Die Lebensmittelindustrie ist trickreich, um ihre Produkte dem Konsumenten nicht nur schmackhaft zu machen. Gerne werden die Produkte als gesünder dargestellt als sie eigentlich sind. Besonders gerne werden Produkte mit zusätzlichen Vitaminen gekauft, weshalb auch Softdrinks und Süßigkeiten gerne mit den „extra“ Vitaminen werben.
Die Regalreihen von Discountern und Lebensmittelläden sind voll von Produkten, die auf ihren Verpackungen mit zusätzlichen Vitaminen werben. Viele davon sind eher das Gegenteil von gesund, den sie enthalten meist zu viel Fett oder zu Süßmittel. Die Verbraucherschutzorganisation wollte sich das Ausmaß solcher irreführenden Werbung genauer ansehen. Im Frühjahr wurden deshalb in Deutschland und den Niederlanden jeweils einer der drei umsatzstärksten Lebensmittelmärkte ausgesucht und alle Produkte erfasst, die mit Vitaminen auf der Verpackung werben.
In der Bundesrepublik waren es 214 Produkte und in den Niederlanden mit 430 sogar doppelt so viele. Anhand des WHO-Nährwertprofilmodells wurden die Produkte entweder als ausgewogen oder unausgewogen eingestuft. Die Resultate sind eindeutig. In den Niederlanden sind 79 Prozent der Produkte (325 von 430) die mit Vitaminen werben unausgewogene Lebensmittel. In Deutschland waren es 89 Prozent (190 von 214) Produkte, welche die Kriterien des WHO-Nährwertprofilmodells für ausgewogene Lebensmittel nicht erfüllen konnten. Gerade mal jedes zehnte Lebensmittel mit beworbenen zusätzlichen Vitaminen gehört zu einer ausgewogenen Ernährung.
Diese Marketing-Strategie wird natürlich gerne bei Süßigkeiten und Softdrinks angewandt, um sie attraktiver und gesünder wirken zu lassen. Der Verbraucher hat dann nicht gleich so ein großes schlechtes Gewissen, schließlich sind Vitamine ja gut für den Körper. „Ob Fruchtgummis, Bonbons oder zuckrige Getränke – die Lebensmittelhersteller nutzen die Unfähigkeit der EU schamlos aus, sich endlich auf Regeln zu einigen“, so foodwatch. Gemeint ist die Health-Claims-Verordnung der EU, die solche irreführenden Werbungen nicht erlauben würde. Es dürften dann nur Lebensmittel die als ausgewogen eingestuft sind mit gesundheits- oder nährwertbezogenen Angaben werben dürfen. Schon 2009 hat die EU-Kommission einen Entwurf für diesen Verbraucherschutz vorgelegt, doch bisher wurde die Verordnung nicht umgesetzt.
Auch wenn die Health-Claims-Verordnung kommt, bleibt unklar, ob die in der Verordnung festgeschriebenen Nährwertprofile bleiben oder gestrichen werden. Die EU führt derzeit eine Evaluierung der Health-Claims-Verordnung bezüglich der Nährwertprofile durch. Begründet wird dies mit dem sogenannten REFIT-Programm, welches für eine Vereinfachung von Gesetzen steht.
Nicht nur die Irreführung des Verbrauchers wird bei dieser Werbestrategie kritisiert. Es besteht bei solchen Produkten die Gefahr einer Überdosierung von Vitaminen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät von der Anreicherung bei Lebensmitteln mit Vitamin D und Vitamin A, ausgenommen Margarine, ab. Trotzdem sind in den Regalen viele zuckersüße ACE Getränke zu finden. „Hier wird gezielt mit der Angst von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor einem Vitaminmangel gespielt, um die Produkte als gesund zu vermarkten“, heißt es in der Studie von foodwatch.
Die zugesetzten Vitamine sind in 85 Prozent der Produkte zudem künstlich hinzugefügt. Eigentlich sind zusätzliche Vitamine in Lebensmitteln gar nicht nötig. Mangelerscheinungen von Vitaminen kommen in der heutigen Gesellschaft der EU so gut wie gar nicht vor. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sagt, dass die Bundesbürger ausreichend mit Vitaminen versorgt sind. Eine ganz andere Problematik in der Ernährung ist viel gravierender, nämlich die Fehlernährung durch zu viel Zucker und Fett. Die Zahl der Übergewichtigen nimmt rasant zu. In der Bundesrepublik gelten 60 Prozent der Bürger als übergewichtig. Die Kosten für krankhafte Fettleibigkeit (Adipositas) werden auf 63 Milliarden Euro gesamtgesellschaftliche Kosten geschätzt. Auch Diabetes Typ II wird immer mehr zu einer Volkskrankheit. Mehr als 6 Millionen Menschen sind in der BRD an Diabetes Typ II erkrankt.
Erschreckend ist die Entwicklung bei den Kindern. Bei einer Untersuchung vor der Einschulung stellten Ärzte in Thüringen bei 2131 Kindern Übergewicht fest. 11,4 Prozent der Erstklässler hatten demnach Übergewicht. Zwar entspricht der Wert etwa dem der Vorjahre, doch der Unterschied, doch knapp die Hälfte der übergewichtigen Schüler (4,7 Prozent) seien adipös, wie die Anthropologin Katrin Kromeyer-Hauschild von der Uniklinik Jena anmerkt.
Das sind nach Einschätzung der Anthropologin eindeutig zu viele Kinder. „Nach der statistischen Erwartung dürften es nur drei Prozent sein. Die Gründe für Übergewicht sind bekannt: ungesundes Essen und zu wenig Bewegung“, so Kromeyer-Hauschild. Noch bedenklicher zeigen sich die Daten der höheren Schulklassen, denn das Übergewicht steigt mit zunehmendem Alter. Im Vorjahr waren 1869 Schüler der vierten Klasse zu dick. Das waren 18 Prozent aller Schüler der vierten Klasse. Krankhaft Fettleibig waren dort rund sieben Prozent. In den achten Klassen waren 21 Prozent übergewichtig und die Hälfte davon adipös. Es ist zu befürchten, dass die Zahlen weiter steigen, denn die Erstklässler von heute sind die Viert- und Achtklässler von morgen.