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Gericht entschied zugunsten der Mineralwasserbetriebe

Als mündiger und gut informierter Konsument ist man versucht zu glauben, dass natürliches Mineralwasser von ursprünglicher Reinheit ist. So jedenfalls ist es der europäischen Mineral- und Tafelwasserverordnung (MTVO) zu entnehmen. Aber was bedeutet ursprüngliche Reinheit? Dass Rückstände von Pestiziden ebenfalls dazugehören dürfen, scheint im ersten Moment paradox. Pestizide und natürlicher Ursprung passen irgendwie nicht zusammen. Doch der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg hat entschieden, dass bestimmte Abbaurückstände, sogenannte Metabolite, im natürlichen Mineralwasser mit der Mineral- und Tafelwasserverordnung vereinbar sind. Mit dem Urteil hob der Verwaltungsgerichtshof die Stilllegung von acht Quellen auf (Aktenzeichen 9 S 2883/11). Damit haben es die fünf Brunnen Aqua Römer, Eico-Quelle, Fontanis, Klipper und Teusser geschafft, sich gegen die Stilllegung durch das Regierungspräsidium Stuttgart zu wehren. Stillgelegt wurden die Quellen wegen der Metaboliten im Mineralwasser.


BWIZ MineralwasserbrunnenBereits 2011 hatten die Brunnen vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart Erfolg (Aktenzeichen: 4 K 3987/10). Jetzt wurde vom Verwaltungsgerichtshof dieses Urteil bestätigt, doch wurden andere Gründe dafür aufgeführt. Zudem lässt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg keine weitere Revision zu. Im Urteil wird die Entscheidung damit begründet, dass ein Widerruf einer staatlichen Anerkennung als natürliches Mineralwasser aufgrund von vorhandenen, aber für die menschliche Gesundheit unschädlichen Verunreinigungen durch Abbauprodukte (Metaboliten) von Pflanzenschutzmitteln nicht gegeben ist, auch wenn nach dem Gebot der Mineral- und Tafelwasserverordnung (MTVO) keine Schadstoffe enthalten sein dürfen. Es ist „danach […] nur eine normative Reinheit gefordert. Die Grenze zwischen anerkennungsfähigem und nicht anerkennungsfähigem Mineralwasser unter dem Gesichtspunkt von Verunreinigungen muss wegen ihrer Auswirkungen auf die Berufsfreiheit in der Verordnung selbst festgelegt werden.

Ein herangezogener ‚Orientierungswertʼ für Pflanzenschutzmittel und Arzneimittel von 0,05 µg/l in einer behördeninternen Verwaltungsvorschrift ersetzt die gebotene normative Regelung nicht.“

Das Gericht begründete zudem, damit auf Basis solcher Qualitätsanforderungen so stark in die Berufsfreiheit eingegriffen werden könne, sei ein Gesetz nötig. Damit seien schon die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Widerruf der staatlichen Anerkennung als natürliches Mineralwasser gar nicht gegeben. Zudem sei es zweifelhaft, ob das deutsche Recht mit einer einschlägigen EU-Richtlinie vereinbar sei. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe mit der Stilllegung rechtswidrig gehandelt, weil sie nicht erwogen habe, ein in dieser Richtlinie geregeltes Verfahren zur Festlegung von Grenzwerten durch die EU-Kommission anzustrengen. Auch vermisste das Gericht die Voraussetzung, dass ohne den Widerruf der staatlichen Anerkennung das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Dafür müsse ein drohender Schaden für den Staat, die Allgemeinheit oder wichtige Gemeinschaftsgüter vorliegen. Das treffe hier laut Urteil nicht zu. Da Gesundheits- und Verbraucherschutz oder der Schutz eines fairen Handels die absolute Reinheit eines „natürlichen Mineralwassers“ nicht erforderten. Damit stehe fest, dass Mineralwasser mit Rückständen von Pestiziden laut dem Urteil einem „natürlichen Mineralwasser“ entspreche, auch wenn ein „Orientierungswert“ für Pflanzenschutzmittel und Arzneimittel von 0,05 µg/l in einer behördeninternen Verwaltungsvorschrift überschritten wurde. Es war ein langer Weg bis zu diesem abschließenden Urteil, und das Regierungspräsidium Stuttgart hat alles versucht, um die Verbraucher vor diesen Mineralwässern zu schützen – vergebens.

BWI zuckerruebeDie amtliche Anerkennung und Nutzungsgenehmigung

Die Klägerin, die dieses Mineralwasser gewerblich vertreibt, erhielt mit Bescheid vom 12.12.2002 durch das Regierungspräsidiums Stuttgart die amtliche Anerkennung und Nutzungsgenehmigung für die Quelle. Zunächst war das Wasser auch nicht mit Pestizidrückständen belastet, wie eine Mineralwasseranalyse vom Januar 2006 ergab. Es war ein „calcium-, magnesium-, hydrogencarbonat-, sulfathaltiges Mineralwasser“, bei dem keine anthropogenen Stoffe einschließlich Pflanzenschutz- oder Schädlingsbekämpfungsmitteln nachweisbar waren. Eine Analyse des Brunnenwassers vom Mai und Juni 2007 durch das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart konnte eine Konzentration von 0,17 μg/l Desphenylchloridazon nachweisen. Dieses Abbauprodukt stammt vom Pflanzenschutzmittels (Herbizid) Chloridazon, welches überwiegend im Zuckerrübenanbau verwendet wird. Um Fehler auszuschließen, wurde mit einer weiteren Untersuchung im Juli/August dieser Befund durch ein Institut bestätigt, welches 0,18 μg/l Desphenylchloridazon nachwies. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt analysierte im Februar und April 2008 nochmals das Brunnenwasser, und das Ergebnis ließ Schlimmes ahnen. Es wurden eine erhöhte Konzentration von 0,32 μg/l Chloridazondesphenyl und erstmals 0,017 μg/l Chloridazon-methyl-desphenyl entdeckt.

Mit Bescheid vom 31.05.2006 erhielt die Klägerin eine amtliche Anerkennung und Nutzungsgenehmigung für eine andere Quelle, da sich die Nutzung änderte. Die Klägerin erweiterte die Betriebsanlage um eine 8,8 Kilometer lange Mineralwasserleitung zwecks Abfüllung dieser Quelle in ihrem Betrieb. Bei dieser Quelle ergab eine Analyse durch das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt vom Juli/August 2007 eine Konzentration von 0,37 μg/l N,N-Dimethylsulfamid. Dies ist ein Abbauprodukt des Pflanzenschutzmittels Tolylfluanid, ein Fungizid, welches im Obst- und Beerenanbau eingesetzt wird. Auch hier kam es zu einer Bestätigung im August und November durch ein Institut, welches Konzentrationen von 0,34 bzw. 0,33 μg/l N,N-Dimethylsulfamid nachweisen konnte. Genau wie bei der ersten Quelle haben spätere Untersuchungen einen Anstieg der Konzentration gezeigt. 2008 lag der Wert bei 0,40 μg/l N,N-Dimethylsulfamid und im September 2009 bei 0,41 μg/l N,N-Dimethylsulfamid.

BWI beerenWiderruf der amtlichen Anerkennung und Nutzungsgenehmigung

Das Regierungspräsidium Stuttgart bat die Betreiberin mit Hinblick auf einen möglichen Widerruf der amtlichen Anerkennung und Nutzungsgenehmigung der beiden Quellen zu einer Anhörung. Die Klägerin gab an, dass die beiden Quellen rund 50 Prozent ihrer Gesamtproduktion ausmachen und daher existenziell für den Betrieb seien. Dennoch widerrief das Regierungspräsidium Stuttgart am 15.09.2010 die amtliche Anerkennung und Nutzungsgenehmigung der beiden Quellen mit der Begründung, dass der festgestellte Gehalt an Metaboliten von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen eine Verunreinigung darstelle und die ursprüngliche Reinheit im Sinne von § 2 Nr. 2 der Verordnung über natürliches Mineralwasser, Quellwasser und Tafelwasser vom 01.08.1984 nicht gegeben sei. Dabei gelte für natürliches Mineralwasser nicht der höchstzulässige Grenzwert von 0,1 μg/l für Pflanzenschutzmittel und ihre relevanten Metaboliten bzw. von 0,5μg/l für deren Summe nach § 6 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Teil II Trinkwasserverordnung. Vielmehr komme die normkonkretisierende Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Anerkennung und Nutzungsgenehmigung von natürlichem Mineralwasser vom 09.03.2001 (AVV) zur Geltung, auch wenn es keinen sogenannten Orientierungswert für Metaboliten einzelner Pflanzenschutzmittel gibt. Die Metabolite seien eindeutig derselben Herkunft wie die in der Landwirtschaft angewandten Ausgangssubstanzen, weshalb der Orientierungswert für Pflanzenschutzmittel von 0,05 μg/l Anwendung findet.

Diese Begründung für den Entzug der amtlichen Anerkennung und Nutzungsgenehmigung entspricht laut Regierungspräsidium Stuttgart einem Beschluss der Fachexperten des Bundes und der Länder, der auf der 94. Sitzung des Arbeitskreises lebensmittelchemischer Sachverständiger der Bundesländer und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gefasst wurde. Demnach sei nach dem Verständnis eines vernünftigen Verbrauchers die „ursprüngliche Reinheit“ eines natürlichen Mineralwassers nicht vereinbar mit dem Vorhandensein von Abbauprodukten diverser Pflanzenschutzmittel.

Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart

Am 13.10.2010 erhob die Betreiberin der Mineralwasserbrunnen eine Anfechtungsklage. Demnach handle es sich bei dem festgestellten Gehalt um eine „nachträgliche Tatsache“ und deren Feststellung sei ausschließlich der geänderten Verwaltungspraxis des Regierungspräsidiums Stuttgart geschuldet. Die nachgewiesenen Mengen rechtfertigten auch nicht die Annahme, dass es sich bei den Quellen um abgeschlossene, vor Verunreinigungen geschützte Vorkommen handle. Eine absolute Abgeschlossenheit könne kein einziges unterirdisches Wasservorkommen in Europa gewährleisten, denn Mineralwasser sei ein Teil des natürlichen Wasserkreislaufs. Zudem sei in der EU-Mineralwasser-Richtlinie 2009/54/EG (inkl. Anhang I und II) genau geregelt, was ein „natürliches Mineralwasser“ ist. Ein natürliches Mineralwasser müsse mikrobiologisch einwandfrei sein, chemische Verunreinigungen lasse die Richtlinie nicht zu. Auch eine Täuschung der Verbraucher liege laut der Anfechtungsklage nicht vor, da der Verbraucher die normativen Anforderungen an natürliches Mineralwasser nicht kenne.

BWI wasserhahnEntscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat dieser Klage am 08.09.2011 stattgegeben. Auch in den Augen des Gerichts ist es zweifelhaft, ob die Metabolite der Eigenschaft eines natürlichen Mineralwassers widersprechen. Vielmehr geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass nach der Mineralwasserrichtlinie 2009/54/EG des europäischen Parlaments ein natürliches Mineralwasser ein mikrobiologisch einwandfreies Wasser ist, welches aus natürlichen oder künstlich erschlossenen Quellen gewonnen wird. Daher spreche viel dafür, dass ein natürliches und reines Mineralwasser allein durch die mikrobiologischen Kriterien definiert wird. Ausschließlich die Vorschrift des Art. 12 e) der Richtlinie 2009/54/EG gebe einen Hinweis auf chemische Bestandteile im Wasser, sie regle indes nur unter anderem, dass die EU-Kommission Maßnahmen hinsichtlich Analysemethoden und Messgrenzen für den Nachweis des Nichtvorhandenseins von Verunreinigungen festlegen kann. Demnach gibt es keine Regelungskompetenz für Analysen und Messungen des nationalen Gesetzgebers wie in diesem Fall das Regierungspräsidium Stuttgart.

Außerdem habe das Regierungspräsidium Stuttgart den Fehler gemacht, nicht den Weg über Art. 11 Abs. 1, 3 und Abs. 4 der Richtlinie 2009/54/EG zu gehen. Der berechtige einen EU-Mitgliedsstaat, welcher ausreichende Gründe zur Annahme hat, dass ein natürliches Mineralwasser nicht den Anforderungen der Richtlinie entspricht, Handelseinschränkungen oder deren Aussetzung verfügen. Gleichzeit müsse die EU-Kommission unterrichtet werden, die daraufhin die Sachlage prüfe, eine Stellungnahme abgebe und gegebenenfalls Maßnahmen ergreife. Laut Verwaltungsgericht Stuttgart wäre dies der richtige behördliche Weg, den das Regierungspräsidium Stuttgart hätte gehen müssen.

Berufung des Regierungspräsidiums Stuttgart

Doch das Regierungspräsidium gab sich nicht geschlagen und legte Berufung ein mit der Begründung, der im Urteil angezeigte behördliche Weg treffe in diesem Fall nicht zu. Artikel 11 biete für nationale Gesetzgeber lediglich die Möglichkeit von Importabwehr, da nationale Behörden keine Befugnisse gegenüber ausländischen Herstellern hätten. Der Weg des Artikels 11 sei also für im Land hergestellte Mineralwässer nicht zu nutzen. Die Begründung des Verwaltungsgerichts, dass die natürliche Reinheit sich nur auf die mikrobiologische Komponente beziehe, bezeichnete das Regierungspräsidium als „absurd“. Im Anhang I der Richtlinie 2009/54/EG ist die Rede vom Schutz „vor jedem Verunreinigungsrisiko“, was auch chemische Verunreinigungen betreffe. Natürliche Bestandteile von natürlichem Mineralwasser müssten geogen sein, und ein anthropogener Eintrag von Metaboliten sei ein Fremdstoff, was als Verunreinigung zu werten sei. Ein weiterer Grund, warum das Regierungspräsidium Stuttgart die ausschließlich mikrobiologische Reinheit als „absurd“ bezeichnet, ist Artikel 5. Der differenziert zwischen mikrobiologischer Makellosigkeit und sonstigen Verunreinigungen, wozu Metabolite bzw. chemische Verunreinigungen gezählt werden müssten. Da nunmal die EG-Trinkwasser-Richtlinie auf Mineralwässer nicht anwendbar sei, müsse zum Schutz der Gesundheit eine chemische Verunreinigung unter die Mineralwasser-Richtlinie fallen. Geschehe das nicht, entstünde eine Regelungs- und damit Schutzlücke.

Das Regierungspräsidium Stuttgart argumentierte weiter, dass die von den Gerichten als „gesundheitlich unbedenkliche chemischen Bestandteile“ bezeichneten Metabolite trotzdem relevant seien. Die „ursprüngliche Reinheit“ eines Mineralwassers beschränke sich nicht auf eine „gesundheitlich unbedenkliche“ Reinheit. Schließlich grenze sich Mineralwasser deutlich von Trinkwasser ab. Also könne hier nicht zwischen gesundheitlich unbedenklicher und gesundheitsgefährdender Verunreinigung unterschieden werden. Damit sieht sich das Regierungspräsidium Stuttgart in der Befugnis, genau wie es andere EU-Mitgliedsstaaten können, selbst Messverfahren festzulegen und zu regeln, ab welchem Grad einer Verunreinigung durch Pestizidrückstände die Eigenschaften eines natürlichen Mineralwassers nicht mehr gegeben sind. Deutschland sei sogar im Vorgriff auf eine noch ausstehende Regelung der EU-Kommission dazu verpflichtet. Ein Wert von von 0,05 μg/l als Orientierungswert für eine anthropogene Verunreinigung mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln widerspreche auch nicht dem Ziel und Zweck der europäischen Mineralwasser-Richtlinie.

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg

Der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg erklärte, dass chemische Verunreinigungen sich nach der Mineralwasser-Richtlinie 2009/54/EG allein auf den Vorgang des Abfüllens beziehen. Eine „Verunreinigung“ sei demnach eine Veränderung des Wassers, also ein Einwirken auf seine Eigenart und Einwandfreiheit. Damit greife das Argument eines Eintrags von Metaboliten nicht. Da unterirdische Mineralwasservorkommen ein Teil des Wasserkreislaufs seien, zählten demnach nur „wesentliche Verunreinigungen“. Außerdem müsse es genau wie für mikrobiologische Belastungen Grenzwerte für chemische Belastungen geben. Die gebe es jedoch derzeit nicht. Des Weiteren schließe Artikel 11 der Mineralwasser-Richtlinie 2009/54/EG nationale Regelungen aus, und Artikel 12 verlagere die Regelungskompetenz allein auf die EU. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Mineral- und Tafelwasserverordnung sei keine geeignete Rechtsgrundlage für ein Tätigwerden der Behörden. Ganz davon abgesehen habe die Mineral- und Tafelwasserverordnung keine Grenzwerte für Metabolite, sondern nur für Pflanzenschutzmittel (Pestizide) selbst.

Nach § 2 der Mineral- und Tafelwasserverordnung, führt das Gericht aus, muss „natürliches Mineralwasser“ folgende Anforderungen erfüllen:
1. Es hat seinen Ursprung in unterirdischen, vor Verunreinigungen geschützten Wasservorkommen und wird aus einer oder mehreren natürlichen oder künstlich erschlossenen Quellen gewonnen.

2. Es ist von ursprünglicher Reinheit und gekennzeichnet durch seinen Gehalt an Mineralien, Spurenelementen oder sonstigen Bestandteilen und gegebenenfalls durch bestimmte, insbesondere ernährungsphysiologische Wirkungen.

3. Seine Zusammensetzung, seine Temperatur und seine übrigen wesentlichen Merkmale bleiben im Rahmen natürlicher Schwankungen konstant; durch Schwankungen in der Schüttung werden sie nicht verändert.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass jeder Eintrag von anthropogenen Stoffen als „Verunreinigung“ gelte und nicht als „natürliches Vorkommen“, kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg die amtliche Anerkennung und die Nutzungsgenehmigung nicht entzogen werden, da sich aus der Mineral- und Tafelwasserverordnung keine Grenzwerte oder eine „Null-Toleranz“ entnehmen lassen. Auch die in Anlage 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift genannten Werte bestätigen nach dieser Sache, dass eine völlige Abwesenheit von anthropogenen Stoffen als Voraussetzung „natürlichen Mineralwassers“ nicht gefordert sei.

Gefordert für ein „natürliches Mineralwasser“ werde nach mikrobiologischen Anforderungen in § 4 Mineral- und Tafelwasserverordnung die Freiheit von Krankheitserregern, wo in Absatz 2 Grenzwerte für Krankheitserreger genannt seien, unterhalb derer dieses Erfordernis als erfüllt gilt. In § 6 der Mineral- und Tafelwasserverordnung in Verbindung mit Anlage 4 seien Grenzwerte für in natürlichem Mineralwasser natürlich vorkommende Stoffe genannt. Es seien also klare Anforderungen an ein natürliches Mineralwasser durch Grenzwerte für natürlich vorkommende (geogene) Stoffe und mikrobiologische Verunreinigungen festgelegt, aber nicht für chemische Verunreinigungen. Nur bei Überschreitung der festgelegten Grenzwerte könne die amtliche Anerkennung und Nutzungsgenehmigung entzogen werden.

Ein Widerruf der amtlichen Anerkennung und Nutzungsgenehmigung mit Berufung auf den Schutz des Gemeinwohls könne sich aus der Mineral- und Tafelwasserverordnung bzw. der dieser Verordnung zugrunde liegenden und durch sie umgesetzten Richtlinie genannten Zwecken ergeben. Dies regle der Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2009/54/EG vom 18.06.2009, der den Gesundheitsschutz des Verbrauchers, dessen Schutz vor Irreführung und die Sicherstellung eines fairen Handels betreffe. Doch rechtfertige dies nicht in Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine völlige Abwesenheit anthropogener Stoffe. Es sei nach Aktenlage in diesem Fall der Schutz der Gesundheit nicht unmittelbar betroffen, da hier von einer gesundheitlichen Unbedenklichkeit „nicht-relevanter“ Metaboliten auszugehen sei. Ein Metabolit werde nach der Definition in Art. 3 Nr. 32 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments als „relevant“ eingestuft, „wenn Grund zu der Annahme besteht, dass er in Bezug auf seine gewünschte biologische Wirksamkeit mit dem Ausgangsstoff vergleichbare inhärente Eigenschaften ausweist oder für Organismen ein höheres oder vergleichbares Risiko wie der Ausgangsstoff darstellt oder über bestimmte toxikologische Eigenschaften verfügt, die als nicht hinnehmbar erachtet werden“. Im Klartext bedeutet dies, dass hier erst von einer Gesundheitsgefahr ausgegangen wird, wenn die Abbauprodukte der Schädlingsbekämpfungsmittel genauso giftige Wirkung haben wie die Schädlingsbekämpfungsmittel selbst.

Der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg nimmt auch Bezug auf die Trinkwasserverordnung und auf die Qualitätsanforderungen an Trinkwasser: Davon abgesehen, dass die Metabolite geschmacks- und geruchsneutral sind, habe das Umweltbundesamt im April 2008 im Sinne eines Vorsorge-Konzepts als dauerhaft duldbaren Gesundheitlichen Orientierungswert (GOW) von 1 μg/l im Trinkwasser als gesundheitlich völlig unbedenklich eingestuft. In der Trinkwasserverordnung zum Thema Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch stehe in der Verordnung Nr. 10 und Nr. 11 lediglich einen Grenzwert für Pflanzenschutzmittel und deren relevante Metaboliten, nicht jedoch für nicht-relevante Metaboliten. In der Grundwasser-Richtlinie 2006/118/EG und deren Anhang I zu Art. 4 sei Entsprechendes zu finden.

Eine mögliche Irreführung der Verbraucher sei angesichts der Niedrigkeit der Werte und des Vorverständnisses des Verbrauchers, wonach auch „natürliches Mineralwasser“ nicht völlig frei von fremden Stoffen sei, nicht zu befürchten, dabei wird auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.09.2012 verwiesen, welches zur Verwendung von „BIO-Mineralwasser“ Folgendes festgestellt habe: „Der Verkehr wird bei verständiger Würdigung allerdings annehmen, dass Mineralwasser bereits von Natur aus bestimmte Reinheitserfordernisse erfüllt. Welche Reinheitserfordernisse dies im Einzelnen sind, wird der durchschnittlich informierte Verbraucher, dem die hierzu in der Mineral- und Tafelwasser-Verordnung bestimmten Anforderungen regelmäßig nicht bekannt sind, jedoch nicht wissen. Eine völlige Reinheit wird der Verkehr in diesem Zusammenhang nicht erwarten. Denn er hat Erfahrungswissen dahin gebildet, dass nahezu überall Schadstoffe anzutreffen sind und dies selbst für solche Lebensmittel gilt, die die Reinheitsbezeichnung ‚natürlichʼ oder ‚Bioʼ tragen.“

Damit hat der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg den jahrelangen Rechtsstreit zwischen dem Mineralwasserbetrieb und dem Regierungspräsidium zugunsten des Mineralwasserbetriebs entschieden. Ein natürliches Mineralwasser darf Abbaustoffe von Pflanzenschutzmitteln, ob Herbizide oder Fungizide, enthalten. Der Rechtsstreit hat mit diesem Urteil auch ein Ende gefunden, denn der Beschluss ist unanfechtbar. Die amtliche Anerkennung und Nutzungsgenehmigung der Quellen bleibt gültig.

Es ist dem Regierungspräsidium hoch anzurechnen, dass es sich zum Schutz des Gemeinwohls eingesetzt hat. Letztlich gibt es keine genauen Studien oder Erfahrungswerte, ob oder wie gesundheitsschädlich die Metabolite sind, da sie ja bis vor wenigen Jahren kaum bekannt waren. Das Risiko, dass die Werte weiterhin steigen, ist auch gegeben. Natürlich kann dem Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg aber kein Vorwurf gemacht werden. Gerichte halten sich an die Gesetze, und auch der Verwaltungsgerichtshof hat gesagt, es sei ein Gesetz nötig. Also ist hier der Gesetzgeber gefragt, Grenzwerte für chemische Rückstände in die Mineral- und Tafelwasserverordnung einzubringen. Auch ÖKO-TEST ist der Meinung, ein „natürliches Mineralwasser“ sollte keine chemischen Verunreinigungen beinhalten. 2011 hat ÖKO-TEST 130 Mineralwässer auf Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln untersuchen lassen. In rund 30 Prozent aller Produkte konnten die Stoffe nachgewiesen werden. Der Verbraucher muss also bei jedem dritten natürlichen Mineralwasser davon ausgehen, dass es Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln enthält. Das wird auch vorerst so bleiben.

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