FOCUS berichtet:

Donnerstag, 25.10.2018, 08:14
Jährlich infizieren sich bis zu eine Million Menschen dort, wo sie eigentlich Genesung erwarten: im
Krankenhaus.


Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaus-Hygiene sterben in Deutschland 40.000 Menschen jedes Jahr an Krankenhauskeimen – mehr als zehn Mal so viele Menschen wie im Straßenverkehr und 100 Mal so viele wie an Aids. Immer noch wird sie völlig unterschätzt: die Gefahr, die von multiresistenten Keimen wie MRSA ausgeht.


Tun Krankenhäuser genug, um das Problem in den Griff zu bekommen? Am Sonnabend hat eine Krankenschwester im MOPO-Standpunkt Alarm geschlagen: Viele Vorsichtsmaßnahmen würden außer Acht gelassen – aus Zeitmangel: Eigentlich müsste von jedem Risiko-Patienten (Pflegeheim- Bewohner beispielsweise) ein Abstrich genommen werden. Und er müsse eigentlich isoliert werden, bis das Ergebnis vorliegt. Eigentlich.


Aber weil die Krankenhäuser kaputtgespart würden, werde auf all das verzichtet. Nach der OP würden Risiko-Patienten einfach zu anderen frisch Operierten in den Aufwachraum geschoben, so die Krankenschwester.

 

Multiresistente Erreger eine „große Herausforderung“

Ihr ernüchterndes Fazit: Krankenhäuser würden sogar noch dabei mithelfen, dass sich die gefährlichen Keime weiterverbreiten.


Die MOPO hat bei großen Hamburger Kliniken nachgefragt: beim UKE, bei Asklepios und den Schön- Kliniken. Alle geben zu, dass multiresistente Erreger eine große Herausforderung darstellen – aber sie sagen auch übereinstimmend, dass alles getan werde, um der Todeskeime Herr zu werden.

Natürlich würden Risikopatienten „gescreent“, so Astrid Reining von den Schön-Kliniken. „Ist ein Screeningtest positiv, dann wird der Patient auf jeden Fall sofort isoliert. Falls angezeigt, erfolgt bei dem isolierten Patienten für dessen OP eine Fallbesprechung zur Überprüfung eventueller Risiken wie Wundheilungsstörungen, die durch bestimmte Erreger verursacht werden können.“


„Der Vorwurf ist für uns nicht nachvollziehbar“

Mathias Eberenz von Asklepios widerspricht dem MOPO-Standpunkt vom Sonnabend und sagt, es sei nicht richtig, dass Patienten, die positiv auf multiresistente Keime getestet sind, nach einer OP grundsätzlich in einen separaten Aufwachraum gebracht werden müssten.


Solche Patienten würden vor einer OP antiseptisch gewaschen und stellten deshalb auch nach einer OP keine Gefahr für andere Patienten dar. Zu körperlichem Kontakt komme es im Aufwachraum schließlich nicht.


„Der Vorwurf, aus Kostengründen würde auf Hygienemaßnahmen verzichtet, ist für uns nicht nachvollziehbar“, so Eberenz weiter. Im Gegenteil: Asklepios unternehme alles, um eine gute Hygiene zu gewährleisten. Dabei komme es vor allem auf die Handdesinfektion von Ärzten und Pflegern an. Es gebe ein ausgeklügeltes Hygienemanagement, und in regelmäßigen Begehungen werde überprüft, ob es auch eingehalten werde.


Lob von der Gesundheitsbehörde

Multiresistente Keime sehr ernst zu nehmen, versichert auch das UKE. Sprecherin Berit Waschatz zählt auf, was die Klinik alles an Personal vorhält, um das Problem in den Griff zu bekommen: „45 hygienebeauftragte Ärzte, Hygiene-Mentoren auf allen Stationen und in allen Funktionsbereichen, zwei Fachärztinnen als Krankenhaushygienikerinnen sowie zwölf ausgebildete und drei inmWeiterbildung befindliche Hygienefachkräfte.“


Lob für Hamburgs Krankenhäuser kommt von der Gesundheitsbehörde. Sprecher Rico Schmidt sagt, „den Krankenhäusern gelingt es mit Unterstützung der Gesundheitsämter, die Zahl der Infektionen gering zu halten“.


Nach Schmidts Angaben gab es 2017 in Hamburg 51 gemeldete Fälle des besonders gefährlichen Erregers MRSA. Im ersten Halbjahr 2018 waren es 22.


Kritik an Personalabbau

Also doch alles in bester Ordnung? Keineswegs meint Christoph Kranich von der Gesundheitsberatungsstelle der Verbraucherzentrale. Er unterstützt die Kritik, die im MOPOStandpunkt geäußert wurde. „Es bleibt dabei: Der springende Punkt ist der Mangel an Personal.“


In den vergangenen 25 Jahren sei die Zahl der Pfleger und Schwestern um sieben Prozent zurückgegangen, während die Zahl der Ärzte um 66 Prozent gestiegen sei. Das Pflegepersonal werde als reiner Kostenfaktor betrachtet. „Klar“, so Kranich, „dass darunter Pflege und Hygiene leiden.“ Ins selbe Horn stößt die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. 2500 zusätzliche Pfleger seien in Hamburg nötig. Das vorhandene Pflegepersonal habe nicht einmal genügend Zeit, um ordnungsgemäß vor und nach jedem Patientenkontakt die Hände zu desinfizieren. Das Robert-Koch- Institut empfiehlt dafür jeweils 30 Sekunden Einwirkzeit – das macht pro Schicht zwei Stunden. Zeit, die sich Pfleger und Schwestern niemals nehmen könnten, so Ver.di.


Mit all den tödlichen Folgen, die das haben könne.

Dieser Artikel wurde verfasst von Olaf Wunder

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