hochdrucklagen sammeln sich mehr Schadstoffe in der unteren Atmosphäre. Im Jahresvergleich zeigen sich deutliche Unterschiede. Im Jahr 2010/2011 waren 30 bis 40 Prozent aller Messstationen über den Grenzwerten. 2012/2013 fiel die Belastung geringer aus, und nur wenige Stationen überschritten die Grenzwerte. Für 2013/2014 könne noch keine aussagekräftige Bewertung gemacht werden, allerdings habe das Jahr nicht gut angefangen. Der in Deutschland auftretende Feinstaub sei aber nicht nur auf Deutschland zurückzuführen: Ostdeutschland bekommt durch den Ostwind Feinstaub aus Polen und Tschechien importiert. Dagegen ist kaum etwas zu machen.
Ein weiterer Faktor für den Feinstaubanstieg im Frühjahr ist die Gülleausbringung in der Landwirtschaft. Ab Februar dürfen Landwirte die Gülle, die sich über den Winter angesammelt hat, wieder auf die Äcker und Felder ausbringen. Hierbei wird Ammoniak (NH3) ausgesetzt, der in der Atmosphäre Feinstaub bildet. Die Daten des Umweltbundesamtes zeigen auch hier deutlich, dass besonders in den landwirtschaftlichen Regionen Norddeutschlands ein Anstieg im Frühjahr zu verzeichnen ist, der gegen März seinen Höchststand erreicht. Der durch die Landwirtschaft verursachte Feinstaub legt weite Strecken zurück. Bis zu 25 Prozent der Feinstaubbelastung in Ballungsräumen können auf die Landwirtschaft zurückgeführt werden. Hier könnten eine emissionsarme Ausbringung sowie eine unmittelbare Einarbeitung der Gülle auf freien, unbewachsenen Feldern der Gesamtbelastung etwas entgegenwirken.
Bei einem weiteren wichtigen Luftschadstoff – dem vor allem im Sommer auftretenden bodennahen Ozon – hielten etwa acht Prozent der Messstationen den Acht-Stunden-Wert eines Tages nicht ein. Dieser liegt bei 120 Mikrogramm/Kubikmeter und darf an höchstens 25 Tagen pro Kalenderjahr, gemittelt über drei Jahre, überschritten werden. „Die Belastung mit Ozon fiel erfreulicherweise gering aus. Dabei hat der zeitweise heiße Sommer die Bildung von Ozon durchaus begünstigt. Durch eine anspruchsvolle Luftreinhaltepolitik in den vergangenen Jahren sind die Emissionen der Vorläufersubstanzen des Ozons wie Stickstoffoxide und flüchtige Kohlenwasserstoffe aber deutlich zurückgegangen – und damit auch die Ozonbelastung im Sommer“, erklärt Thomas Holzmann vom Umweltbundesamt. Im Jahr 2013 musste daher nicht ein einziges Mal Ozonalarm ausgelöst werden, aus Sicht eines anspruchsvollen Gesundheitsschutzes sind aber auch hier die Belastungen nach wie vor zu hoch.
Für gesunde Luft bleibt also noch viel zu tun. Und zwar in allen Sektoren: von der Holzheizung über Autos und Lkw bis hin zum großen Kraftwerk. Das Umweltbundesamt begrüßt daher das Programm „Saubere Luft für Europa“, das die EU-Kommission zum Ende des Jahres der Luft 2013 vorgestellt hat. „Die EU-Kommission hat Ende 2013 anspruchsvollere Minderungsziele für die Emissionen der wichtigsten Luftschadstoffe vorgeschlagen. Deren Einführung wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer besseren Luftqualität in Deutschland und Europa“, so Thomas Holzmann.