Übergewicht ist ein vor allem im Westen und den Industrienationen zu einem gesellschaftlichen und medizinischen Problem geworden. Hauptursache für die Zivilisationskrankheit Fettleibigkeit ist falsche Ernährung und Bewegungsmangel. Dabei muss es nicht immer Ausdauer- oder Kraftsport sein, um das Bewegungsdefizit zu beseitigen. Es gibt auch Sportarten die in jedem Alter und bei jeder Kondition Körper, Geist und Seele wieder in Einklang bringen. Zwei besonders beliebte meditative Sportarten sind Tai Chi und Yoga.
Übergewicht ist ein zu einem globalen Problem geworden. Laut WHO sind weltweit 1,9 Milliarden Menschen übergewichtig. Davon mehr als 600 Millionen krankhaft fettleibig (Adipositas). In Europa ist schon jeder Zweite Bürger fettleibig und die Zahl der krankhaft Fettleibigen (Adipositas) nimmt zu. Die Vereinten Nationen und die Weltgesundheitsorganisation erklären in ihrem Bericht zur „Europäische Ministerkonferenz der WHO zur Bekämpfung der Adipositas“, dass sich Übergewicht wie eine Epidemie in Europa ausbreite und den Wohlstand künftiger Generationen gefährde. Bei den drei- bis 14-jährigen sind es immerhin schon 15 Prozent, die unter Übergewicht leiden. Viele Krankheitsbilder sind dem modernen Lebensstil aus Bewegungsmangel und falscher Ernährung zuzuordnen, ob Depressionen, das Fehlen von Motivation, Lustlosigkeit, Herz-Kreislauferkrankungen, hoher Blutdruck, Rückenschmerzen, Diabetes oder Schlafprobleme.
Natürlich ist es ein Menschheitstraum täglich eine „Wunderpille“ einzunehmen, schlank und gesund zu bleiben und ein biblisches Alter zu erreichen. Doch solange wir die Pille nicht haben, kann ein gesundes und langes Leben nur aus einer Kombination von verschiedenen Maßnahmen bestehen. Die richtige Nährstoffaufnahme, also eine gesunde und ausgewogene Ernährung, ist eine wichtige Voraussetzung, denn jeder Motor braucht erstmal Sprit. Die zweite wichtige Maßnahme ist, den Körper durch Sport zu konditionieren. Neben den vielen hunderten oder tausenden Sportarten sind zurzeit vor allem tausende Jahre alte Sportarten immer noch im Trend, die neben dem Körper auch den Geist trainieren. Die Rede ist hier von Yoga und Tai Chi.
Beide Sportarten haben eines gemeinsam. Sie sind keine Powersportarten, die von Schnelligkeit und Explosivität leben, einen Wettkampfcharakter haben oder der Unterhaltung dienen. Der wesentliche Kern der beiden liegt darin begründet, seinen Körper und seinen Geist in Einklang zu bringen und zu einem gesunden Zustand zu führen. Durch den gesunden Körper und einem befreiten Geist soll das Leben an Qualität gewinnen und von Freude und Glück begleitet werden. Obwohl Yoga und Tai Chi die gleichen Ziele anstreben, sind sie bei genauerer Betrachtung grundverschieden.
Yoga
Die indische philosophische Lehre Yoga ist eine Reihe geistiger und körperlicher Übungen wie Yama, Niyama, Asanas, Pranayama, Pratyahara, Kriyas, Meditation und Askese umfasst. Der Begriff Yoga kann im Sanskrit sowohl „Vereinigung“ als auch „Integration“ bedeuten. Im weiteren Sinne wird von „Anschirren“ und „Anspannen“ des Körpers an die Seele zum Sammeln und konzentrieren, sowie Einswerden mit Gott verstanden. Yoga ist sehr spirituell und die Philosophie ist im Hinduismus und Buddhismus verwurzelt. Der Yogi ist ein Reisender im Wagen des materiellen Körpers. Dabei ist der Körper der Wagen, der Geist der Kutscher, die fünf Sinnesorgane die Pferde, die Seele der Fahrgast und das Geschirr ist das Yoga, mit dem die Reise gesteuert wird.
Ursprünglich war Yoga ein rein spiritueller Weg auf der Suche nach Erleuchtung durch Meditation. Die älteren Upanishaden (Schriften des Hinduismus) um 700 v. Chr. beschreiben Atemübungen und die Konzentration der Sinne in den Atman (das Selbst bzw. die Seele) als Mittel der Meditation. Die vielen Figuren und Bewegungen des Yoga entstanden erst im Laufe der Zeit. Anfänglich ging es nur darum den Körper so zu stärken, dass er beispielsweise für längere Zeit beschwerdefrei im Lotussitz verweilen konnte, damit der Geist durch Meditation gestärkt wird. Erst im späteren Verlauf der Geschichte wurde erkannt, dass Yoga nicht nur den Geist formt, sondern zudem eine positive Wirkung auf den Körpers hat und das gesamte Wohlbefinden steigert. Upanishaden um ca. 400 v. Chr. erwähnen mehrfach das Wort Yoga und auch die wesentlichen Elemente des heutigen weit verbreiteten Yoga.
In der heutigen Zeit verfolgt die Yoga Lehre ein ganzheitliches Konzept, bei dem der Körper, Geist und Seele in Einklang gebracht werden soll. In den westlichen Ländern wird Yoga in Schulen in Unterrichtseinheiten vermittelt, was auch unbedingt ratsam ist. Videos und Bücher können einen Lehrer nicht ersetzen und falsch ausgeführte Übungen können mehr schaden als nutzen. Im Zusammenspiel der Übungen werden Körper, Geist, Seele und die Atmung verbessert, was zur größerer Vitalität und gleichzeitig zu einer Haltung der inneren Gelassenheit führt. Zusätzlich hat Yoga nachweislich einige positive Effekte auf die psychische und physische Gesundheit. Regelmäßiges Yoga kann zur Linderung von diversen Krankheitsbildern wie Durchblutungsstörungen, Schlafstörungen, nervösen Beschwerden (Angst/Depression) chronischen Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen führen. Yoga ist für jedes Alter und jede körperliche Voraussetzung geeignet. Für viele Menschen hat Yoga neben dem Fitnesseffekt vor allem eine beruhigende und ausgleichende Wirkung. Dadurch wird Folgeerscheinungen von Stress entgegengewirkt. Durch die Atemübungen und die Meditation kommt mit der inneren Einkehr eine andere Sicht auf sich selbst und das eigene Verhalten, sowie das zu den Mitmenschen wird positiver. Yoga kostet eigentlich nur wenig Zeit und kann das Leben um ein vielfaches verbessern.
Tai Chi
Tai Chi erfreut sich erst seit wenigen Jahren in der westlichen Welt einer großen Beliebtheit. Die im chinesischen Kaiserreich entwickelte Jahrhunderte alte Kampfkunst wird heute von Millionen Menschen weltweit praktiziert. Das Schattenboxen, wie Tai Chi auch genannt wird, hat sich von der ursprünglichen inneren Kampfkunst zur Bewegungslehre oder auch Gymnastik für Entspannung, Meditation und Gesundheitsförderung entwickelt. Der Kampfkunstaspekt rückt immer weiter in den Hintergrund und verschwindet bisweilen vollständig. Den Kern von Tai Chi beschreibt ein besonders feines Bewegungstraining, bei dem die Bewegungsabläufe nicht allzu schwierig sind. Gerade weil die Bewegungen meist recht einfach und problemlos durchführbar sind, hat sich Tai Chi in China zum Volkssport, auch für die ältere Generation, entwickelt. Frühmorgens sind in den chinesischen Parks tausende Menschen aller Generationen beim Trainieren der fließenden und weichen Bewegungen zu beobachten.
Der Mittelpunkt einer Übungseinheit ist die sogenannte Form, welche sich aus klar definierten Abläufen aufeinanderfolgenden, meist weichen, Bewegungen fortsetzt. Jede Form setzt sich aus mehreren Einzelbewegungen, sogenannten Bildern, zusammen, deren Reihenfolge festgelegt ist. Die Formen sind ein Kampf gegen einen imaginären Gegner, was auch zu dem Begriff Schattenboxen führte. Jedes Bild einer Form hat einen eigenen Namen, der den Charakter der Bewegung beschreibt. So gibt es sowohl klare Definitionen wie „Fersenkick links“, als auch poetische Bezeichnungen wie „Der weiße Kranich breitet seine Flügel aus“ oder „Die Mähne des Wildpferdes teilen“. Da chinesische Schriftzeichen oftmals mehrere Bedeutungen haben, sind für Kenner tiefere Bedeutungen der Bilder abzuleiten. Tai Chi Formen wurden über die Jahrhunderte viele entwickelt. So gibt es kleine Formen, wie die Peking-Form mit 24 Bildern oder die Kurzform nach Zheng Manqing mit 37 Bildern bis hin zu langen Übungen mit mehr als 100 Bildern, wie die Yang Chengfu Form mit 108 Bildern. Je nach Größe der Form und Geschwindigkeit der Bewegungen kann eine Form wenige Minuten oder mehrere Stunden dauern.
Da Tai Chi keine einheitlichen Dachverband hat und sich über Jahrhunderte immer weiter entwickelte, gibt es viele verschiedenen Stile und Schulen. Es gibt dennoch einige stilübergreifende nationale und internationale Dachverbände. Das Fehlen eines einheitlichen Dachverbandes führt dazu, dass es kein einheitliches System zur Ausbildung und Evaluation von Lehrern gibt. Grundsätzlich werden beim Tai Chi zwei Konzepte verfolgt. Zum einen gibt es die Vertreter, die zurück zu den Wurzeln gehen. Sie berufen sich auf möglichst alte und authentische Formen, die auf Familienstile und noch ältere Stile zurückgreifen. Die andere Fraktion verbindet das Beste von allem. Neuere Stile sind Entwicklungen, welche die besten Eigenschaften der anderen Stile kombinieren. In der westlichen Verbreitung sind die neueren „moderneren“ Stile verbreitet. Die Grundlagen der verschiedenen Stile sind im Kern gleich. Durch Basisiübungen wie Standübungen, Atemübungen, Einzelbewegungen und Standmeditation werden die Bewegungsprinzipien des Tai Chi vermittelt. Sie dienen zur Lockerung der Gelenke, zur Entspannung des Körpers und zur Veränderung der Körperhaltung, damit ungünstige Belastungen und falsche Haltung vermieden werden. Wie in allen inneren Kampfkünsten kommt auch beim Tai Chi durch die Verbindung zum philosophischen Daoismus das Konzept des Qi zum Tragen. Das Qi hat viele Bedeutungen wie Kraft, Energie, Atem, Hauch oder auch Luft. Das Qi ist nach moderner daoistischer Auffassung die Tätigkeit des neurohormonalen Systems. Neben den inneren Kampfkünsten ist das Qi die Grundlage für die traditionelle chinesische Medizin.
Bei den Bewegungen im Tai Chi soll das Qi durch den Körper fliessen können, indem die Gelenke und Muskeln weitestgehend entspannt bleiben und die einzelnen Bilder locker und fliessend ausgeführt werden. Durch regelmäßiges Tai Chi soll der Übende es schaffen das Qi im Körper zu mehren. Fortgeschrittene sollen später in der Lage sein das Qi förmlich zu spüren und sogar zu kontrollieren. Der Energiefluss kann dann gezielt an bestimmte Körperstellen gelenkt werden und damit die Gesunderhaltung und Körperkontrolle dienen. Tai Chi wird in den asiatischen Ländern überwiegend vorbeugend praktiziert, um die geistige und körperliche Gesundheit zu erhalten, anstatt zur Behandlung bestimmter Krankheiten. In der traditionellen chinesischen Medizin werden die Vorteile der inneren Kampfkünste auf die Gesundheit wesentlich umfassender angenommen, als die westliche Medizin den Nutzen von sportlicher Betätigung erachtet. Neuere klinische Studien haben gezeigt, dass Tai Chi mehrere positive Aspekte für die geistige und körperliche Gesundheit hat, wie beispielsweise auf das Herz-Kreislauf-System, das Immunsystem, das Schmerzempfinden, das Gleichgewicht, und allgemein auf die Körperkontrolle, Beweglichkeit und Kraft. Tai Chi hat sich vor allem bei Menschen bewährt, die unter Stress leiden und sich im Alltag, sei es berufsbedingt, nur wenig bewegen.
Ob nun Yoga oder Tai Chi, beide Lehren verbindet das Zusammenspiel von Körper, Seele und Geist und führt zu einem gesünderen und längeren Leben. Da es um harmonische Bewegungen geht, spielt die Grundkondition oder das Alter keine Rolle. Neben gesunder Ernährung sollte doch jeder irgendwie am Tag 30 Minuten oder auch nur 15 Minuten finden, um sich um sich selbst und seinen Körper zu kümmern – auch wenn der Geist willig aber der Körper schwach ist. Denn das ändert sich garantiert nach wenigen Wochen.