Der Lago Poopó war mit einer Fläche von rund 3.000 Quadratkilometern einst das zweitgrößte Binnengewässer Boliviens. Heute existiert dort nur noch eine salzige, mit Abfall verdreckte Schlammwüste. Der einst prächtige See ist überdeckt mit Körpern toter Vögel, Tierkadavern und Fischerbooten, die auf trockenem Grund liegen. Die Regierung Boliviens spricht von einer dramatischen Lage für die Region.
Der 50 Kilometer südlich der Stadt Oruro gelegene Lago Poopó ist das Herz der Region. Zu einem ist er der Hauptwasserlieferant tausender Menschen und zu anderem ist die regionale Wirtschaft auf das Gewässer ausgerichtet. Wir neuveröffentlichte Satellitenfotos der NASA (National Aeronautics and Space Administration, deutsch Nationale Aeronautik- und Raumfahrtbehörde) zeigen, geht der Wasserstand die letzten drei Jahre rapide zurück.
Das Bestätigt auch ein Bericht der Europäische Weltraumorganisation ESA (European Space Agency) „Der ESA-Mini-Satellit Proba-V, der täglich die Erdoberfläche beobachtet, konnte das Verschwinden des zweitgrößten Sees in Bolivien dokumentieren. Die völlige Austrocknung des Poopós hat sich bestätigt“. Doch auf den Satellitenfotos ist nicht zu sehen, was erst beim genauerem betrachten des Sees vor Ort sich offenbart, nämlich eine ökologische Katastrophe.
Indio-Sprecher Valerio Rojas berichtet, dass anstelle eines Sees nur noch eine tote, trockene Fläche geblieben ist und das hunderte Landwirte und Fischer die Region verlassen haben, weil sie Hunger leideten. Die wenigen Grundnahrungsmittel wie Reis und Nudeln die vom Staat als Unterstützung gegeben wurden, reichten zum Überleben nicht aus.
Als Ursache für den schnellen Wasserrückgang kommen viele Gründe in Frage. Milton Pérez von der Universität in Oruro erklärt, dass der Lago Poopó am Klimawandel und der Phänomene El Niño und La Niña arg zu leiden hatte, da diese Faktoren den flachen See viel Wasser verdunsten ließen. In der Vergangenheit traten die Phänomene El Niño und La Niña in Intervallen von sieben bis zehn Jahren auf. Mittlerweile sind sie alle zwei Jahre zu verzeichnen. Da schafft es der Lago Poopó nicht mehr sich zu erholen.
Nicht nur das der sich nicht regeneriert, durch die Wetterphänomene schwindet fortlaufend bestehendes Wasser. 1994 war die Dürre so stark, das der See nahezu austrocknete. Dank Niederschläge konnte sich der See wieder erholen. Doch die Möglichkeit, dass sich der See diesmal wieder erholt haben fast alle Wissenschaftler mittlerweile aufgegeben. Die Behörden erklärten im Dezember 2015 den See offiziell für ausgetrocknet.
Optimistischer sieht es Raúl Pérez Albrecht, der Landeschef des Umweltnetzwerks „Red Latinoamericana Ambiental“ und erklärt: „Wenn wir Glück haben, können wir vielleicht noch ein Drittel des Lago Poopó retten“. Er sieht ebenfalls den Klimawandel als eine der Ursachen. „Es gibt eine eindeutige Verbindung zum Klimawandel“, so Albrecht. Die Temperatur rund um den auf 3700 Meter Höhe gelegenen Lago Poopó im Südwesten des Landes ist seit 1982 um 1,8 Grad gestiegen. Gleichzeitig haben sich die Regenmengen enorm reduziert. „Allerdings wurde der Prozess auch dadurch beschleunigt, dass der See immer schon eine sehr geringe Wassertiefe hatte“, so der Experte. Laut Albrecht müsse es mehr regnen und mehr Wasser über den Rio Desaguadero in den Lago Poopó fließen. „Er ist der Schlüssel, um einen Teil des Sees zurückzugewinnen.“ so der Umweltexperte und fügt hinzu: „Seit 30 Jahren gibt es einen Prozess der Austrocknung, die nun ihren Höhepunkt gefunden hat.“
Der Lago Poopó wird von dem Entwässerungs-Fluss Río Desaguadero, dem Hauptfluss des bolivianischen Altiplano-Hochlandes gespeist. Er ist der Abfluss des größten Sees Südamerikas, dem Titicacasee, welchen sich die Staaten Peru und Bolivien teilen. Die Einspeisung in den Lago Poopó vermindert sich, weil einerseits im Titicacasee das Wasser selbst rückläufig ist. Zu dem gehen vom Entwässerungs-Fluss Río Desaguadero unzählige ungenehmigte Kanäle ab, welche Landwirte und Anwohner in der Region anlegen, um ihre Felder zu bewässern. Die Landwirtschaft ist einer der stärksten wirtschaftlichen Zweige in der Region. Quinoa, Kartoffeln, Oca, Bohnen, Gerste und Alfalfa bauen die Landwirte an. Sie betreiben zudem Viehzucht, die bekanntermaßen ebenfalls wasserintensiv ist.
Das war nicht immer so. Bis zum Kollaps des Zinnmarktes 1985 war die Region Oruro bedeutendstes Zentrum des Bergbaus in Bolivien. Zinn, Silber, Gold, Wolfram, Antimon, Schwefel, Borax und Kupfer forderten sie zu Tage. Die meisten Minen wurden zwischen 1990 und 1992 geschlossen. Bis heute sind nur noch sehr wenige, größtenteils privatisierte Minen in Betrieb geblieben. Auch der Bergbau stellt ein großes Problem dar. Mittels zahlreichen Kanälen, die teils unterirdisch zu den Minen führen, wird Wasser für die Grubenentwässerung umgeleitet und durch den Bergbau verschmutztes Wasser und Klärschlämme wieder in den See zurückgeführt. Zink, Blei, Arsen und andere Giftstoffe im Abwasser gelangen so in den See. Gesetze die das untersagen und die Verschmutzung durch den Bergbau regeln sollen, werden in der Regel nicht eingehalten.
Am schlimmsten trifft es vor allem die kleinen indigenen Gemeinden, welche direkt am Lago Poopó leben. Sie leben vom Fischfang und der Jagd. Sie zählen zu den ältesten Völkern Boliviens. Ihre einzigartige Kultur droht mit dem Lago Poopó zu verschwinden. Es ist ein großes Versäumnis, dass die Infrastruktur nicht so ausgeprägt ist, wie sie sein könnte und sollte. Die Müllabfuhr und die Abwasseranlagen sind nicht auf den neusten Stand.
Die Abfallentsorgungsstrukturen in der Region funktionieren nicht ausreichend. Zudem gibt es ein Versäumnis der Regierung die Wahrnehmung der Menschen vor Ort positiv zu verändern. Sie entsorgen wie gewohnt vieles im See. War dies früher mit annährend ausschließlichen organischen Abfällen kein Problem, hat die Veränderung der Produkte, insbesondere der Verpackungen, katastrophale Konsequenzen für die Umwelt. Die damals überwiegend biologischen Produkte kamen dem See und dem Biotop sogar zugute. Die heutigen Plastikverpackungen und Synthetikprodukte sammeln und häufen sich stetig an, verrotten nicht und schädigen die Umwelt dauerhaft.
Von öffentlicher Seite wird reagiert und besonders die örtlichen Behörden der Region Oruro haben die Situation des Lago Poopó auf der Tagesordnung. Der Bürgermeister verschaffte sich einen persönlichen Eindruck über die Situation und überflog im Flugzeug die betroffenen Regionen. Nun sind die Behörden bemüht das Ausmaß der Katastrophe zu analysieren. Es wurde Angekündigt den Bergbau besser zu kontrollieren. Aufklärungskampagnen für Bürger zur Wassernutzung wurden angekündigt. Geplant sind Schutzmaßnahmen, wie z. B. den toxischen Schlamm und den Schmutz abzubaggern. Für die Maßnahmen stehen 13 Millionen Euro bereit.
Ob die majestätischen rosa Flamingos jemals wieder an den Lago Poopó zurückkehren ist unwahrscheinlich. Die staksenden Vögel sind in die 60 Kilometer entfernte Lagune Uru Uru nahe der bolivianischen Stadt Oruro emigriert. Zwar ist die Lagune nicht völlig ausgetrocknet und führt noch ein wenig Wasser, doch die ökologische Katastrophe ist auch hier allgegenwärtig. Ein fürchterlicher Gestank hängt in der Luft, die Vögel sind umgeben von Plastikmüll, giftigen Abwässern und Tierkadavern. Nach dem Lago Poopó droht auch diese einstige paradiesische Region zu sterben.