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Für Profite der Krankenkassen machen Ärzte Patienten kränker als sie sind

NewsFür Profite der Krankenkassen machen Ärzte Patienten kränker als sie sind

Es ist ein Skandal. Einige Ärzte machen scheinbar absichtlich Fehldiagnosen, damit Krankenkassen mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich zu bekommen. Patienten werden in ihren Krankenakten kränker dargestellt als sie eigentlich sind.

Krankenkassen versuchen Ärzte dahingehend zu beeinflussen, dass sie ihre Patienten als kränker in ihren Patientenakten erfassen als sie tatsächlich sind. Ärzte bekommen Besuch von den Krankenkassen, um Diagnose-Daten abzusprechen. Das geht soweit, dass Ärzte gegenüber ihren Patienten bewusst Ängste schüren und auf mögliche Verschlimmerungen der Krankheit oder Folgeerkrankungen explizit hinweisen.

Der Grund dafür ist einfach. Die Krankenkassen wollen mehr Geld aus dem Gesundheitsfond, dem Risikostrukturausgleich, bekommen. Je mehr schwerwiegende Diagnosen gestellt werden, desto mehr fließt das Geld. Für den Arzt springt eine Prämie heraus. Sogar eigentlich gesunde Patienten sind laut Patientenakte krank. Die Prämie erhalten Ärzte aus den sogenannten Betreuungsstrukturverträgen. So erhält etwa ein Arzt bis zu 12 Euro pro Patient, wenn bestimmte Diagnosen abgerechnet werden. : „Insofern kann man davon ausgehen, dass 2.000 bis 3.000 Euro pro Quartal für manche Praxen mehr an Zuweisungen entsteht, die sie dann von den Kassen bekommen. Und das ist immerhin eine Summe, für die es sich lohnt vielleicht dann bestimmte Diagnosen häufiger zu stellen“, erklärt Gesundheitsökonom Prof. Gerd Glaeske gegenüber Plusminus den lukrativen Anreiz.

Medikamente sollen eigentlich dem Patienten bei Erkrankungen helfen. Die Pharmaindustrie hat sich aber in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Profit geht vor medizinischer Notwendigkeit und vor allem vor Ethik. Ein Kritiker der gängigen Machenschaften der Pharmaindustrie ist der dänische Mediziner Peter Gøtzsche. Er arbeitete selbst für Arzneimittelhersteller und spricht als Insider der Branche. Heute leitet er das Nordic Cochrane Center in Kopenhagen. Er behauptet, dass die Pharmaindustrie mehr Menschen tötet als die Mafia und kritisiert auf schärfste das aktuelle System der Arzneimittelproduktion, -vermarktung und –überwachung.

Ein Beispiel für die Profitgier ist ein Krebsmittel, dass unter einem anderen Namen als Mittel gegen Multiple Sklerose neu auf den Markt gebracht wurde – für den vierzigfachen Preis. Auch schreckt die Pharmaindustrie nicht davor zurück, Krankheiten zu erfinden, wie Worldtimes-Online bereits berichtete – Erfundene Krankheiten der Pharmaindustrie.

Die Krankenkassen in Deutschland scheinen sich das Geschäftsgebaren der Pharmaindustrie anzunehmen und beeinflussen Ärzte mehr Krankheiten zu Diagnostizieren. Laut Ärztezeitung wurden im Jahr 2013 etwa 107 000 Schrittmacher sowie rund 47 000 ICD- beziehungsweise CRT-Geräte implantiert. Das entspricht pro eine Millionen Bürger etwa 348 ICD-/CRT-Systeme jährlich. Das sind drei Mal so viele Operationen wie in der Schweiz oder Schweden. Auch bei den Schrittmachern liegt Deutschland mit 947 weit vorne gegenüber 708 in Schweden oder 566 in Schweiz. Laut dem Bericht lassen sich die Unterschiede nicht über unterschiedliche Demografische oder ökonomische Aspekte erklären.

Künstliche Hüftgelenke sind bei Deutschen Ärzten scheinbar ein Bestseller. Weltweit werden pro Jahr etwa zwei Millionen künstliche Hüftgelenke eingesetzt. In Europa sind es etwa 800.000 und davon gehen 220.000 allein in Deutsche Patienten. 10 Prozent der weltweit eingesetzten Hüftgelenke nur für Deutschland? Mehr als ein Viertel der EU?

Christoph Meyer, Facharzt für Allgemeinmedizin, bekommt regelmäßig Besuch von Mitarbeitern diverser Krankenkassen. “ Sie legen einem Listen vor. Ich hab hier ein Beispiel: Ich soll höherwertige Diagnosen finden, verpassen, anpassen. Höherwertig aber nur in dem Sinne, dass diese Diagnosen den Krankenkassen mehr Geld in den Topf spülen und die Patienten benachteiligen“, so Dr. Meyer in Plusminus.

Damit die Krankenkassen mehr aus dem Risikostrukturausgleich erhalten, sind 80 schwere Krankheiten maßgeblich. Dazu gehören Erkrankungen wie Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Je mehr Versicherte unter diesen Krankheiten leiden, desto profitabler für die Krankenkasse. Für viele Experten ist das ein Problem im Risikostrukturausgleich. “Zunächst einmal war gesetzlich geregelt, dass die Diagnosen, die einbezogen werden sollten, schwerwiegend sind, chronisch, teuer und eng abgrenzbar. Nun ist aber eine leichte Depression eben nicht vor allem eng abgrenzbar von einer mittelschweren oder schweren, das heißt, ich hab da einen gewissen Spielraum“, kritisiert Prof. Gerd Glaeske bei Plusminus.

Für die Patienten kann das schwerwiegende Folgen haben, wie Timo H. es erleben musste, der eigentlich kerngesund ist. Laut seiner Patientenakte ist er jedoch adipös (Fettleibig), soll an Atemaussetzern im Schlaf und Kribbeln in den Beinen leiden sowie Flüssigsauerstoff benötigen. Die Daten aus seiner Patientenakte hat er zufällig herausbekommen, als er von der gesetzlichen zu einer privaten Krankenkasse wechselte. Beim Wechsel musste Timo H. diverse Gesundheitsfragen beantworten. Als er dann erste Arztrechnungen an die Krankenkasse übermittelte, lehnte diese die Zahlung ab, wegen vorsätzlicher Täuschung. Seine Angaben decken sich nicht mit den Daten aus seiner Patientenakte.

Bei dem großen Profit-Spiel mischen auch private Dienstleister mit wie die Stuttgarter Firma „AnyCare“. Die Mitarbeiter des Unternehmens rufen im Auftrag von Krankenkassen bei chronisch kranken Patienten an. Das Ziel ist es die Menschen zu einem Arztbesuch zu bewegen, denn nur wenn Patienten zweimal pro Jahr zum Arzt gehen, bekommen Krankenkassen zusätzliches Geld. „Wir haben von Krankenkassen Listen mit Patientendaten bekommen, also Name, Adresse, Geburtsdatum, Telefonnummer und Diagnose. Die haben wir angerufen, um sie dazu zu bewegen, zum Arzt zu gehen, auch wenn sie sich eigentlich fit fühlen. Uns war klar, dass es da nur ums Geld für die Kassen ging“, sagt eine ehemalige Mitarbeiterin von AnyCare. Das Unternehmen wirbt laut Unterlagen, die Plusminus vorliegen, die “Einnahmesituation der Kassen zu verbessern“. AnyCare gibt den Krankenkassen sogar Renditegarantien und sagt: „Die Kampagne rechnet sich“.

Wie profitabel das Geschäft ist, zeigt eine Beispielrechnung zu Patienten mit Gelenkverschleiß. AnyCare nimmt eine pauschale von 34,51 Euro pro angerufenen Patient. Für die Krankenkasse sind das Kosten von rund drei Millionen Euro. Die Kassen wiederum bekommen mehr als 12,5 Millionen Euro aus dem Risikostrukturausgleich. AnyCare scheint am Telefon scheinbar wirklich überzeugend zu sein. Auf jeden Fall ein sehr profitables Geschäft für beide.

„Um die Patienten zum Arzt zu bekommen, haben wir auch Ängste geschürt, auf Folgeerkrankungen oder mögliche Verschlimmerungen der Krankheit hingewiesen. Irgendwann wurde mir dann klar, dass man da ein völlig verkehrtes und manipuliertes Gesundheitssystem unterstützt“, sagt die ehemalige Mitarbeiterin von Anycare. Als Plusminus das Unternehmen zu diesen Vorwürfen anfragt, antwortet AnyCare, dies diene lediglich einer besseren medizinischen Versorgung und der Prävention. “ Welche Konsequenzen der Patient aus den Informationen von AnyCare zieht, ist ausschließlich seine autonome Entscheidung – auch ob er zum Arzt geht oder nicht.“

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