Deutschland ist beim europäischen Drogenkonsum seiner Bevölkerung vorne mit dabei. Dies geht zumindest aus dem Europäischen Drogenbericht 2014 hervor. Auch andere Untersuchungen des Abwassers deutscher Städte bestätigen den übermäßigen Konsum weicher und harter Drogen. Je nach Region werden andere Drogen bevorzugt.
Das Abwasser sagt viel aus über die Bewohner einer Stadt, auch im Hinblick des Konsums illegaler Drogen. Die Aufschlüsse aus den Ergebnissen spiegeln den tatsächlichen Konsum sehr genau wieder. Während Befragungen von Menschen zu ihrem Drogenkonsum selten wahrheitsgetreu sind, sind die Ausscheidungen über den Urin wesentlich genauer. Im Europäischen Drogenbericht 2014 des „European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction“ (EMCDDA) sticht eine deutsche Stadt im europäischen Vergleich besonders hervor. Von 42 europäischen Städten beim Konsum von Crystal Meth liegt Dresden auf Platz drei, hinter den tschechischen Städten Prag und Budweis. Der Durchschnittswert von Methamphetamin liegt bei der sächsischen Hauptstadt bei 137 Milligramm pro 1000 Einwohner und Tag. In Prag lag der Wert bei 323 Milligramm. In Barcelona, Athen oder Amsterdam lagen die Werte zum Vergleich unter 30 Milligramm. Das als Crystal bezeichnete Methamphetamin gehört zu den gefährlichsten und am schnellsten abhängig machenden Drogen überhaupt.
Dennoch steigt der Konsum seit Jahren. Zoll und Polizei beschlagnahmen zunehmend mehr dieser meist aus Tschechien eingeführten Droge. Nach Deutschland gelangt sie über Tschechien nach Sachsen und Bayern. Mit 80 Euro pro Gramm ist sie relativ billig und verbreitet sich unter den Konsumenten schnell. In Tschechien solle es schon 30.000 abhängige geben. Wegen dem hohen Suchtfaktor kann Crystal Meth auch in Deutschland bald zu einem ernsten Problem werden.
Die Droge sieht aus wie Flocken aus Eiskristall, daher auch der Name Crystal. Die Droge kann geraucht, gesnifft oder gespritzt werden. Sie ist deutlich gefährlicher als Kokain. Crystal hebt kurzfristig die Stimmung und Leistungsfähigkeit, weshalb sie sich nicht nur in der Partyszene verbreitet. Auch Handwerker, Schüler, gestresste Mütter oder berufliche Leistungsträger stimulieren sich durch Crystal. Das fatale ist, dass schon der erste Konsum psychische und physische Veränderungen verursacht. Der körperliche Verfall ist rasant.
Laut dem Bericht gibt es zwei Hauptgebiete, wo Crystal Meth hergestellt wird. Das sind die baltischen Staaten und die Tschechische Republik inklusive ihrer Nachbarländer Slowakei und Deutschland. „Hier basiert die Produktion in erster Linie auf Ephedrin und Pseudoephedrin und vollzieht sich in so genannten kleinen Küchenlabors“, so die Verfasser. Aktiv sind nach Beobachtungen der letzten beiden Jahre vor allem vietnamesische Gruppen der organisierten Kriminalität im tschechischen Markt bei Vertrieb und Produktion. Crystal Meth wird chemisch in kleinen Labors „gekocht“.
Der Trend äußert sich auch in den Behandlungen von Drogenpatienten. „Der in letzter Zeit zu beobachtende Anstieg der Zahl der Amphetaminkonsumenten als Erstpatienten entfällt vor allem auf Deutschland, die Tschechischen Republik und die Slowakei“, so der Bericht. „Ein Teufelszeug ist die Droge Crystal Meth“, sagte der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU). Er werde einen verschärften Kampf gegen das „Kokain des Ostens“ angehen. Im Dresdner Abwasser sind vor allem donnerstags deutlich höhere Werte der Modedroge zu finden. Die Gründe dafür sind unklar. Der Landtag in Sachsen sucht auch Hilfe bei der Bundesregierung, wegen der rasanten Verbreitung. Markus Ulbig wünscht sich zudem ein Polizeiabkommen mit Tschechien, um zusammen gegen die Dealer und Crystalkocher vorzugehen.
Ist Dresden bei Crystal an der Spitze, scheinen Drogen wie Kokain oder Cannabis dort nicht so beliebt. Zu den Cannabis Top drei zählen Novi Sad, Paris und Antwerpen. Hier ist Deutschland also im europäischen Vergleich nicht bei den Spitzenreitern. In den drei Städten lagen die Werte bei über 120 Milligramm pro 1000 Einwohner und Tag, im Vergleich zu Dresden mit lediglich 31 Milligramm.
Das von der EU-Kommission finanzierte Projekt „Sewprof“ untersuchte das Abwasser von 50 europäischen Städten auf Drogenrückstände. Auf deutscher Seite gehörten hier Berlin, München, Dresden, Dortmund und Dülmen dazu. Die relativ kleine Stadt Dülmen mit rund 46.000 Einwohnern kam in die Studie, da dort das Abwasser schon intensiv untersucht wurde, um Medikamenten-Rückstände zu untersuchen. Die Drogenergebnisse sind dennoch überraschend. Die Dülmer Bewohner konsumieren beispielsweise Cannabis über die ganze Woche hinweg. Die Werte für Cannabis sind im Durchschnitt während der ganzen Woche konstant. Am Wochenende dürfen es dann Aufputschmittel wie Speed und seltener Kokain sein, wie die höheren Werte am Wochenende zeigen.
Trotz der geringen Einwohnerzahl mögen die Dülmer scheinbar das als Speed bezeichnete Amphetamin. Hier liegt die Stadt im europäischen Vergleich auf Platz 13. Der Wert liegt bei 67,6 mg pro 1000 Einwohner und Tag und ist damit drei mal so hoch wie etwa in Dresden (22 mg) oder München (22,2 mg). Bei Kokain und Ectasy liegt Dülmen im hinteren Bereich und Crystal Meth wurde gar nicht nachgewiesen.
In Dortmund wiederum ist Kokain die bevorzugte Droge. Gemessen wurde der Bezoylecgonin-Wert, ein Abbaustoff der über den Urin ausgeschieden wird. Mit 324 Milligramm liegt Dortmund hier an der Spitze zwischen Mailand und Amsterdam. Dortmund also die europäische Hauptstadt der Kokser? Umgerechnet werden 280 Kilo Kokain in Dortmund konsumiert. Die Proben waren in Dortmund-Deusen besonders stark mit Bezoylecgonin belastet.
Die Polizei sieht in Dortmund kein Problem mit Kokain. „Die Droge ist zwar immer wieder ein Thema, aber kein besonders großes“, sagt Rainer Laufkötter vom Kommissariat Vorbeugung der Polizei Dortmund. Kokain liegt mit 150 registrierten Delikten weit hinter der Alltagsdroge Cannabis mit 1600 Delikten im Jahr. Auch der Preis liegt mit 50 bis 70 Euro im Landesdurchschnitt. Da Kokain nicht viel billiger als anderswo ist und die Polizei kein übermäßiges Problem feststellen kann, wieso die hohen Werte im Abwasser? Die Polizei bezweifelt die Rückschlüsse auf den Konsum der Bewohner Dortmunds durch den Abwassertest.
An den Ergebnissen zweifelt auch Robert Rutkowski, der ehrenamtlich in Zusammenarbeit mit der Dortmunder Drogenberatung in Schulen Präventionsarbeit macht. „Ich habe als ehemaliger Konsument zunächst lachen müssen, denn die teure Droge habe ich eher in Düsseldorf oder Köln vermutet“, so Rutkowski. Seit zwölf Jahren ist er Abstinent und bezeichnet Kokain als Teufelszeug, das ihn schnell süchtig machte. Den Ausstieg schaffte er nach einem Jahr Konsum allein, auch weil er die teure Droge nicht finanzieren konnte. Heute will er mit seinen Erfahrungen und Geschichten Kindern und Jugendlichen davon abhalten überhaupt damit anzufangen.
Was bedeuten die Drogen im Abwasser eigentlich für das Trinkwasser. „Mehr als 70 Prozent werden aus dem Wasser herausgefiltert“, sagt Ilias Abawi des Wasserwirtschaftsverbandes von Dortmund. Das übrige fließe in die Emscher und später in den Rhein. Dort wird es weiter verdünnt. Das Trinkwasser für die Dortmunder sei absolut frei Drogenrückständen. „Es wird aus dem Sauerland geliefert und ist von bester Qualität“, so die Sprecherin der DEW21. Wie es allerdings für das gesamte Bundesgebiet aussieht, wo vor allem Trinkwasser aus Oberflächenwasser gewonnen wird, ist die Sache unklar.