Keine Verlegung von Datenkabeln in Trinkwasserleitungen

In der Strategie der EU-Kommission zum schnellstmöglichen Ausbau der Breitbandversorgung für die europäische Bevölkerung ist eine Verlegung der Datenkabel durch das vorhandene Wassernetz enthalten, um Kosten einzusparen und ansonsten notwendige Grabungen, vorwiegend in Wohngebieten, zu vermeiden. Diese ökologische Strategie geht aus dem Verordnungsentwurf der EU-Kommission vom 26. März 2013 hervor, der Maßnahmen zur Förderung des Breitbandausbaus beinhaltet. Unter anderem sollen nach diesem Vorschlag „Leitungsrohre, Leerrohre, Einstiegsschächte, Verteilerkästen, Pfähle, Masten, Antennen, Türme und andere Trägerstrukturen“ für den effektiven Ausbau der Glasfaserkabel genutzt werden. Bei der Nutzung von Trinkwasserrohren müssen laut der Bundesregierung jedoch „alle diesbezüglichen Bedenken ausgeräumt werden können“. Ebenso lehnen die Verbände der Wasserwirtschaft und die Trinkwasserkommission des Umweltbundesamtes die Nutzung der Wasserleitungen zum Breitbandausbau wegen gesundheitlicher Risiken ab.

Die Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, Dorothee Menzner, Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE forderten durch eine Kleine Anfrage eine Stellungnahme der Bundesregierung zu ihren Bedenken. So können sich nach Einschätzungen des Bundesverbandes der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) aus den Kabelsträngen unerwünschte Substanzen lösen. Außerdem werde sich die Oberfläche durch die verlegten Microductrohre innerhalb der Wasserrohre vergrößern, was zu zusätzlichem Lebensraum für Biofilme führt. Auch andere Verbände wie der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) und die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e. V. (AöW) äußern vor allem hygienische Bedenken, insbesondere im Hinblick auf das Minimierungsgebot von mikrobiologischen und chemischen Stoffen in der Trinkwasserverordnung. Die Trinkwasserkommission sieht in der Verlegung von Breitbandkabeln im Trinkwassernetz gar einen Widerspruch.

Einerseits werden beim Trinkwasser eine Minimierung des Risikos wasserübertragbarer Krankheiten und ausgedehntere Analysen gefordert, und auf der anderen Seite sollen nicht kalkulierbare Risiken hingenommen werden, um Glasfaserkabel zu verlegen. Zudem müssten alle Wasserversorger ihre Planunterlagen gegenüber jedem Internetanbieter offenlegen. In Zeiten der Globalisierung also auch internationalen Konzernen.

Ebenfalls sei unklar, welche Befugnisse das Gesundheitsamt bei dem EU-Vorschlag habe, wenn es darum geht, den Einbau von Glasfaserkabeln in Wasserleitungen zu reglementieren. Wahrscheinlich hätte nämlich die Bundesnetzagentur mehr Befugnisse als das Gesundheitsamt. „In der Novelle des deutschen Telekommunikationsgesetzes (TKG) 2012 in § 77a Absatz 3 ist festgelegt, dass Infrastrukturinhaber von Trinkwasser-, Abwasser- und Gasleitungen, die über Einrichtungen verfügen, die zu Telekommunikationszwecken genutzt werden können, von der Bundesnetzagentur zur Datenlieferung verpflichtet werden können. Wenn dabei eine technisch machbare Eignung für das Einschieben von Datenkabeln festgestellt werde, könnte dies, so eine Befürchtung des BDEW, eine Rechtspflicht für Wasserversorger auslösen, eine solche Verlegung zu dulden“, ist in der Kleinen Anfrage nachzulesen.

Die Kleine Anfrage stellte der Bundesregierung vier Fragen.

1. Teilt die Bundesregierung die hygienisch begründeten Sorgen und Bedenken sowie die weiteren Bedenken von Bundesrat, BDEW, VKU, AöW und der Trinkwasserkommission gegenüber dem Vorschlag für eine EU-Verordnung über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation vom 26. März 2013 bezüglich der Installierung von Breitbandkabeln im Trinkwassernetz?

2. Falls ja, welche Schritte unternimmt die Bundesregierung bei der Europäischen Kommission, um die Trinkwasserversorgung aus dem Geltungsbereich der geplanten Verordnung herauszunehmen?

3. Falls nein, wie begründet die Bundesregierung ihre gegenteilige Auffassung?

4. Wurde das Telekommunikationsgesetz inzwischen geändert, um die hygienisch begründeten Sorgen und Bedenken der Trinkwasserversorger und ihrer Verbände auszuräumen, und wenn ja, wann, und in welchen Punkten?

Die Bundesregierung gab auf die Fragen 1 bis 3 folgende Antwort: „Die Bundesregierung teilt die hygienisch begründeten Bedenken und Sorgen gegenüber der Verlegung von Breitbandkabeln in Trinkwasserleitungen. Eine Mitbenutzung von Trinkwasserleitungen wäre nur dann möglich, wenn alle diesbezüglichen Bedenken ausgeräumt werden können. Verbindliche Nutzungsvorgaben, wie sie im Rahmen der EU-Verordnung „über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation“ vorgesehen sind, lehnt die Bundesregierung ab. Dementsprechend wird sich die Bundesregierung in den EU-Gremien einbringen. Auf die vierte Frage erklärt die Bundesregierung, dass das Telekommunikationsgesetz eine Verlegung von Breitbandkabeln in Trinkwasserleitungen nicht verbindlich vorsieht und daher eine Gesetzanpassung nicht notwendig sei.

Dennoch gibt es bereits Glasfaserkabel im Trinkwassernetz. Bereits im vergangenen Jahr haben der Wasserzweckverband Eifel-Ahr und die Stadtwerke Bonn mit einem Pilotversuch die Verlegung von Glasfaserkabeln in Trinkwasserleitungen getestet. Für das „Fibre-To-The-Home“-Experiment wurde eigens ein System entwickelt, in dem das Glasfaserkabel in einer Art Katheter, dem Microductrohr, durch das Trinkwassernetz geführt wird. Dieses Leerrohr aus Kunststoff wird durch den bestehenden Wasseranschluss von der Straße bis in das Haus gezogen. Das Microductrohr wird bei dem Verfahren mit eigens dafür entwickelten Formstücken mit der Trinkwasserleitung druckdicht verschweißt. Nach der Inbetriebnahme des Trinkwasseranschlusses kann anschließend jederzeit über das Microductrohr eine Glasfaserleitung in das Haus geführt werden, ohne auch nur einen Spatenstich machen zu müssen. „Im Kreis Ahrweiler gibt es neben sehr gut mit schnellen Internetanschlüssen ausgestatteten Gebieten noch weiße Flecken im dünnbesiedelten Westteil“, so Landrat Jürgen Pföhler. Das 100 Kilometer lange Leerrohrnetz des Zweckverbandes Wasserversorgung Eifel-Ahr ist ideal, um kostengünstig auch dieses Gebiet mit Breitband-Internet zu versorgen. So würden die Glasfaserkabel im Rahmen der üblichen Wartungsarbeiten verlegt, ohne dass zusätzliche Tiefbauarbeiten notwendig wären. In der Regel fallen fast 70 Prozent der Kosten für einen neuen Breitbandanschluss für den Tiefbau an.

Gegen die Vorbehalte seitens der Bundesregierung haben die Bonner Stadtwerke durchaus Verständnis und können diese nachvollziehen. Durch eine EU-Verordnung die Gas- und Wasserversorger zu zwingen, ihre Leitungsnetze privaten Unternehmen zur Verfügung zu stellen, ist in mehreren Aspekten fragwürdig. Beim dem Bonner Pilotversuch liege die Verantwortung für Hygiene und Qualität zu 100 Prozent beim Wasserversorger, der somit auch alle Bedenken ausräumen kann.

Nach der losgetretenen Diskussion rudert auch die EU-Kommission zurück und stellt klar, dass in der Verordnung niemals gefordert wurde, Datenkabel innerhalb von Trinkwasserleitungen zu nutzen. „Das macht keinen Sinn, es wäre zu gefährlich“, erklärte der Sprecher der EU-Digitalkommissarin Neelie Kroes. Die Kommission habe angeregt, vorhandene Rohre, wie für Strom, Gas oder Wärme, zu nutzen oder auch neben anderen Leitungen Glasfaserkabel zu verlegen, doch niemals innerhalb von Trinkwasserrohren. Letztlich wird es keine EU-Verordnung geben, welche eine Verlegung von Glasfaserkabeln im Trinkwassernetz vorschreibt. Doch der Pilotversuch in Bonn zeigt, dass dieses Thema durchaus auch zukünftig für kontroverse Diskussionen sorgen könnte. Wenn sich ein Wasserversorger bereit erklärt, die Verlegung zuzulassen, wie der Wasserzweckverband Eifel-Ahr und die Bonner Stadtwerke, müssen die Verbraucher damit leben. Welche Risiken es gibt und wie hoch diese sind, wird sich erst mit der Zeit zeigen.

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