Wasser ist ein Lebensmittel. Aus diesem Grund ist es auch nicht so einfach, das Wasser abzustellen, wenn die Rechnung mal nicht bezahlt werden kann, wie zum Beispiel beim Gas oder Strom. Das kann sich aber schon bald ändern. Die Industrie hat seit einigen Jahren das Trinkwasser als Zukunftsmarkt für sich entdeckt. Die kommunalen Wasserwerke haben EU-weit ein Leitungsnetz aufgebaut, das perfekt funktioniert. Jeder Bürger der EU bekommt sofort Wasser aus dem Hahn, wenn er es benötigt. Über die funktionierende Kanalisation ist auch das Abwasserproblem gut geregelt. Ein Wermutstropfen bleibt dennoch. Langfristig gesehen hat diese Handhabe für die Industrienationen, die Abfälle und Fäkalien mit Trinkwasser fortspült, keine Zukunft. Vor allem unter dem Aspekt der immer größer werdenden Städte, größerem Wasserverbrauch der Industrie und gleichzeitig immer knapper werdenden Wasserressourcen. Benötigt werden dringend neue technische Lösungen, die nicht nur für die reichen Länder finanzierbar sein müssen, sondern erst recht für wirtschaftlich arme Länder. Genau aus diesem Grund ist den meisten Kommunen der Betrieb der Wasserversorgung ein notwendiges Übel. Gerne würden sie diesen Bereich abgeben und das bedeutet, die Wasserversorgung an private Unternehmen zu verkaufen. Es gibt genug Konzerne, die in diesem Bereich schon sprudelnde Gewinne sehen. Und in einigen Städten ist die Trinkwasserversorgung schon in privater Hand.
Die Wasserwirtschaft in der EU
Länder innerhalb der EU, die kein Interesse an der Privatisierung haben, müssen dem politischen Druck nachgeben. In der EU soll der Wassermarkt „liberalisiert“ werden. Das heisst eigentlich „Befreiung“, ist von dem Begriff allerdings weit entfernt. Besonders Frankreich und Deutschland machen sich für die Liberalisierung stark. Das ist verständlich, da in den beiden Ländern die größten privaten Wasseranbieter sitzen. Die Politiker haben verschiedene Möglichkeiten ihr Ziel zu erreichen. Durch die EU-Verfassung, das Grünbuch, das Weißbuch und die Binnenmarktrichtlinien versuchen EU-Kommision und EU-Ministerrat die Privatisierung des Wassers durchzusetzen. Die EU-Kommision und der EU-Ministerrat haben die Entscheidungsgewalt auf EU Ebene. Durch die Unterzeichnung vieler EU-Verträge in den letzten Jahrzehnten haben die einzelnen EU-Länder kaum noch die Möglichkeit nationale Interessen durchzusetzen.
EU-Recht ist stärker als das nationale Recht. Mit der sogenannten Lissabonstrategie soll die EU „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ werden. Die Grundlage dafür ist die Europäische Verfassung, die in beängstigendem Maße wirtschaftliche Interessen verfolgt und eine Verpflichtung zur militärischer Aufrüstung forciert, um weltweite militärische Einsätze unter EU-Oberbefehl zu ermöglichen. Das Begehren des Volkes ist in der EUVerfassung eher zweitrangig. Das die Politiker in der EU von der Industrie in den Schwitzkasten genommen werden, zeigen allein die 10.000 Lobbyisten und Interessengemeinschaften (pressure groups) aus der Wirtschaft. In Brüssel arbeiten diese Lobbyisten tagtäglich an runden Tischen fleißig daran, ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen.
Der weltweite Wassermarkt und die Rolle Deutschlands
Die Politiker der großen Industrienationen, vor allem in der EU, sind mit ihren Überlegungen schon weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Für die Großunternehmen dieser Nationen soll der Wassermarkt weltweit geöffnet werden. Die Pioniere der Wasserprivatisierung waren Frankreich und England. Doch Deutschland nimmt inzwischen eine Hauptrolle ein. Natürlich geschieht das unter dem Deckmantel der „Hilfe“ zur Lösung der Probleme mit der Trinkwasserversorgung anderer Länder, soll aber in Wahrheit für eine „schlagkräftige deutsche Wasserwirtschaft“ sorgen (Uschi Eid, Staatssekretärin im BMZ). Das Ziel Deutschlands ist es, den beiden größten Wasserkonzernen Suez und Véolia gleichzukommen, wenn nicht diese sogar zu überragen. Die Ministerien BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und das BMWA (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) sind die aggressivsten Vetreter der Wasserprivatisierung auf EU und WTO-Ebene.
Es werden hunderte von Millionen Euros investiert, um der deutschen Wirtschaft den Einstieg in den Zukunftsmarkt Wasser in der dritten Welt und in der EU zu erleichtern. Die Hilfen der BMZ für die Unternehmen sind geradezu mit allen Wassern gewaschen: großzügige Kredite, Auslandsbüros, Hermesbürgschaften (Schutz für die deutschen Unternehmen vor Verlusten der ausbleibenden ausländischen Zahlungen), die deutschen Botschaften als Anlaufstellen, Gewinnabsicherungen und nicht zuletzt Ratschläge, wie das Vertrauen von den Entscheidern im Ausland gewonnen werden kann. Deutsche Organisationen wie GTZ (Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit), KFW (Kreditanstalt für Wiederaufbau), DEG (Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH), Europäische Zentralbank und viele andere unterstützen bereitwillig die Konzerne bei deren Vorhaben.
Das Jahrzehnt des Wassers
Dass die Hilfe für die armen Länder meist wirtschaftlichen Interessen dient und nicht humanitären, zeigt das Beispiel der UNO deutlich. UNOPräsident Kofi Annan hat für den Zeitraum 2005 – 2015 das „Jahrzehnt des Wassers“ ausgerufen. Das Ziel der Kampagne ist es, bis 2015 die Zahl der Menschen zu halbieren, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Ein ehrenwertes Ziel – doch es wird nicht erreicht werden. Von den ca. 6,8 Milliarden Menschen heute haben 1,3 Milliarden Menschen (19 %) keinen Zugang zu sauberem Wasser. 2,4 Milliarden Menschen (35 %) leben in einer Situation, in der die Abwässer aus Industrie und Haushalt überwiegend ungefiltert in die Flüsse geleitet werden. Die natürliche Regeneration des Wassers ist schon völlig ausgeschöpft und die Verschmutzung schreitet mit großen Schritten voran.
Das Ziel der UNO im „Jahrzehnt des Wassers“ ist es, die armen Länder und die reichen Länder gemeinsam zu bewegen, Lösungen zu entwickeln und vor allem Geld dafür bereitzustellen. Wer glaubt, die reichen Nationen machen gerne Geld für eine Lösung des weltweiten Wasserproblems locker, sollte mal 20 Jahre zurückdenken. Die weltweiten Probleme sind der Politik nämlich nicht neu. Von 1981 – 1990 wurde schon einmal das „Jahrzehnt des Wassers“ ausgerufen. Damals war das Ziel sogar noch nobler. Es sollte allen Menschen der Welt der Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen ermöglicht werden. Das Ziel wurde nicht nur verfehlt, es konnte nicht mal der damalige Stand gehalten werden. Vielmehr hat sich die Situation heute sogar verschlimmert. Auch deshalb hat Kofi Annan das neue Ziel nicht so hoch geschraubt und will nur die Hälfte der Betroffenen mit sauberem Wasser versorgen. Was mit der anderen Hälfte passieren soll, steht in den Sternen. Er kennt die reichen Industrienationen und ihre Interessen sehr genau. Sie sind schließlich nicht so mächtig und reich geworden, weil sie gerne geben – vielmehr weil sie nehmen.
Ist Wasser Ware oder Menschenrecht?
Den nichtstaatlichen Organisationen, die seit Jahrzehnten versuchen, humanitäre Hilfe zu leisten und kleinere Wasserprojekte aufzubauen, kann nur gedankt werden, da sie wirklich den Menschen helfen wollen und nicht an Profite denken. Nur gibt es viel zu wenige, um wirklich etwas zu bewegen. Die staatliche Entwicklungshilfe auf der anderen Seite hat, wie schon erwähnt, nicht diese Philosophie. Die reichen Nationen investieren nur in den Regionen Geld, in denen für die eigene Wirtschaft neue Märkte entstehen können. Wenn die Politik also die Wirtschaft animiert, in anderen Ländern zu investieren und das Wasserproblem zu lösen, weiß die Politik genau, dass nur Interesse besteht, wenn Profite erzielt werden können. Wer jetzt denkt, das sei brutal, der irrt. Das Grundprinzip jeden unternehmerischen Denkens und Handelns ist es, Gewinne zu erwirtschaften. Es gibt zwar Unternehmen mit moralischem Gewissen, die sich somit ihrer Verantwortung für die Menschen bewusst sind. Aber auch andere, für die es kein Halten gibt.
Die Globalisierung und der Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt, lassen leider bei immer mehr Unternehmen skrupellosere Handlungsweisen aufkommen, um sich in dem Haifischbecken Wirtschaft überhaupt noch behaupten zu können. Die Verpflichtung gegenüber den Aktionären spielt da auch noch eine wesentliche Rolle. Beim Thema Wasser ist die Versuchung der Großkonzerne umso größer, nicht primär an das Allgemeinwohl zu denken. Schließlich haben die Menschen kaum eine Wahl, egal ob in den reichen Nationen, in denen mit großen Wasserressourcen, in den armen Nationen oder in denen mit Wasserknappheit. Wasser ist überlebensnotwendig und wer das Wasser kontrolliert, hat garantierte Abnehmer. Alle Menschen müssten sich bei der Privatisierung letztlich der Abhängigkeit der Unternehmen beugen, oder das Wasser in Flaschen aus dem Discounter kaufen. Die Privatisierung des Wassers ist also nicht nur ein Problem der armen Länder, sondern liegt genau vor unserer Haustür. Wasser sollte ein Menschenrecht sein und die Wasserversorgung eine öffentliche, dem Gemeinwohl dienende Angelegenheit. Menschenrechte können aber nicht verkauft werden und deshalb wollen internationale Organisationen wie die Weltbank oder die Europäische Kommision Wasser als Ware durchsetzen.
Die Weltbank ist schon dabei, für die weltweiten Wasserressourcen ein internationales Wassermanagement auszuarbeiten. Die Weltbank argumentiert damit, den armen Ländern besser helfen zu können und in Zukunft Konflikte um Wasser zu verhindern, sobald Wasser eine Handelsware ist. Ist Wasser erstmal eine Ware, dann ist für ein Unternehmen der Profit das Wichtigste. Dann fangen unternehmerische Überlegungen an. Welcher Preis ist gerade noch erträglich für die Bevölkerung? Wie können Kosten eingespart werden? Das Wasser sauber bekommen – kostet Geld. Wasserleitungen reparieren und modernisieren – kostet Geld. Wasserwerke reparieren und modernisieren – kostet Geld. Die Umwelt schützen – kostet Geld. Die Wasserqualität erhöhen – kostet Geld. Die zukünftige Wasserversorgung für alle sichern – kostet Geld. Programme zum Wasser sparen – darauf wird verzichtet. Das bringt ja schließlich weniger Umsatz und es soll soviel Ware wie nur möglich verkauft werden. Die Einsparungen und nicht getätigten Investitionen in das Leitungsnetz werden wir in den nächsten 10-20 Jahren kaum merken. Ist das Netz dann marode und undicht, muss zwangsläufig modernisiert werden. Dann steigt der Wasserpreis mit Sicherheit um ein Vielfaches und der Staat wird auch um finanzielle Hilfe gebeten. Es geht ja schließlich um die Grundversorgung. Werden dann Zuschüsse und Gelder vom Staat bewilligt, sind es unsere Steuergelder, die das private Leitungsnetz eines Unternehmens modernisieren. Während sich also einige wenige jahrelang die Gewinne teilen, werden die Kosten an uns allen hängen bleiben. Mit dem erhöhten Wasserpreis und durch unsere Steuergelder.
Wer zuletzt lacht …
Wer kennt nicht die weltberühmte Einleitung aus den Asterix-Comics: Ganz Gallien ist von den Römern besetzt … Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Bei dem folgenden Absatz handelt es sich nicht um eine fiktive Geschichte, sondern um die Realität. Das wir nämlich nicht völlig hilflos zuschauen müssen, wie uns die westliche Politik und die Wirtschaft das Wasser abgräbt, zeigt der Kampf eines indischen Dorfes gegen einen der größten Softdrink Produzenten der Welt. Im indischen Bundesstaat Kerala, der wegen seiner fruchtbaren Böden als die Reiskammer Indiens bezeichnet wird, ist es einem Dorf gelungen, einen geradezu übermächtigen, Gegner in die Knie zu zwingen: den Coca Cola Konzern. „Es ist die Aufgabe der Regierung (…), Luft, Wasser und Wälder für den Bedarf der gesamten Bevölkerung zu schützen, anstatt ihre private Nutzung aus kommerziellen Gründen zu gestatten (…)“, sagte ein indischer Richter und beendete das ausbeuterische Treiben von Coca Cola im indischen Plachimada. Coca Cola hatte im Jahr 2000 eine Abfüllanlage in Plachimada errichtet. Angeliefert wurde nur der Sirup für den Softdrink. Das Wasser für die Getränke und zum Reinigen der Anlage wurde einfach der Region entzogen.
Mit ihren Hochleistungspumpen förderte das Unternehmen täglich bis zu 1,5 Millionen Liter Wasser aus den Böden der Region, das eigentlich für die Trinkwasserbrunnen und für den Reisanbau notwendig war. So dauerte es auch nicht allzu lang, bis der Grundwasserspiegel von 45 Meter auf 150 Meter Tiefe absank. Über 260 Brunnen trockneten völlig aus und die Frauen mussten am Ende kilometerweit gehen, um ihre Familien mit Trinkwasser zu versorgen. Die Produktion von Reis ging in dieser Region um 10% zurück. Was kaum einer für möglich hielt: Coca Cola hat es tatsächlich geschafft, eine wasserreiche Gegend so auszubeuten, dass ein Wassermangel eintrat. Drei Jahre später rächte sich diese Firmenpolitik. Die vor allem von den Frauen organisierten Demonstrationen und Sitzstreiks ließen den Druck auf die Regierung und den Konzern steigen. Der Gemeinderat entzog schließlich Coca Cola die Produktionserlaubnis, obwohl das Unternehmen noch versuchte, den Vorsitzenden mit Bestechungsgeld in Millionenhöhe davon abzubringen.
Bei der anschließenden Klage, die Entscheidung des Gemeinderats anzufechten, entschied der Oberste Gerichtshof ebenso gegen den Konzern. Ein Sieg für das Wasser als „Allgemeingut für alle Menschen“. Heute ist noch ein weiteres grausiges Detail der Machenschaften dieses Multis bekannt. Neben der Ausbeutung der Wasserressourcen hat Coca Cola den mit Kadmium und Blei verseuchten Müll den Bauern als kostenlosen Dünger gegeben. Der Restmüll wurde einfach mit den Produktionsabwässern in die trockenen Brunnen auf dem Betriebsgelände entsorgt. Damit hat Coca Cola neben dem Wasserklau auch noch den Rest von den Wasserreserven vergiftet. Die Geschichte sprach sich schnell in Indien herum und Anfang 2005 bildeten sich riesige Menschenketten vor den Coca Cola und Pepsi Fabriken.
Die Forderung der Inder war eindeutig: Die Wasser-Piraten sollen das Land verlassen. Es ist schön zu sehen, dass, wenn sich die Menschen zusammentun, die Regierungen und multinationalen Konzerne klein beigeben müssen. Es ist wichtig, dass sich alle Menschen auf der Welt dafür einsetzen, damit Wasser Menschenrecht bleibt und nicht zur Ware wird. Was kann der Einzelne tun? Viel! Alle Aktivitäten, die das Wasser schützen, egal wie klein sie scheinen, sind ein richtiges Signal. Achten Sie bei ihrem Konsum auch auf virtuelles Wasser, informieren Sie sich und andere über Wasser, beteiligen Sie sich an Unterschriftenaktionen, übernehmen Sie eine Bachpatenschaft, arbeiten Sie an den vielen Wasserforen im Internet mit oder helfen Sie mit einer Spende den humanitären Organisationen. Wer jetzt denkt, dass ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, bei dem ist das Glas halb leer. Aber jeder, der darin ein halb volles Glas sieht, weiß: Der stete Tropfen höhlt den Stein.
Die größten Wasserkonzerne:
Frankreich:
Suez Lyonnaise / Veolia / Danone / SAUR
Deutschland:
RWE / Thames Water / American Waterworks / Aqua Mundo / Berlinwasser/ Gelsenwasser
Großbritannien:
Biwater / Severn Trent / United Utilities
Schweiz:
Nestlé
USA:
Bechtel / Coca Cola