Nach wie vor ist in Deutschland zu viel Nitrat im Grundwasser. Die EU ist unzufrieden mit der Tatenlosigkeit. Es hätten längst Sofortmaßnahmen durchgeführt werden sollen. Sie hat die die Bundesrepublik angemahnt und die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet. Passiert weiterhin nichts wird die EU Klage einreichen.
Deutschland hat nach Meinung der EU-Kommission zu wenig gegen die hohe Nitratbelastung im Grundwasser unternommen. Sie droht deshalb mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof. Vor allem wegen der Massentierhaltung ist in Deutschland in vielen Gebieten das Grundwasser stark mit Nitrat belastet. Nitrat ist nicht nur im Grundwasser ein Problem, sondern auch in Oberflächengewässern und im Meer. Im Meer fördern die Nitrate das Algenwachstum, die beim Absterben dem Wasser Sauerstoff entziehen. Andere Lebewesen ersticken, und es bilden sich sogenannte „tote Zonen“, wie sie in der Ostsee vorkommen.
Laut Umweltbericht sind in Nordrhein-Westfalen etwa 40 Prozent des Grundwassers dermaßen stark mit Nitrat belastet, dass Trinkwasser nur mit einer teuren Aufbereitung produziert werden kann. Im westlichen Teil Niedersachsens ist die Situation ähnlich. In gigantischen Ställen werden Millionen von Tiere gehalten, die eine Menge Gülle produzieren, die nachher auf den Feldern landet und zuletzt als Nitrat in das Grundwasser gelangt. Neben der Massentierhaltung trägt der wachsende Trend der Biogasanlagen zur Nitratbelastung deutscher Böden und des Grundwassers bei. Die Biogasanlagen erzeugen Gärreste, die wie Gülle voller Stickstoff sind und ebenfalls auf den Feldern ausgebracht werden.
Nitrat ist gesundheitsschädlich, da im menschlichen Körper sogenannte Nitrosamine entstehen, die krebserregend sind. Daher gibt es einen festgeschriebenen Grenzwert von 50 Milligramm je Liter, den die EU 1991 in einer Nitratrichtlinie verabschiedet hat. Die Düngeverordnung ist in Deutschland das Hauptinstrument zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie, doch sie scheint leider wirkungslos zu sein. Die zuständigen Behörden unterhalten in Deutschland Messstellen, um die Nitratbelastung im Grundwasser und den Oberflächen zu erfassen. Im Zeitraum 2008 bis 2011 wurden bei 50,3 Prozent der Messstellen der zulässige Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter überschritten. Im Vergleich zum Zeitraum 2004 bis 2007 nahm die Nitratbelastung an 40 Prozent der Messstellen zu.
Die EU will sich das Nitratproblem in Deutschland nicht länger anschauen und mahnt, dass Deutschland wegen der hohen Nitratbelastung Sofortmaßnahmen hätte ergreifen müssen. Bereits im Oktober 2014 hatte die EU-Kommission Deutschland als erste Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens ein Fristsetzungsschreiben zustellen lassen. Da Deutschland trotzdem keine effektiven Maßnahmen einleitete, hat die EU-Kommission auf Empfehlung des EU-Umweltkommissars Janez Potočnik im Juli 2014 die zweite Stufe Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet sowie eine mit Gründen versehene Stellungnahme übersandt. Deutschland muss der EU darzulegen, wie die Nitratproblematik angegangen werden soll. Sollte weiterhin nichts passieren, wird die EU Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen.
Europapolitikerin Britta Reimers kritisiert den Bericht der EU-Kommission, denn die Auswertung der rund 180 Messstationen sei nicht ausreichend für eine klare Darstellung der Nitratbelastung in Deutschland. „Das Messnetz ist nicht repräsentativ für die Nitratbelastung des gesamten Grundwassers in Deutschland“, so Reimers. Laut Umweltbundesamt existiere ein sehr viel größeres repräsentatives Netz von 723 Messstationen für die regelmäßige Berichterstattung an die Europäische Umweltagentur. Zudem lägen die von der EU-Kommission zugrundegelegten Messstationen in Gebieten mit bekanntermaßen hohen Nitratbelastungen.
Auch der Bauernverband bemängelt die Datenerhebung der EU. Es gelte, „die Datengrundlage des nationalen Nitratberichtes zu verbreitern und auf ein repräsentatives Messnetz umzustellen“. Hätte die EU die Daten des bundesweit repräsentativen Messnetzes herangezogen, hätte die EU-Kommission erkannt, dass „der strenge Trinkwassergrenzwert für Nitrat an über 85 Prozent der Messstellen eingehalten wird und damit die Situation in Deutschland wesentlich besser ist, als von Bund und Ländern gegenüber der EU-Kommission dargestellt“, steht in der Erklärung des DBV-Präsidiums.
Auf Nachfrage von agrarheute.com antwortete das Bundeslandwirtschaftsministerium, dass für den Bericht eine repräsentative Darstellung der Gewässerbelastung nicht erforderlich sei. „Im Nitratbericht wird deutlich darauf hingewiesen, dass dieses Sondermessnetz aufgrund der Kriterienauswahl nicht geeignet ist, eine repräsentative Aussage über Verteilung und Vorkommen von Nitrat im Grundwasser zu geben.“ Damit die EU-Kommission dennoch repräsentative Informationen erhalte, sei der Nitratbericht zusätzlich mit geeigneten Ergebnissen der Messstellen des Messnetzes für die Berichterstattung gegenüber der Europäischen Umweltagentur (EUA-Messstelle) ausgestattet, erklärte eine Ministersprecherin.
Jeder Mitgliedstaat hat anhand eines geeigneten Gewässerüberwachungsprogramms die Wirksamkeit der Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie zu überwachen, wie Berlin erklärt. Die Bundesländer haben sich im Vorfeld des ersten Berichtzeitraums von 1992 bis 1994 geeinigt, die Wasserqualität anhand bestimmter Messstellen zu überwachen. Die Kriterien für die Messstellen waren Gebiete mit eindeutig landwirtschaftlichen Flächen, oberflächennahe Grundwasserleiter, Gebiete mit bereits 1995 erhöhter Nitratbelastung und ein möglichst großes Einzugsgebiet für eine konkrete Aussagefähigkeit. Der Sinn und Zweck der Kriterien ist laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, die Grundwassermessstellen zu beobachten, bei denen sich Veränderungen der Nitratbelastung besonders schnell und gut zeigten. Dies bedeute gleichzeitig, dass sich Maßnahmen gegen die Nitratbelastung ebenfalls schnell zeigen würden und die Wirksamkeit besser eingeschätzt werden könne. Genauere Angaben zu den Messstellen können nur die Bundesländer selbst geben, da diese in Zuständigkeit der Länder eingerichtet und betrieben werden.
Also ist die Forderung der EU richtig, die Nitratrichtlinie schnellstmöglich umzusetzen. Der Bauernverband kann nicht die EU kritisieren, da sich Bund und Länder über die Messstellen und die Kriterien geeinigt haben. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert die Politik und die Landwirtschaft auf, dringend zu handeln. Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer des BDEW, begrüßt die Forderung der EU, stärker gegen die Nitratbelastung vorzugehen. Eine Novellierung der Düngeverordnung wäre laut Weyand ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, und er fordert den Bauernverband auf, seine Abwehrhaltung aufzugeben. „Hier muss etwas geschehen, damit wir auch in Zukunft überall in Deutschland sauberes Trinkwasser haben. Auch die landwirtschaftliche Produktion ist letztlich auf sauberes Wasser angewiesen“, so Weyand gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Die Bundesländer hatten den Bund lange aufgefordert, zu handeln. Doch erst jetzt beraten beide Seiten über Möglichkeiten für die Novelle der Düngeverordnung. Die Novelle sieht eine Sperrfrist für Gülle von vier Monaten und die Absenkung von Nitrat-Überschüssen vor. Es soll gerade so viel Dünger zum Einsatz kommen, wie eine Pflanze benötigt, und keine Überdüngung mehr stattfinden. Die EU möchte den Überschuss auf 40 Kilogramm pro Hektar landwirtschaftliche Fläche senken. Auf wie viel Kilogramm sich EU, Bund und Länder einigen werden, ist noch ungewiss, doch Einigkeit gibt es bei einem anderen Punkt. Es sollen pro Jahr und Hektar nicht mehr als 170 Kilogramm Stickstoff erlaubt sein, inklusive der Gärreste aus den Biogasanlagen. Wie wirksam und wie schnell positive Effekte erzielt werden können, bleibt zunächst ungewiss. Jedenfalls drängt für die Bundesregierung die Zeit, denn wird nicht endlich gehandelt, bringt die EU die BRD vor den Europäischen Gerichtshof. Und bevor Gelder für eine Strafe aufgewendet werden müssen, sollten die Gelder in die längst nötigen Maßnahmen fließen.